Gedankenspiele: 3x Studien, 6x Instrumente, 1x Snapchat

Gedankenspiele: 3x Studien, 6x Instrumente, 1x Snapchat

Der D21-Digital-Index 2023/2024, der Algorithm Report 2024, der Communications Trend Radar 2024: Der Monat Februar war wieder einmal ein Monat der Studien. Und diese lieferten wirklich interessante Ergebnisse – gerade für Konzeptioner und Strateginnen. Zeit also, drei von ihnen gleich in meine monatlichen Lesetipps zu packen. Und dann war da noch eine Kampagne von Snapchat, die mich zum Nachdenken gebracht hat.

Viel Spaß also mit den Gedankenspielen.

In eigener Sache

D21-Digital-Index 2023/2024: Fit für die digitale Gesellschaft? Nur teilweise!
Nur die aufgeschlossene Mitte und die zuversichtlichen Profis sind fit für die digitale Gesellschaft. Der Rest droht, nicht mit dem digitalen Wandel Schritt halten zu können. Dies ist das Ergebnis des D21-Digital-Index 2023/2024, der jährlich die Fortschritte bei unserem Weg in die digitale Welt beobachtet. Auch dieses Jahr lassen sich die Einblicke wieder hervorragend für eine integrierte Kommunikationsstrategie nutzen. In meinem Beitrag habe ich mir daher die Ergebnisse genauer angesehen, die für Strategen besonders relevant sind.

Weitere Studien

  • LinkedIn: Insights aus dem Algorithm Report
    Der LinkedIn-Berater Richard van der Blom hat ein Update des LinkedIn Algorithm Reports publiziert. Die gut 123 Folien starken Insights liefern wieder eine gute Orientierung, anhand derer man die eigene LinkedIn-Strategie ausrichten sollte.
  • Corporate Communication: 5 Trends des Communications Trend Radar
    Informationsinflation, KI-Kompetenz, Arbeitskräftewandel, Integrität von Inhalten und Entschlüsselung des Menschen heißen die 5 Trends, die der Communications Trend Radar 2024 identifiziert hat. Marie-Christine Schindler ordnet die Trends nach ihrer Bedeutung für die Unternehmenskommunikation ein.

Kampagne

  •  “Less social media. More Snapchat.
    Zur aktuellen Diskussion um die Zukunft von Social Media passt diese neue Kampagne. Darin positioniert sich Snapchat als Anti-Pol von Social Media und stellt das Private und die wirklichen Freunde in den Fokus. Ein spannender Ansatz, auch wenn sich Snapchat nicht von der Kritik an den Plattformen ausnehmen kann.

Digitale Kanäle

  • Newsletter: Welche Kriterien sind bei einer Migration relevant?
    Wer sich gerade darüber Gedanken macht, einen Newsletter aufzusetzen oder aber den bestehenden zu hinterfragen, der sollte sich diesen Leitfaden ansehen. Denn er liefert wichtige Punkte, die nicht nur bei der Migration zu berücksichtigen sind.
  • Webseiten: Anleitung zur Barrierefreiheit
    Im Jahre 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) in Kraft. Dann müssen alle Webseiten barrierefrei gestaltet sein, damit möglichst viele Menschen die Internetangebote nutzen können. Doch was bedeutet dies konkret? Und wie sollten Unternehmen vorgehen? Diese Anleitung liefert eine richtig gute Checkliste.
  • X: Warum die Hoffnung auf einen Twitter-Nachfolger vergeblich ist
    „Die meisten Menschen brauchen kein neues Twitter. Sie wollen nicht lesen, sondern sehen und hören.“ Spannende Schlussfolgerung aus der angeblichen Suche nach einem neuen Twitter samt Bewertung des bisherigen Kandidaten: Mastodon, Bluesky, Threads.
  • Instagram: So erstellst du erfolgreiche Reels
    Was ist ein Reel? Was zeichnet es aus? Und wie wird es möglichst einfach erstellt? Dieser Beitrag liefert eine perfekte Schritt-für-Schritt-Anleitung – speziell für Einsteiger.
  • LinkedIn Posts: So nutzt du die Formate
    Welche Posting-Formate gibt es bei LinkedIn? Und wie sollte ich sie am besten nutzen? In diesem Artikel finden sich gute und hilfreiche Tipps zur Länge, zu Inhalten, zum CTA etc.; schade ist nur, dass nicht angegeben wird, dass die Angaben alle aus dem Report von Richard van der Blom stammen.
  • Influencer: Disrupten KI-Models die Creator Economy?
    KI-Models überschwemmen gerade Instagram. Followerzahlen und Umsätze boomen. Die Branche wächst enorm und verändert das Influencer-Business. Und viele Menschen scheinen sich nicht daran zu stören. Mich schaudert es. OMR wirft einen Blick auf eine Branche.

Gedankenspiele: 3x Studien, 6x Instrumente, 1x Snapchat

GEDANKENSPIELE: 3x TRENDS, 4x SOCIAL MEDIA, 3x KI & MORE

Der Beginn jedes Jahres beginnt immer mit Vorsätzen: Mehr Partys, weniger Schlafen, lecker Essen, denn das Leben ist zu kurz. Oder: Mehr Entspannen, weniger Arbeiten, bewusster Leben, damit das Lebe­n lang bleibt.

Statt solcher Vorsätze habe ich lieber ein kleines Projekt gestartet: Mein Bahntagebuch2024. Denn Bahnfahren kann so schön sein; wenn es nicht immer diese Verspätungen und andere Nervereien gäbe. Aber ist es wirklich so? Also mache ich einen kleinen Selbstversuch.

Auch ansonsten habe ich wieder 10 Lesetipps und Trends rund um die aktuelle Kommunikationsbranche zusammengestellt. Enjoy it!

Trends.

  • 10 non-obvious trends you need to consider
    Eine Generation Z, die immer stärker über die Social-Media-Kanäle sucht, eine Generation Alpha, die ihre eigene Plattform braucht, Discord, das TikTok bei der GenZ den Rang abläuft und Communitys als die Zukunft des Marketings: 10 spannende Trends, die der US-Marketer Mark Schaefer beobachtet.
  • 9 Social Media Trends 2024
    Nischenplattformen, private Gruppen, Entertainment, Social meets SEO und KI-Content: Ein guter Überblick über Social Media Trends, der sich auch mit meinen Beobachtungen decken und in meinem nächsten Buch verarbeitet sind.
  • 4 Kommunikations-Trends 2024
    KI vs. Authentizität, Nachhaltigkeit, Dark Social und das große Social-Media-Aufräumen: Auch diesen Trends kann ich nur zustimmen, wenn ich mir die aktuellen Entwicklungen ansehe. Darum lohnt es, sich mit diesen 4 Trends etwas näher auseinanderzusetzen.

Social Media.

  • Twitter: Braucht es einen Nachfolger?
    Mastodon, Bluesky, Threads: Wer macht das Rennen als Nachfolger von Twitter? Oder ist es letztendlich X selbst? Dieser Vergleich der Herausforderer lässt den Sieger offen. Vielleicht benötigen wir auch gar keinen.
  • Soziale Netzwerke: Schnell, bunt, umstritten
    Auch bei Stiftungen gehören die sozialen Medien in den kommunikativen Werkzeugkasten. Doch die Arbeit wird immer schwieriger, erfordert sie entsprechende Ressourcen und schnelle Reaktionen auf die Veränderungen. Wie gehen die Organisationen damit um? Einige Beispiele.
  • Lohnt Facebook? 135 Medien im Vergleich
    Es wird immer wieder geschrieben, dass die Reichweiten bei Facebook eingebrochen sind. Lohnt sich für Publisher Facebook noch? Spannende Analyse des Traffics mit guten Schlussfolgerungen für die eigene Strategie.
  • YouTube: Fakten, Daten, Zahlen
    Viele Organisationen behandeln YouTube nur als Ablageort für ihre gedrehten Videos. Welche großen Chancen sie dadurch vergeben, verdeutlichen einige dieser eindrucksvollen Zahlen zur YouTube-Nutzung weltweit und in Deutschland.

KI & more.

  • Wie KI das Internet kaputt macht
    Eine Welle von Schrott- und Klau-Content rollt auf uns mit der KI-Welle zu, so die Computerwoche. Gerade auf Basis bestehender Texte und einfacher Prompts lassen sich in Sekundenschnelle Inhalte kopieren, minimal anpassen und verbreiten. Was ist künftig noch echt und was geklaut?
  • 8 KI-Newsletter, die ein Abo lohnen
    Welche neuen Trends gibt es in der KI-Branche? Wo finde ich Tutorials und die richtigen Tools? Wie kann ich mich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden halten? Zum Beispiel über einige der hier vorgestellten E-Mail-Newsletter.
  • Words that a text is written by AI
    Transformative, foster, tapestry, all about, think of x as …, it’s like … : All dies sind typische Begriffe, an denen erkenntlich ist, dass bei dem Text zumindest sehr stark mit KI gearbeitet wurde. Ob es solche Begriffsliste auch für die deutsche Sprache gibt?

Gedankenspiele: 2 Studien, 1 Redaktionsplan, 2 Guidelines + 1 KI-Tools-Starterpaket

Gedankenspiele: 2 Studien, 1 Redaktionsplan, 2 Guidelines + 1 KI-Tools-Starterpaket

Das Jahr 2023 wird uns als ein aufregendes und umwälzendes Jahr in Erinnerung bleiben – gerade kommunikativer Sicht. Allein das Thema KI und die Durchdringung unseres Lebens mit fast täglichen neuen KI-Tools sind nur ein Beispiel dafür. Vor diesem Hintergrund habe ich nochmals 10 Lesetipps in meinen Gedankenspielen verarbeitet – als kleinen Guide durch den Dschungel der digitalen und strategischen Kommunikation.


In eigener Sache

  • 9 Erkenntnisse aus der ARD/ZDF-Onlinestudie 2023
    Vor wenigen Tagen ist die neue ARD/ZDF-Onlinestudie erschienen. Sie zählt zu den wichtigsten Analysen zum Medienverhalten und ist Pflichtlektüre für Kommunikationsprofis und -strategen. In einem Beitrag habe ich 9 zentrale Erkenntnisse zusammengefasst und strategische Schlussfolgerungen gezogen: u. a. zur Altersverteilung, zur Nutzung der sozialen Netzwerke, zu den bevorzugten Medienformaten, zur KI-Neugierde.

3x Strategie

  • Social-Media-Redaktionsplan 2024: Kostenloser Download
    Ein Redaktionsplan zählt zu den Grundlagen, auf der jede Kommunikationsstrategie fußt. Schließlich werden dort die zentralen Inhalte, Kanäle, Details pro Tag definiert. Wie praktisch, dass t3n eine Vorlage als kostenlosen Download zur Verfügung stellt.
  • C-Level-Positionierung: 3 Schritte für den Anfang
    Das Thema Markenbotschafter, Social CEO, Personal Branding ist aktuell in aller Munde. Wie sollte die Positionierung auf C-Level-Ebene erfolgen? Dieser Beitrag schlägt 3 Schritte vor: Intern gemeinsames Verständnis sicherstellen, Vertrauen für die thematische Positionierung schaffen, Kanal in übergreifende Strategien einbetten.
  • Digital PR und SEO: Auf der Suche nach digitaler Sichtbarkeit
    Digital PR verbindet die klassische PR-Arbeit mit den Möglichkeiten der digitalen Welt. Doch wie verschmilzt man am besten PR und SEO? Und nutzt dazu Social als Multiplier? Dieser Beitrag schildert die Vorgehensweise. Auch klärt er darüber auf, warum in der digitalen PR gerade Studien, interaktive Grafiken, Spiele eine essenzielle Rolle spielen.

3x Interne Kommunikation

  • Studie: Die Ergebnisse der BVCM-Studie 2023
    Die Professionalisierung schreitet voran, Social Media ist etabliert, das Community Management gewinnt an Bedeutung. Dies sind Ergebnisse der 4. BVCM-Studie. Doch die Probleme bleiben: fehlende Mitarbeitende, Ressourcen und Verständnis, Nachholbedarf bei Strategie und Erfolgsmessung. Wie sieht die Zukunft also aus?
  • KI Guidelines: Ein Überblick
    Transparenz ist eine der großen Herausforderungen digitaler Kommunikation. Dies betrifft aktuell speziell den KI-Bereich. Doch wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden hier gut unterstützen? Zum Beispiel mit KI-Guidelines. Als praktische Orientierung gibt Doris Schuppe einen Überblick über aktuelle, bereits vorhandene KI-Guidelines.
  • Social Media Guideline: Ein Überblick für Deutschland
    Nicht nur beim Thema Corporate Influencer ploppen immer wieder Fragen rund um Verhaltensrichtlinien auf – Stichwort Guidelines. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf Social Media Guidelines. Wie praktisch, dass Christian Buggisch seinen Überblick an Guidelines aktualisiert hat.

3x KI-Tools

  • Generative KI: 20 Tools als Starter-Guide
    Die Zahl der KI-Tools steigt täglich. Und vielen fehlt der Durchblick: Welche sollte ich zum Einstieg nutzen? Welche bringen mir wirklich etwas? Und was kosten sie? Jens Polomski hat einen hilfreichen Starter-Guide publiziert, in dem er je 5 KI-Tools vorstellt: für Texte, Bilder, Videos, Voices.
  • KI-Tools: Welche helfen NPOs bei der täglichen Arbeit?
    Wie können NPOs KI für ihre Arbeit nutzen? Sehr vielfältig, wie dieser Beitrag die Chancen beschreibt. Dabei wird anhand von Beispielen deutlich gemacht, welche KI Tools gerade Stiftungen, Behörden und sonstige NPOs zur Verfügung stehen.
  • Chatbot-Vergleich: Pi vs. ChatGPT
    Sind sie die größte Revolution in der Computertechnik, die in vielen Bereichen nützlich sein wird? Oder rollt auf uns eine soziale Schockwelle zu, die unsere Gesellschaft gravierend verändert? OMR hat sich mit Pi & Co. neue Chatbots angesehen, in die derzeit kräftig investiert wird – auch unter der Frage: „Können Chatbots sozial sein?“

1x Lesetipp

  • Zukunft Social Media: Bloggespräch mit Sascha Theobald
    „Welche Möglichkeiten man nutzt, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, sollte jeder nach seiner Vorliebe auswählen. Social Media kann dazugehören, muss es aber nicht. Es gibt gute Alternativen.“ Nachdenkliches Gespräch von Annette Schwindt mit Sascha Theobald über dessen Auszug aus Social Media und die Alternativen wie Corporate Webseiten, Blogs und Fediverse.

Gesucht: 50 Shades of GREY.

Gesucht: 50 Shades of GREY.

„Die Wahrheit ist oft nicht schematisch und nicht einfach nur gut oder schlecht. Sondern sie ist sehr grau und kompliziert und widersprüchlich!“. So die Journalistin Khuê Phạm im Zeit-Podcast Verbrechen vom 22. August 2023. Anlass des Gespräches war ihr Porträt von Kevin Spacey – im Zusammenhang mit den Vorwürfen sexueller Übergriffe, von denen er schließlich freigesprochen wurde. Daraufhin war die Zeit-Reporterin für ihren Text von Leserinnen und Lesern persönlich massiv angegriffen worden.

Die interessante Diskussion in einem meiner Lieblings-Podcasts hat mich nachdenklich gemacht, sehr nachdenklich. Und mich an meinen zwei Jahre zurückliegenden Beitrag erinnert, den ich damals hier im Blog publiziert hatte. Der Titel: „Unsere Sprache braucht mehr grau.“

Hat diese Aufforderung an Relevanz verloren? Ich glaube nicht – ganz im Gegenteil. Zeit also für einen Relaunch des alten Beitrages. Das Ergebnis: Ein Gedankenspiel über die Sprache als Element der Entfernung und der Näherung.

Der damalige Anlass war die Diskussion um die verunglückte Kampagne #allesdichtmachen. Dazu schrieb ich:

Unsere Diskussionskultur ist kaputt. Völlig kaputt. Wir kennen nämlich nur noch schwarz oder weiß, gut oder böse, dafür oder dagegen. Grautöne? Fehlanzeige. Dabei machen diese doch unser Zusammenleben aus, oder?!“

Für uns oder gegen uns?

Damals war es ein kleines Plädoyer für die wunderbare Farbe Grau. Heute, zwei Jahre später, habe ich das Gefühl, dass wir dieses Grau in all seinen Facetten noch viel dringender benötigen. So heißt es auch im Zeit-Podcast: Die Angriffe auf die Zeit-Reporterin hätten mal wieder deutlich gemacht, wie unsere Debatten derzeit verlaufen: „sehr hitzig, sehr schnell, sehr impulsiv, auch schematisch – das ist gut, das ist schlecht.“ Wahre Worte.

Die Menschen hierzulande denken offenbar und immer stärker ausschließlich in Kategorien: Gut – schlecht, nett – böse, schwarz – weiß, Lover – Hater, Unterstützer – Gegnerin. Einfach gesagt: Bist du nicht für uns, dann bist du gegen uns. Stimmst du mir nicht zu, gehörst du zu den anderen. Bist du nicht meiner Meinung, liegst du falsch. Ist das unsere sogenannte und immer wieder beschworene lösungsorientierte Kommunikation? Nicht wirklich.

Diese Fragen betreffen alle Bereiche der Gesellschaft. Wer in die Politik blickt, findet die glühenden Habeck-Verfechter auf der einen Seite, und auf der anderen Menschen, die diese Regierung sofort vom Hof jagen würden. Wenn du nicht sofort aufs Fliegen verzichtest, bist du schuld am Klimawandel. Wenn du nicht Geflüchtete »Welcome Refugees« heißt, bist du ein AfDler. Und wenn du die Klimakleber kritisierst, bist du in der alten Welt verhaftet und sicherlich ein Boomer. Diese Liste ließ sich endlos weiterführen – auf beiden Seiten der Farbe. Sie verdeutlichen alle, dass es um die hiesige Diskussionskultur nicht wirklich gut bestellt ist.

Radikalisierung stärkt äußere Ränder

Wir bestimmen, was richtig oder was falsch ist, sammeln um uns herum die zustimmenden Personen und verbannen alle auch nur etwas Andersdenkenden auf die andere Seite. Bringt uns das weiter? Nicht wirklich. Schon vor zwei Jahren schrieb ich:

„Die Beispiele verdeutlichen, wie stark Sprache und Wörter die Gesellschaft spalten können. Und zwar massiv. Davon profitiert niemand. Ganz im Gegenteil. Wir entfernen uns immer stärker voneinander. Freunde werden zu Gegner, Nachbarn beäugen sich misstrauisch, Freunde werden sprachlos.“

Heute bin ich fester denn je davon überzeugt, dass genau diese radikale Denke zu einer Stärkung der äußeren Ränder führt(e). Bitte nicht falsch verstehen: Dies heißt nicht, dass wir alle unsere Ideale, unsere Überzeugungen über Bord werfen sollten. Jeder und jede muss eigene und sehr klare Grenzen ziehen.

Aber bringt uns solch eine Schwarz-Weiß-Haltung in einer immer komplizierter werdenden Gesellschaft wirklich weiter? Wo werden diese Menschen denn dann aufgefangen? Kommen sie überhaupt wieder zurück? Und rückblickend gefragt: Hat Ausgrenzung jemals geholfen? Nein. Das kann jeder und jede täglich an der Stärkung der äußeren Ränder beobachten, in die sich die zwischen Tiefschwarz und Blütenweiß Verlorenen und Verstoßenen flüchten und von menschlichen Rattenfängern gebündelt werden. Was ist mit den berühmten Zwischentönen, den Grautöne, die für unsere Kommunikation so wichtig sind?

Lernen von Kindern

Dieses Verhalten – „wenn du uns nicht 100%ig folgst, gehörst du nicht zu uns“ – hat etwas zutiefst Kindliches für mich. In Gruppen von Kindern ist es nämlich weit verbreitet. Also dieses Gefühl, plötzlich aus einer Gruppe, von den besten Freundinnen ausgeschlossen zu sein. „Du darfst jetzt nicht mehr mitspielen“, hieß es noch in der früheren Kindheit. Bei den etwas Älteren klingt das dann so wie: „Du bist jetzt aus unserer WhatsApp-Gruppe raus.“ Ein Drama für viele junge Menschen, die auf der FOMO-Welle schwimmen.

Das war übrigens schon immer so. Auch in meiner Kindheit (wenn auch ohne WhatsApp). Nur das Besondere dabei: Die meisten haben sich bald schon wieder vertragen. Ja, die meisten. Und wir Erwachsene? Wir grenzen andere aus, weil wir deren Meinung nicht akzeptieren.

„In westlichen Gesellschaften macht sich ein gefährlicher Trend bemerkbar“, hieß es im Handelsblatt Newsletter. Meinungsfreiheit sei „nur bei denen gut zu finden, die derselben Meinung sind“.

Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich dieser Trend weiter radikalisiert – und in Deutschland gerne verbunden mit dem erhobenen Zeigefinger. Die heftigen Diskussionen um Corona-Impfungen, um die Aufnahme von Geflüchteten, um die Unterstützung von Kriegen, um die Aktionen der letzten Generation, um Verbot- und Erlaubnis-Kulturen – all dies hat zu dieser Radikalisierung beider Seiten beigetragen.

Die gespaltene Gesellschaft

Dabei sind wir noch nicht am negativen Höhepunkt angekommen: Wenn ich mir gerade die steigenden internationalen Flüchtlingszahlen ansehe, die ergebnislosen Diskussionen über den Umgang mit Zuwanderer, den nicht gerade überraschenden und selbst verursachten Aufstieg der AfD, die Verunsicherung vieler Menschen, die klare Handlungen fordern: All dies sind zentrale Herausforderungen an unsere Gesellschaft, die dringend zu lösen sind. Stattdessen vertiefen sich die Gräben weiter, dringen die Themen immer stärker in die Gesellschaft und die Köpfe der Menschen ein.

„Es ist ein Pulverfass, auf dem wir sitzen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister, der CDU-Politik Kai Wegner kürzlich zum Ausmaß der Geflüchteten in Berlin.

Wie wird denn dann unsere Sprache klingen? Wird da nicht jedes bisherige Weiß zu blütenweiß? Jedes Schwarz noch tiefschwarzer?

Wann stehen die Grauen auf?

Leider sehe ich in den nächsten Jahren viel Gefahrenpotenzial: Potenzial für eine komplette Spaltung unserer Gesellschaft, für eine weitere Entfremdung der Menschen, aber auch für eine Sprachlosigkeit der Ausgleichenden, die sich wie ein stummer Ball zwischen zwei lauten Seiten hin- und hergeworfen fühlen und gar nicht mehr wissen, wie es weiter geht. Weil sie auch in ihrer großen Mehrheit die Klappe halten. Leider.

Genau diese Ausgleichenden sind die Grauen. Diesen geht es wie der Farbe selbst: Dauerhaft befinden sie sich in einem fortwährenden Spannungsverhältnis zwischen Schwarz und Weiß. Dabei ist die Farbe so reich an Hunderten von Nuancen – vom Dunkel- bis zum Hellgrau, also vom Grau, das dem Schwarz näher steht, ohne das Weiß ganz außer Acht zu lassen – und umgekehrt.

Die Farbe Grau kann so schön sein!

Sollen wir nicht dringend die „More than 50 shades of Grey“, also die verschiedenen Ausprägungen der grauen Sprache, nutzen, um zwischen beiden Seiten zu moderieren und auf alle einzuwirken? Und sie somit vielleicht nicht zusammenführen, aber zumindest nicht noch weiter auseinanderbrechen lassen?

„Genau diese Farbe müssen wir wieder dringend in uns entdecken“, schrieb ich in meinem früheren Blog-Beitrag. Und dies ist nötiger und dringender als je zuvor. Einfach gesagt: „Wir müssen wieder verstärkt die Töne in der Sprache zulassen, die nicht zu unserem Schwarz oder Weiß gehören – ohne aber unseren eigenen Wertekanon zu verlassen.“

Grau kann eine solch tolle Farbe sein – in allen Gesprächen: So eine zentrale Verbindung zwischen schwarz und weiß. So ausgleichend zwischen zwei Polen. So reich an starken Nuancen in alle Richtungen: Kühl und warm, dunkel und hell, zurückhaltend und exzentrisch, mit Hunderten von Abstufungen. Vor allem kommen all diese miteinander gut aus. Ist die Farbe Grau nicht ein Vorbild? Ansonsten bewegen wir uns nur noch in unserer kleinen Blase, – die ich in einem anderen Gedankenspiel hier beschrieben habe –, mit den anderen Blasen als Gegenbild und einer Gesellschaft in feindlichen Lagern.

Wollen wir wirklich so leben? Ich nicht.

Bitte redet die Twitter-Zeit nicht so rosig!

Bitte redet die Twitter-Zeit nicht so rosig!

Die Umbenennung von Twitter in X ist sicherlich kein Glanzstück. Ganz im Gegenteil. Der ganze Prozess ist bislang ein zweifelhaftes Schauspiel, das gerade strategisch mehr Scherben als Klarheiten hinterlässt. Auf der anderen Seite wird Twitter rückblickend viel zu heroenhaft beschrieben. Und das sage ich als jahrelanger Twitter-Fan- und -Trainer. Ein Gedankenspiel über das Gestern und das eventuelle Morgen.

Auch wenn in den letzten Tagen vieles über Twitter und X geschrieben wurde: Einiges wird bei dem großen Ärger über und der Häme gegenüber Musk »großzügig« übersehen oder vergessen. 3 Gedanken dazu.

1. Twitter lag schon vor Musk am Boden

„Kaum liegt Twitter am Boden, ändert Elon Musk das Logo“, heißt es beim GameStar.

Moment. Twitter lag schon seit vielen Jahren am Boden. Gerade finanziell. Werbeformate floppten, die Plattform machte Verluste und verbrannte täglich 4 Mio. US-Dollar. Sie lebte nur vom Kapital seiner Geldgeber. Warum? Weil die Gründer auch nach zig Jahren kein Geschäfts- und Werbemodell gefunden hatten – im Unterschied zu Meta & Co. Dass sich daran etwas ändern musste, war klar. Sonst wäre Twitter eh am Ende gewesen.

Kein Werbemodell
Dazu haben übrigens wir Kommunikations- und Marketingleute, wir Medienleute und PR-Fachleute, wir Unternehmens-Unterstützerinnen und Organisations-Positionierer unseren Beitrag geleistet. Denn wie viele Ads haben wir auf Twitter geschaltet? Gerade im Vergleich zu Instagram, Facebook, LinkedIn & Co.? In der ach so schönen Zeit vor Musk? Anders gefragt: Wie viele interessante Ads haben mich in der Vergangenheit zum Gucken, Klicken oder Kaufen gebracht? Wenige, sehr wenige.

Bei Trends versagt
Doch nicht nur beim Aufbau eines Werbe- und Innovationsprogramms hat Twitters Produktteam versagt. Auch bei der Übernahme von StartUps. Ein Beispiel: Im Jahre 2012 übernahm Twitter Vine – die damals führende Kurzvideo-App. Was für eine Chance, gerade wenn wir uns das enorme Werbepotenzial heute bei Instagram, TikTok und YouTube betrachtet! Twitter hatte mit der 6-Sekunden-App den Jackpot gekauft und beste Voraussetzungen, der künftige Leader zu sein. Doch was machte Twitter stattdessen? Es stellte Vine 2017 ein.

„Was die Leute dort anfassten, zerfiel in ihren Händen zu grauem, nervigem Staub, Twitter hat kein einziges der vielen neu dazu gekauften Start-ups irgendwie sinnvoll integriert“, schreibt Sascha Lobo in seiner Spiegel-Kolumne.

Stimmt. Leider. Schade.

Kompakt formuliert: Twitter lag vor Musk schon am Boden. Doch niemand wollte dies sehen.

2. Twitter spielt nur eine kleine Rolle in einem Großen.

„Was für Steve Jobs das i, soll für Elon Musk das X werden“, blickt Sascha Lobo auf den X-Wechsel.

Stimmt. War die Twitter-Umbenennung also eine Überraschung? Nein. Der Schritt konnte niemanden überraschen. Dass Musk Twitter radikal umbauen musste und würde, war klar. (siehe Punkt 1). Hinzu kommt Musks Faszination für den Buchstaben X (SpaceX, X.ai, X als Vorname etc.). Schon 1999 hatte er die Online-Bank X.com gegründet, die später in PayPal aufging. Seit 2017 ist die Webseite X.com die Basis seiner StartUps.

Auf den Spuren von Steve Jobs
Musks X-Traum war allen bekannt: WeChat made in the USA. Also eine mächtige, alles integrierende Multifunktions-App – Kommunikation, Shopping, Banking, Payment, Gaming samt App-Store – einfach eine App für alles. Davon hatte Musk immer gesprochen. Dass er Twitter in X integrieren würde, war damit klar. Schließlich zählte es bereits seit Frühjahr 2023 zur X-Corporation.

Elon Musk hatte sich damit klar auf die Fährte von Steve Jobs begeben: Um einen einzigen ikonischen Buchstaben als Gesicht einer Marke herum eine eigene Marken- und Unternehmenswelt aufzubauen. Nur dass das „i“ bei Steve Jobs heute bei Elon Musk „X“ heißt.

Kompakt formuliert: Für Musk spielt Twitter eine kleine Rolle – innerhalb der viel größeren X-Idee. Doch kann es sich durchaus als Basis eignen, weitere funktionierende Services zu integrieren.

3. Musk hat eine Chance vertan. Aus heutiger Sicht.

„Elon Musk ist ein Meister des Ankündigens und des Erhaschens von Aufmerksamkeit“, schreibt der Markenexperte Karsten Kilian bei basicthinking.

Richtig. Nur hat er in der Vergangenheit seine Ankündigungen fast immer erfüllt. Welche Strategie verfolgt Musk aber bei Twitter? Hat er einen Plan für den nächsten Schritt? Eigentlich habe ich ihn in der Vergangenheit über Bücher und Beiträge so kennengelernt.

Doch gerade der Zeitpunkt lässt mich zweifeln: Warum hat er diesen Wechsel jetzt vollzogen, ohne seine X-Strategie damit zu verbinden und einen großen Plan auszurollen? Dann hätte doch jeder neugierig gewagt: „Guck mal, was Musk aus Twitter macht. Etwas viel Größeres. Spannend!“ Warum hat er dieses Momentum, diese mediale Chance verstreichen lassen?

Radikaler Wandel ohne großen Plan?
Und warum hat er radikal eine solch etablierte Marke wie Twitter aufgegeben und einen Teil des Markenwertes damit zerstört? „Das ist, wie wenn man Coca-Cola kauft und die ikonische Flasche austauscht, ohne das Produkt zu verändern“, so ein US-Finanzprofessor in einem Tagesschau-Beitrag. Oder will uns Musk – wieder einmal – überraschen?

Dass Musk diesen radikalen Wandel vollzieht – dies kann nicht wirklich überraschen. Dass er diesen Wechsel aber mit so vielen Fragezeichen garniert, das hätte ich mir niemals vorstellen können. Musk aber dafür als „Elefant im Porzellanladen“, als „Zerstörer“ zu bezeichnen, wie in vielen Medien zu lesen, dies beweist wenig Verständnis für das große Ganze.

Kompakt formuliert: Aus strategischer Sicht war es durchaus sinnvoll, Twitter umzubenennen. Aber nur dann, wenn möglichst bald der große Schritt erfolgt. Falls es diesen gibt.