Nur die aufgeschlossene Mitte und die zuversichtlichen Profis sind fit für die digitale Gesellschaft. Der Rest droht, nicht mit dem digitalen Wandel Schritt halten zu können. Damit ist der Weg in die digitale Gesellschaft noch weit. Dies ist das Ergebnis des D21-Digital-Index 2023/2024. Jährlich gibt er Auskunft darüber, inwiefern die Digitalisierung die verschiedenen Lebensbereiche durchdrungen hat und wie gut die Menschen ab 14 Jahren hierzulande in der Lage sind, mit den Anforderungen des digitalen Wandels umzugehen.
Wie ich in meinem jährlichen Blick auf den D21-Digital-Index schon mehrfach geschrieben habe, zählt diese Studie zu den wichtigsten Untersuchungen in Deutschland. Schließlich gibt sie gute Einblicke, die sich bei der Entwicklung einer digitalen, integrierten Kommunikationsstrategie nutzen lassen. So hilft es beispielsweise, anhand der 6 geschilderten Personas die digitalen Kompetenzen der eigenen Zielgruppen besser einzuschätzen. Darum will ich mich auch auf die Punkte aus der aktuellen Ausgabe fokussieren, die strategisch besonders relevant sind.
- Der Digitalisierungsgrad: Dieser hat sich mit 58 von 100 Punkten im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert und hängt im Mittelfeld fest. Zwar können immer mehr Menschen in Deutschland an der digitalen Welt teilhaben. Jedoch sinkt deren Fähigkeit, künftig mit dessen Entwicklungen Schritt zu halten. Dies liegt daran, so die Studienmacher, „dass die deutsche Bevölkerung zwar an vielen Stellen bereits »kann«, aber nicht unbedingt »will«.“ Dies betrifft insbesondere die Generationen X und älter. Große Unterschiede beim Digitalisierungsgrad zeigen sich ebenfalls zwischen den Bildungsniveaus. Einfach gesagt: je geringer die Bildung, desto geringer auch der Digitalisierungsgrad.
- Digitale Kompetenzen: Digitale Kompetenzen sind eine wichtige Voraussetzung, damit sich die Menschen souverän in der digitalen Welt bewegen. Doch tut sich hier ein kräftiger Gap auf. Gerade einmal 50 Prozent der Bevölkerung verfügt über digitale Basiskompetenzen, wenn auch mit leicht positiver Tendenz. Während die »Digitalen Profis« über fortgeschrittene digitale Kompetenzen verfügen und auch die »Digitale Mitte« mit dem digitalen Wandel Schritt halten kann, nehmen die »Digitalen Vermeider« praktisch nicht an der digitalen Welt teil. Noch immer gibt es viele, die das digitale Leben verdrängen, aussitzen oder ablehnen – und die aus Sicht von Kommunikationsstrategen daher über andere, eher herkömmliche Kanäle anzusprechen sind.
- Digitale Resilienz: Gerade mal 61 Prozent und damit sogar 3 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahr sind für den fortschreitenden digitalen Wandel gewappnet, da sie über wichtige Resilienzfaktoren verfügen. Das bedeutet, dass nur etwa 6 von 10 Bürgern über mindestens 3 der 5 definierten Resilienzfaktoren (s. Abbildung) verfügen. Diese Resilienz sinkt besonders stark bei denjenigen, die den steigenden Anforderungen mit Rückzug statt mit proaktiver Anpassung begegnen.
- Digital Skills Gap: Die Spaltung bei der digitalen Kompetenz ist besonders groß zwischen Menschen mit formal niedriger und Menschen mit hoher Bildung. Auch im Vergleich zu den Vorjahren konnte die Lücke nicht verringert werden. Die Studie spricht von einem Stillstand, von einer Stagnation, hat sich an diesem Gap bezüglich Einstellung und digitaler Kompetenz nichts verändert. Um den Digital Skill Gap zu schließen, müssten die Menschen ihre Kompetenzlücken bewusst erkennen, um sie dann auch gezielt schließen zu können. Doch die Bereitschaft dafür bleibt begrenzt. Dass der Gap gerade auch zwischen den Generationen groß ist und bleibt, sollte nicht weiter überraschen.
- Künstliche Intelligenz: ChatGPT scheint als einzige KI-Anwendung wirklich Bekanntheit zu genießen. Rund 18 Prozent haben es schon einmal genutzt, bei der Generation Z sind es mehr als doppelt so viele. Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus der aktuellen ARD/ZDF-Onlinestudie, über die ich hier bereits berichtet habe. Danach ist ChatGPT nicht zuletzt aufgrund der breiten medialen Aufmerksamkeit innerhalb kurzer Zeit bei immerhin fast der Hälfte der Bevölkerung bekannt.
- Vogel-Strauß-Taktik: KI wird insbesondere die Arbeitswelt in den nächsten 10 Jahren gravierend verändern. 76 Prozent ist durchaus bewusst, dass dadurch Tätigkeiten und Jobs wegfallen werden. Jedoch nur 23 Prozent glauben, dass dies ihren eigenen Job betreffen könnte, was ein bedenkliches Zeichen hinsichtlich unserer eigenen Zukunftssicherheit darstellt.
- Digitale Fortbildung: Für die Mehrheit ist es klar, dass sie künftig weitere digitale Basiskompetenzen benötigt und dass jeder und jede etwas tun muss, um Schritt zu halten. Angesichts der großen Veränderungen, die im Berufsleben durch KI erwartet werden, ist es dann aber erschreckend, dass gerade mal 18 Prozent die Weiterbildungsangebote vom Arbeitgeber genutzt haben. Damit stagniert ihr Anteil seit Jahren auf geringem Niveau. Überraschend ist der Gap im Bereich der Fortbildung bei jüngeren Generationen: Während der Anteil derer, die sich in der Generation Z informell weitergebildet haben, um 8 Prozentpunkte gestiegen ist, ist er in der Generation Y um 8 Prozentpunkte gesunken.
- Digitale Nutzung: Die Internetnutzung liegt bei 94 Prozent. Damit hat die große Mehrheit der Deutschen Zugang zum Internet als Grundvoraussetzung für die Teilhabe an der digitalen Welt. Doch diese positiv klingende Zahl ist durchaus kritisch zu betrachten, und zwar in dreierlei Hinsicht:
– Wir sprechen bei den 94 Prozent von »ab und zu« Nutzung, die tägliche Internetnutzung liegt laut anderer Studien gerade mal bei gut 80 Prozent.
– Noch immer haben nicht alle einen Zugang zu den digitalen Möglichkeiten, was sich gerade bei ärmeren Bevölkerungsschichten zeigt: Während einkommensstarke Haushalte praktisch alle online sind, haben einkommensschwache Haushalte deutlich seltener einen Zugang zum Netz.
– Seit Abflachen der Corona-Pandemie stagniert die Ausbreitung des Online-Lebens auf hohem Niveau. Auch bei der mobilen Nutzung setzt sich 2023 der starke Anstieg der vergangenen Jahre nicht fort.
Fazit: Die Spaltung der Gesellschaft besteht folglich weiterhin. Vor allem läuft der Spalt immer stärker zwischen denjenigen, die eine positiv-optimistische Grundhaltung einnehmen und denjenigen, die der fortschreitenden Digitalisierung distanziert bis ablehnend-skeptisch gegenüberstehen. Das heißt: Jeder Wandel beginnt vor allem im Kopf.