Wenn ich mir die vielen mühevoll erstellten und zeitaufwändigen Blog-Beiträge und Facebook Posts in meinem Feedreader ansehe, die ersten Instant Article-Versuche bei Facebook beobachte, an die wunderschöne Posting-Plattform medium.com und die täglich dort einlaufenden Beiträge denke oder über die neuen Publikations-Optionen bei LinkedIn und Xing sinniere – jedes Mal schießt mir ein Gedanke in den Kopf, den auch der geschätzte Christian kürzlich sehr offen thematisiert hat: Wer soll das alles lesen?
Dies wird umso deutlicher, wenn man sich die hübsche Infografik des Mobil-Dienstleisters appkind ansieht: Der Content Shock. Oder besser: Der Facebook-Content Shock. Und die Lösung? Ganz ehrlich: Keine Ahnung. Ich weiß nur eines: Das Thema Sichtbarkeit und Wahrnehmung wird uns in seiner Bedeutung noch viel stärker beschäftigen, als wir es bislang im Rahmen von SEO & Co. wahr genommen und diskutiert haben. So werden wir mit Sicherheit deutlich selektiver lesen, wahrnehmen, auswählen und interagieren – und dabei gleichzeitig viel Spannendes verpassen. Genau das müssen wir dann akzeptieren. Auch wenn es uns schwer fällt.
Die Masse an Inhalten nimmt ständig zu, aber ich bin trotzdem vorsichtig bei dem Begriff „Content-Shock“. Zum ersten Mal hat die Menschheit diesen Schock erlebt, als der Buchdruck erfunden wurde. Seitdem haben Inhalte es schwer, Abnehmer zu finden und müssen sich überlegen, wie sie die entsprechende Aufmerksamkeit erregen können. Die Werbung war ein möglicher Weg, der aber heute nur noch bedingt funktioniert. Heute stehen wir vor der Frage, wie zukünftige Wege aussehen werden.
Ich gebe dir recht: Der Begriff „Schock“ ist definitiv etwas hart. Andererseits werde ich verstärkt in meinen Seminaren und Coachings mit der Frage konfrontiert, wie man mit den vielen vielen Inhalten denn bitte umgehen soll. Das heißt, wir haben definitiv heute ein Problem bei der Bewältigung der vielen Inhalte. Schließlich hat unser Wahrnehmungsvermögen hier einfach eine Grenze. Darum schrieb ich auch, dass das Thema Sichtbarkeit noch stärker zu einer zentralen Herausforderung wird.
Ja, die Sichtbarkeit scheint mir auch eine zentrale Frage zu sein: Sichtbarkeit kann durch Sozialkapital entstehen (Euch beide lese ich immer gern ;), und natürlich dürfte ein großer Teil der Kunst darin bestehen, Pull-Kommunikation vorzubereiten. Ich vermute, das geht über das hinaus, was klassische SEO meint und es meint auch nicht das bloße Kopieren von Inhalten in möglichst viele Kanäle. Ich denke, hier setzt echte Content Strategie an, in deren Rahmen man vielleicht überlegt, für welche Stakeholder und Zwecke eignet sich die Aufbereitung eines Themas in Form von Longreads, für wen als FAQ, Video, Präsentation, Infografik oder was auch immer.
Ja, SEO ist eigentlich nur ein Ausdruck für den Wunsch, sichtbar zu sein – aber in vielen Fälle leider unabhängig von der Qualität. ;-(. Und das was für heute hochtrabend und im Übermaß als Content Strategie bezeichnen, ist in seiner tieferen Bedeutung die Besinnung auf die Inhalte, die gerade für die eigenen Stakeholder auch wirklich von Relevanz sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass man – wenn man diesen Stakeholdern nichts oder nicht viel zu sagen hat –, deutlich weniger kommunizieren kann, sollte und hoffentlich wird. Und das ist für die Leser wiederum nicht die schlechteste Nachricht.