Corona ist nicht für das Sterben unserer Innenstädte verantwortlich. Eine Vision für das Jahr 2030.

Corona ist nicht für das Sterben unserer Innenstädte verantwortlich. Eine Vision für das Jahr 2030.

Nein. Der Corona-Virus ist nicht an allem schuld. Wirklich. Auch nicht am Aussterben von Kaufhäusern, Geschäften, Boutiquen und sonstigen Einzelhändlern in unseren Innenstädten, wie gerne behauptet wird. Das können nur Menschen behaupten, die die letzten 20 Jahre mit blickdichten Scheuklappen herumgelaufen sind. Und doch werden unsere Einkaufsstraßen künftig anders aussehen. Weil wir es genau so wollen. Eine reale Vision.

Wir schreiben das Jahr 2030. Die Innenstädte nicht nur in Deutschland haben sich im Verlauf der vergangenen zehn Jahre stark verändert. Ob die Zeil in Frankfurt am Main, die Schildergasse in Köln, die Königstraße in Stuttgart oder die Kaufingerstraße in München: Überall haben die einst das Stadtbild so dominierenden Warenhäuser, Modeboutiquen, Schuhketten, Buch- und Schmuckläden ihr traditionelles Zuhause längst verlassen, das sie für zig Jahre bewohnt hatten. Maximal in Malls sind sie vereinzelt zu finden. Die neuen Mieter der bekannten Einkaufsmeilen sind Marken-Flagstores, Baumärkte, Kaffeeketten und – stark im Vormarsch – Versand-Shops von Amazon & Co..

Und noch etwas hat sich verändert: Den direkten Verkauf gibt es in den Marken-Stores schon lange nicht mehr. Die Apple-, Samsung-, Tesla-, Telekom-, Nike- samt Newcomer-Repräsentanzen haben rein die Aufgabe, neue Produkte vorzustellen. Sie sind pure Showrooms und Erlebnisstätten. Der Verkauf findet dagegen längst nur noch online statt – oder per App und Produkt-Scan direkt live aus dem Showroom. Weil es die Bewohner so wollen. Weil es so bequem für sie ist.

Arbeiten und Wohnen rückt zusammen

In den Cafés der Innenstädte trifft man sich, quatscht, bespricht die Neuheiten und ordert die gewünschten Produkte bei schnellem Internet direkt online. In den Versand-Shops von Amazon, Alibaba, Otto und Co. lassen sich T-Shirts, Hosen, Schuhe, Geschirr, Uhren oder Kinderspielzeug nach Bestellung innerhalb einer Stunde abholen – oder Unpassendes einfach wieder zurückgeben. Daran haben die Menschen sich längst gewohnt. Und weil auch dies so einfach geht.

In einigen Läden, die einst die WMF-, Swatch-, H&M- und Douglas-Filialen beherbergten, haben normale Menschen ihr neues Zuhause gefunden. Wohnen und Arbeiten sind enger zusammengerückt. Der Grund: Die Innenstadt-Mieten sind nach dem Zusammenbruch des Büro-Immobilienmarktes wieder bezahlbar geworden. Schließlich sind die früheren Geschäfte verschwunden oder komplett ins Web umgezogen. Zudem haben sich viele Büros räumlich deutlich verkleinert – weil im Schnitt 50 Prozent aus dem Home Office heraus arbeiten. Weil dies Arbeitgeber und -nehmer so wollen. Und weil es seit 10 Jahren verstärkt zur Normalität gehört.

Die Suche nach dem Schuldigen

Viele erinnern sich noch an eine Pandemie, die vor rund zehn Jahren viel beschleunigt hatte. Einige schreiben ihr bis heute sogar die Schuld für diesen Wandel und die neue Welt zu, die heute fast alle so schätzen. Und dass die Innenstädte wegen Corona sterben würden. Doch das ist Quatsch. Schon damals war nicht der Virus der Verursacher für das wachsende Sterben der traditionellen Geschäfte. Er war der Beschleuniger.

Das Sterben der bisherigen (Shopping-)Welt hatte schon viel früher eingesetzt: Weil immer mehr Menschen jeder Generation ins Netz abgewandert waren: Zum Austausch von Informationen, zur Selbstdarstellung, zum Bewerten von Produkten und natürlich auch zum Kauf dieser. Immer unabhängiger übrigens vom Alter. Der Virus, der die Menschen verstärkt zu Hause gehalten und ihre Käufe ins Internet geschoben hatte, ja, dieser Virus hatte die bereits eingesetzte Entwicklung beschleunigt. Kräftig beschleunigt. Weil das Leben in diesen Virus-Zeiten es einfach verlangte. Aber Schuld?

Nein. Diese Behauptungen stammten damals wie heute von Personen, die ihre Augen mit blickdichten Scheuklappen vor diesen neuen Entwicklungen verschlossen gehalten hatten. Die weiterhin hofften, dass alles so bleiben würde wie vor dieser Krise. Die Angst vor diesem wahren Change-Prozess hatten, den die gesamte Gesellschaft mit einem Schlage unvorbereitet getroffen und durchlebt hatte. Und die manche besser, die anderen schlechter ertragen konnten.

Das Verschlafen von Entwicklungen

Denn wie gesagt: Die Ursache für das Sterben der Innenstädte lag viel weiter zurück – und lässt sich bis heute mit einem veränderten Mediennutzungs-, Kommunikations- wie Kauf-Verhalten beschreiben, welche das – diese Personen würden jetzt sagen böse – Internet verursacht hatte. Schon damals hieß es in meinem Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie„: „Kaum ein Unternehmen, keine Institution kann sich dem digitalen Wandel entziehen. Nur diejenigen werden die digitale Revolution überstehen, die ihre traditionellen Geschäftsmodelle und Portfolios auf eine zunehmend digitale, individualisierte und unabhängige Kundschaft ausrichten. Ansonsten kommt es zum Aussterben, wenn sich Technologie und Gesellschaft schneller verändern als Organisationen in der Lage sind, sich darauf einzustellen.“

Schon damals gab es die Überzeugung, dass kaum ein Unternehmen ohne Digitalisierungsmaßnahmen wettbewerbsfähig sein könnte, „egal in welchem Industriezweig„. Und schon damals gab es Beschlüsse großer Händler und Läden, ihr Filialnetz auf den Prüfstand zu stellen und sich stärker auf digitale Kanäle zu fokussieren. Viel stimmten solchen Äußerungen grundlegend zu. Aber veränderten sie deswegen ihre liebgewohnten Verhaltensmuster und Denkweisen?

Die Scheuklappen der Bedenkenträger

Konnte man diesem Wandel also jetzt plötzlich die Schuld für diesen Wandel und das Sterben der Innenstädte geben? Einer Entwicklung, die in den 1960er Jahren mit dem Beginn des Internets begonnen hatte und damit also heute auch schon 70 Jahre alt war? Ein Trend, der schon seit Beginn des neuen Jahrtausends Schritt für Schritt weg vom stationären Einkauf, hin zum Online-Shopping führte und stationäre Händler in E-Commerce-Unternehmen wandelte? Kann es nicht eher sein, dass bestimmte Menschen – und leider auch politische Entscheider, Geschäftsführer und Trend-Verweigerer – einfach eine Entwicklung mehr oder weniger verpasst hatten? Und sich jetzt darüber beschwerten, dass sie nicht mehr mitkamen bzw. nicht mehr dazu gehörten? Wie konnte das nur passieren? Das waren Fragen, die diese damaligen Bedenkenträger heute ohnmächtig mit sich selbst ausmachen mussten. Die Mehrheit der Menschen hatte sich schon längst mit dieser neuen Entwicklung arrangiert und sie als unveränderbares Faktum akzeptiert.

Nein, das soll jetzt nicht heißen, dass alles heute besser ist. Oder früher schlechter war. Nein, dies war und ist weiterhin ein wertfreier Gang der Dinge, der schon vor ganz langer Zeit eingesetzt hat. Und zwar damals, als noch niemand an einen Virus und seine unbändige Zerstörungskraft wie seinen gleichzeitig unerwartet starken Digitalisierungsdruck gedacht hat. Nur war dieser Gang der Dinge lange Zeit nicht wirklich ernst genommen worden, bis es plötzlich – für viele – dann zu spät war.

Wie konnte das passieren, fragen sich heute zumindest diejenigen, die sich zwar lange verweigert aber zumindest heute aufgewacht sind? Naja, wie war das – und ich weiß, das Beispiel ist alt, uralt – mit den Postkutschen und den Pferden? Und der plötzlich neuen bedrohlichen Eisenbahn? Es gibt Dinge, welche die Zeit vor sich hertreibt. Weil immer mehr Menschen an ihnen geschnuppert und sie für begehrenswert erachtet haben. Und gegen solch starken Drang – ja: Wer könnte sich dem entgegenstellen?

Stichwort Wissenswertes: Dark Social

Stichwort Wissenswertes: Dark Social

Seit einigen Jahren ist auffällig, dass gerade jüngere Menschen immer stärker sich aus Diskussionen auf den Social Media Plattformen heraushalten. Stattdessen schalten sie ihre Social Media Kanäle auf „privat“ oder fokussieren sich auf kleinere wie größere Gruppen beispielsweise bei Messengern. Dieser Rückzug ins Private ist ein Phänomen, das mit dem Begriff „Dark Social“ überschrieben wird und das heute Teil der Serie „Stichwort Wissenswertes“ ist. Natürlich stammt dieser Beitrag wieder aus meinem neuen Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie„.

Dark Social und The Atlantic

Wenn sich Nutzer aus öffentlichen Diskussionen zurückziehen, wenn sie weniger an öffentlichen Diskussionen partizipieren, wenn sie weniger öffentlich publizieren, kommentieren oder Beiträge sharen, dann ist dies ein Zeichen für „Dark Social“. Der Begriff »Dark Social« wurde erstmals im Jahre 2012 in einem Artikel der Zeitschrift The Atlantic erwähnt.

Er beschreibt, dass Menschen Inhalte über private Kanäle wie Messaging-Apps, Instant-Messenger, E-Mails oder in geschlossenen Gruppen in den sozialen Netzwerken teilen. Das Besondere: Dieses private Teilen lässt sich kaum verfolgen im Vergleich zu Inhalten, die auf öffentlichen Plattformen geteilt werden.

The future is private

Diesen Rückzug ins Private lässt sich gut am Rückgang der Interaktionsraten auf Facebook & Co. ablesen. Mit schwerwiegenden Konsequenzen für Unternehmen und Institutionen, die diese Veränderung nicht ignorieren dürfen: Schließlich fallen plötzlich ihre bisherigen Fans und Follower als Multiplikatoren ihrer Inhalte weg. Stattdessen kommunizieren diese in privaten Räumen über Messenger und E-Mails oder bewegen sich in geschlossenen Foren und Gruppen. Dort können sie sich fern der Öffentlichkeit mit einzelnen Personen austauschen. Selbst Marktführer Facebook hat dies erkannt und proklamiert klar: »The future is private

In dieser Thematik spiegelt sich gleichzeitig der schwierige Umgang vieler Menschen mit der Vielfalt an vorhandenen, angebotenen und zu verarbeitenden Informationen wider: Sie haben Probleme, daraus die für sie relevanten gezielt auszuwählen bzw. andere bewusst auszusortieren. Um ihren persönlichen Content-Shock zu vermeiden, müssen sie jedoch aktiv werden. Nur so gelangen künftig ausschließlich die Informationen in ihr Sicht- und Wahrnehmungsfeld, die inhaltlich klar auf sie zugeschnitten sind, ihnen einen wirklichen Mehrwert bieten, genau die von ihnen bevorzugten Kanäle bespielen und für sie zudem einfach zu finden und zugänglich sind. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie eines Tages vor ihrem persönlichen Digitalen Burnout stehen.

Dark Social als Ausweg aus dem Content-Shock?

Vielen ist bewusst, dass ihnen die schier endlosen Kanäle, der Information Overload, der Content Shock, ein selbst verursachter innerer Druck verbunden mit Angst und Panik, nichts verpassen zu wollen (FOMO Fear of missing out), extrem zusetzt. Sie müssen lernen, ihren eigenen Weg und Umgang zu finden.

Und Unternehmen und Institutionen? Für sie bedeutet dies: Klare Zielgruppen-Bestimmung, stark individualisierter, personalisierter Content, hohe Sichtbarkeit und eine regelmäßig überprüfte und optimierte Kanalstrategie zählen künftig zu den zentralen Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Kommunikation im digitalen Zeitalter.

Bisher erschienen in der Serie „Stichwort Wissenswertes“:

Die digitale Kommunikationsstrategie von Dominik Ruisinger

Die digitale Kommunikationsstrategie. Seit Juli 2020 neu.
Weitere Infos hier!

Die einfache Blog-Strategie: ICH-WIR-IHR

Die einfache Blog-Strategie: ICH-WIR-IHR

Der Aufbau eines Corporate Blogs zählt zu den Königsdisziplinen digitaler Kommunikation. Doch wie beginne ich damit? Das heißt, wie baue ich strategisch ein Corporate Blog auf? In diesem Beitrag aus meinem Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“ stelle ich ein einfach verständliches Modell als pragmatische Blog-Strategie vor. Dieses ist aufgeteilt in die 3 aufeinander folgenden Phasen ICH, WIR und IHR.

Der Aufbau eines Corporate Blogs zählt zu den Kernaufgaben innerhalb der digitalen Kommunikation. Schließlich gibt es kaum ein besseres Schaufenster, um eigene Themen zu setzen, Stories zu spielen, mit Nutzern in Kontakt zu treten, eigene Kollegen und ihre Geschichten und Erfahrungen einzubringen und sich von Mitbewerbern abzugrenzen. Dies zeigt: Es gibt viele Gründe gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, ein Blog zu beginnen.

Doch wie gehe ich am besten vor, um ein Corporate Blog inhaltlich zu installieren und dann bekannt zu machen? Also nachdem das Blog technisch installiert wurde? Ich schlage stets eine 3-stufige Vorgehensweise vor. Dieses einfache Modell einer Blog-Strategie bezeichne ich als die ICH-, die WIR- und die IHR-Phase.

Die Strategie zum Aufbau eines Corporate Blogs: Die Phasen ICH, WIR, IHR.

1. Die ICH-Phase

Dies ist die einsame Phase. Denn die verantwortliche Blog-Redakteurin schreibt mehrere Beiträge für das Blog. Sie sorgt für Content. Bestenfalls hat sie die Inhalte bereits zuvor im Hintergrund erstellt und stellt sie jetzt nach und nach im Blog online. Warum? Schließlich sollen etwaige Besucher, die zufällig auf das Blog stoßen, nicht den Eindruck gewinnen, als sei hier noch nichts los. Vor allem könnten sie sich so kaum einen Eindruck von der Themensetzung machen. Sie würden also das Blog sofort wieder verlassen und niemals wiederkommen. Der Besucher wäre also verloren gegangen. Daher wird die Ich-Phase auch nicht aktiv beworben – weder intern noch extern. Das einzige wichtige Ergebnis der Phase: Das Blog wächst langsam – an Content.

2. Die WIR-Phase

Die Blog-Redakteurin informiert innerhalb des Unternehmens über das neue Corporate Blog. Stichwort interne Kommunikation bzw. „Public Relations begin at home“ (Edward L. Bernays) Dies kann sowohl über das (Social) Intranet geschehen oder einen gemeinsamen Slack-Channel, als auch über einen internen E-Mail-Verteiler geschehen; ganz traditionell über ein Schwarzes Brett, über die Hauspost und ein Corporate-TV; über eine interne Veranstaltung oder sonstige Online- wie Offline-Wege und Gelegenheiten. Auf der einen Seite will sie vermeiden, dass Kollegen ohne Wissen und Vorabinformation ganz zufällig auf das Blog stoßen und verwirrt sind; auf der anderen Seite will sie über diesen Weg unter den eigenen Kollegen Verbündete als Mit-Redakteure oder Informationszulieferer finden. Das Ergebnis: Das Blog wächst weiter – an internen Besuchern wie auch an möglichen Co-Autoren bzw. Mit-Bloggerinnen.

3. Die IHR-Phase

Die Blog-Redakteurin tritt mit dem Blog aktiv nach draußen. Im Unterschied zur ersten Phase sind jetzt bereits mehrere Beiträge dort publiziert worden – von ihr sowie von dazu gewonnenen Kollegen. Es ist Zeit, das Blog nach außen bekannt zu machen. Dies kann über Hinweise auf der Corporate Webseite, im E-Mail-Abbinder oder im E-Mail-Newsletter geschehen, über Beiträge auf den Social-Media-Kanälen, über Medienarbeit und Influencer- beziehungsweise Blogger-Kooperationen, über werbliche Aktivitäten sowie über Offline-Maßnahmen wie beispielsweise Hinweisen in Broschüren, bei Präsentationen oder auf Veranstaltungen. Das Ergebnis: Das Blog wächst weiter – jetzt auch an externen Besuchern. Allmählich entwickelt sich eine interessierte Community, die die Blog-Beiträge liest und neue abonniert. In dieser Phase spielen gerade eingerichtete Abo-Funktionen per E-Mail-Newsletter und RSS eine zentrale Rolle für die Leser-Bindung.

Fazit zur Blog-Strategie:

Die Vorgehensweise in diesen drei nacheinander folgenden Phasen – ICH (die jeweilige Blog-Verantwortliche), WIR (Unsere Organisation), IHR (die externe Community) – erleichtern es, das eigene Blog Stufe für Stufe aufzubauen und innerhalb der interessierten Community zu positionieren. Schließich sollte sich niemand ohne wirkliche Strategie in das stets langfristig angelegte Abenteuer eines Corporate Blogs stürzen.

Stichwort Wissenswertes: Dark Social

Stichwort Wissenswertes: Sinus-Milieus als Zielgruppen-Werkzeug

Zu den Hauptwerkzeugen auch einer digitalen Kommunikationsstrategie zählen die altehrwürdigen Sinus-Milieus. Nur bringen diese in digitalen Zeiten, in denen alle nur noch von Personas sprechen, noch etwas? Ja, meine ich in diesem Beitrag im Rahmen meiner kleinen Serie „Stichwort Wissenswertes“, der wieder meinem neuen Buch entstammt.

Sinus-Milieus als Orientierungshilfe

Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensweise und -auffassung ähneln. Dazu fließen grundlegende Werte, Lebensziele und -stile, die soziale Lage sowie persönliche Einstellungen zu Familie, Freizeit, Arbeit und Konsum mit ein. Dieser Ansatz, Zielgruppen in Milieus und sogenannte Lebenswelten zu segmentieren, liefert Kommunikationsexperten eine gute Orientierung und eine hilfreiche Entscheidungshilfe.

In einer sogenannten Kartoffelgrafik des Sinus-Institutes werden die Sinus-Milieus in ein 2-dimensionales Koordinatensystem gruppiert: auf der x-Achse die »Grundorientierung«, auf der y-Achse die »soziale Lage«. Die »soziale Lage« stuft nach Unter-, Mittel- und Oberschicht ein. Die »Grundorientierung« teilt auf in Tradition, Modernisierung/Individualisierung und Neuorientierung. Anhand beider Achsen werden die Gruppen platziert, von den Traditionellen zu den Performern, von den Prekären über die Bürgerliche Mitte bis hin zu den Liberal-Intellektuellen. Die Gruppen haben jeweils ähnliche Einstellungen und Meinungen zu den Themen wie Familie, Freizeit, Arbeit oder Konsum. Auf diese Weise bilden sich einzelne Cluster, die sich in ihrer Lebensweise und ihren Alltagseinstellungen zu den genannten Themen unterscheiden.

Traditionelles Planungsinstrument

Die Zielgruppen-Typologie ist ein traditionelles Planungsinstrument, das neben den klassischen soziodemografischen Fakten wie Alter, Bildungsstand und Einkommen die Wertorientierung und die Lebensstile von Verbrauchern berücksichtigt. Die Aufteilung in Lebenswelten bietet der Kommunikation wichtige Ansätze: Sinus-Milieus als Zielgruppen-Ansatz sind nicht nur Bestandteil der zentralen hiesigen Markt-Media-Studien; sie können hilfreich sein, Basis-Zielgruppen für eine strategische Kommunikation zu erstellen.

Auf Grundlage der Werte, die das eigene Produkt oder die eigene Organisation repräsentiert, lassen sich die jeweiligen Zielgruppen den passenden Milieus zuordnen. Dabei sind die Übergänge oftmals fließend. Zudem können Organisationen durchaus mehrere der verschiedenen Sinus-Milieus ansprechen.

Digitale Sinus-Milieus

Spannende Ergänzung gerade für die Entwickler von digitalen Kommunikationsstrategien: Einen ebenfalls interessanten Blickwinkel auf die Zielgruppen liefern die sogenannten Digitalen Sinus-Milieus der Internetnutzer. Dazu hat das Sinus-Institut das bekannte Kartoffelmodell auf digitale Zielgruppen übertragen und unterscheidet im Verhalten sechs Grundhaltungen: selektiv, vorsichtig, bemüht, spaßorientiert, effizient und souverän. Wie sich diese in der digitalen Kommunikation einsetzen lassen, dazu finden sich Informationen direkt auf der Webseite des Sinus-Instituts.

Bisher erschienen in der Serie „Stichwort Wissenswertes“:

Die digitale Kommunikationsstrategie von Dominik Ruisinger

Die digitale Kommunikationsstrategie. Seit Juli 2020 neu.
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Stichwort Wissenswertes: Dark Social

Stichwort Wissenswertes: Ist eine Strategie immer langfristig angelegt?

Konzepte und Strategien müssen immer langfristig wirken – oder zumindest eine mittelfristige Wirkung haben. Mhhh. Gar nicht einfach diese Aussage, die überall nachzulesen ist. Grundsätzlich bin ich durchaus ein Freund davon, dass eine mühsam entwickelte Strategie langfristig ihre Wirkung zeigen sollten. Doch gilt dies auch im digitalen Zeitalter und diesen extrem schnelllebigen Zeiten? Ein „Stichwort Wissenswertes“ aus meinem Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“ heute zum Begriff „Langfristigkeit“.

Der Strategie-Begriff »langfristig« in digitalen Zeiten

Strategien werden traditionell mit dem Begriff »langfristig« verbunden, sind sie doch auf lange Sicht ausgerichtet. Der Begriff der »Langfristigkeit« ist jedoch in digitalen Zeiten immer schwieriger zu definieren. Konnten bislang noch Strategien auf mehrere Jahre angelegt werden, so hat sich dies im digitalen Zeitalter deutlich verändert. Strategen müssen sich bewusst sein, dass der Begriff »langfristig« heute eher mit einem Zeitraum von einem als von mehreren Jahren verbunden ist – gerade angesichts der vielfältigen Entwicklungen in der Kommunikations- und Medienlandschaft.

Man muss bedenken, was alles innerhalb des vergangenen Jahrzehntes in der Kommunikation geschehen ist: Das Aufkommen des Social Web, die stärkere Dialogorientierung, das verstärkte Interesse an öffentlicher Selbstdarstellung, die veränderte Kommunikationskultur, der Rückzug ins Private – Stichwort Dark Social. Außerdem wurde die strikte One Voice Policy allmählich untergraben, es wird verstärkt visuell kommuniziert, auf schnelllebigen Content gesetzt und der Trend geht hin zum Pull-Ansatz und zu einer Many-to-Many-Kommunikation. Die klassischen Medien verlieren allmählich an Bedeutung, und die Ära von Journalisten als einzige Gatekeeper neigt sich dem Ende zu.

Diese und viele weitere Entwicklungen machen deutlich, wie stark die Kommunikationsbranche im Umbruch begriffen ist. Verändertes Nutzerverhalten und technologische Entwicklungen »pushen« sich gegenseitig zu einer fortlaufenden Veränderung. Zudem ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung noch lange nicht am Ende ist, sondern sich in hoher Geschwindigkeit fortsetzen wird – Stichwort automatisierte Chatbots, Stichwort Virtual und Augmented Reality, Stichwort Live um nur ein paar zu nennen.

Strategie als flexibles Gerüst

Genau solchen Veränderungen muss sich eine digitale Kommunikationsstrategie stets anpassen. Auf der einen Seite geht es nicht darum, neuen Entwicklungen immer hinterherzurennen und sich anhand dieser jedes Mal komplett neu zu positionieren. Angesichts der Vergänglichkeit von Trends würde dies enorme Anstrengungen verlangen und viele Ressourcen – teils ergebnislos – verschlingen. Auf der anderen Seite muss die gewählte Strategie den Blick nach vorne richten, um zentrale Entwicklungen frühzeitig zu erfassen und sie zu integrieren. Schließlich bildet sie das Fundament, auf dem die gesamten Kommunikationsaktivitäten basieren.

Solch ein hohes Maß an notwendiger Flexibilität belegt, dass Strategien weit weniger einmal fertig entwickelt und für die kommenden Jahre unveränderbar fixiert bleiben. Vielmehr bilden sie eher eine an den Unternehmens- und Kommunikationszielen ausgerichtete flexible Basis, die in regelmäßigen Abständen und zumindest einmal pro Jahr genau überprüft und den Gegebenheiten neu angepasst werden muss.

Bisher erschienen in der Serie „Stichwort Wissenswertes“:

Die digitale Kommunikationsstrategie von Dominik Ruisinger

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Stichwort Wissenswertes: Dark Social

Stichwort Wissenswertes: Das Leitbild als Strategie-Basis

Wer sich an eine digitale Kommunikationsstrategie heranwagt, benötigt eine klare Unternehmensstrategie und definierte Unternehmensziele als Basis. Schließlich soll die Kommunikation später einen „Impact“ haben. Auf dem Weg zu einer Unternehmensstrategie lohnt es sich, sich mit dem eigenen Leitbild auseinanderzusetzen. Diesen Begriff stelle ich in der Serie „Stichwort Wissenswertes“ heute vor.

Warum ein Leitbild als Basis für eine Strategie

Ein Leitbild definiert das Selbstverständnis und die Grundprinzipien einer Organisation. Bei den Sparkassen betont das Leitbild beispielsweise die Abgrenzung von Banken: »Was macht uns anders«, heißt es im Leitbild. Und als Antwort: »Wir heißen Sparkasse, nicht Bank – das hat gute Gründe. Mit unserem gesellschaftlichen Engagement fördern wir Gemeinschaft. Neben guter Beratung und fairen Finanzdienstleistungen ist das der Kern der über 200 Jahre alten Sparkassen-Idee.« Ein Leitbild enthält neben dem eigenen Selbstverständnis Ziele und Grundprinzipien der Strategie zu deren Erreichung. Es »dient der Sinnstiftung eines Unternehmens« – nach innen wie nach außen. So hat es die zentrale Funktion, nach innen Orientierung zu geben und nach außen deutlich zu machen, wofür das Unternehmen beziehungsweise die Institution stehen.

Die umfangreiche Definition des Selbst »ist der erste und auf strategischer Ebene notwendige Schritt, um am Ende erfolgreich taktisch wie operativ arbeiten zu können«, beschreibt Magnus Hüttenberend, Group Head of Digital Communications bei TUI, die Notwendigkeit in seinem Gastbeitrag für mein aktuelles Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie„. Ein Leitbild sollte dazu kurz und kompakt formuliert sein und Antworten auf die Fragen liefern, wohin wir wollen (strategische Ziele), wie wir vorgehen wollen, um dahin zu gelangen (Organisation, Ansatz) und auf welchen Feldern wir dies erreichen wollen (Fokus).

Vision, Mission, Strategy, Values

Wer ein Leitbild als Basis für seine Strategie entwickeln will, kann sich gut an dem folgenden Modell orientieren. Dieses stützt sich auf die Beantwortung von vier zentralen Fragen:

  • Vision: Wofür stehen wir und wovon träumen wir?
  • Mission: Was wollen wir dazu beitragen beziehungsweise gemeinsam erreichen?
  • Strategie: Wie wollen wir das erreichen?
  • Werte: Welche Werte und Begriffe sollen unser Denken und Handeln prägen?

Dieses Leitbild erzählt folglich, was die Organisation im Kern ausmacht, welches Selbstverständnis sie hat und welche langfristigen Ziele sie strategisch anstrebt.

Am Beispiel einer Forschungseinrichtung oder einer Stiftung mit Fokus auf Bildung und Wissenschaft könnte dieses Modell wie folgt aussehen:

  • Vision: Jungen und Mädchen interessieren sich verstärkt für MINT-Studiengänge.
  • Mission: Wir wollen insbesondere Kinder aus bildungsfernen Schichten für MINT begeistern und bei ihnen ein Bewusstsein für ein Studium erzeugen.
  • Strategie: Wir springen auf den Trend zur Gamification auf, in dem wir Jungs und vor allem Mädchen bereits im Jugendalter mittels spielerischer Elemente den Weg zu MINT erleichtern, sie individuell fördern und ihnen früh- zeitig die späteren Studiengänge näherbringen.
  • Werte: Wir bekennen uns zu den Werten Gleichberechtigung, Fortschritt, Zukunft und Bildung für alle.

Leitbild: Eine der Grundlagen für jede Strategie

Fazit: Leitbilder geben Orientierung und helfen bei der Markenpositionierung. Und diese ist wiederum Ausgangspunkt aller geschäftspolitischen Entscheidungen und damit natürlich die Grundlage einer Kommunikationsstrategie – ob digital oder klassisch. Gleichzeitig muss jedes Leitbild in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Schließlich können neue Entwicklungen, veränderte Grundlagen und gesammelte Erfahrungen das bisherige Wirken und Verhalten infrage stellen.

Bisher erschienen in der Serie „Stichwort Wissenswertes“:

Die digitale Kommunikationsstrategie von Dominik Ruisinger

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