Doppelmoral: Von Elon-Jüngern und Musk-Moralisten

Doppelmoral: Von Elon-Jüngern und Musk-Moralisten

In den letzten Wochen gab es eine Konstante in der Öffentlichkeit: die Kritik an Elon Musk nach der Übernahme von Twitter. Wie rücksichtslos er mit Mitarbeitenden umgeht. Was für ein Gebaren er pflegt. Was für Ideen er hat, negiert, verwirft. Und was für eine Unsicherheit er Twitter beschert. Alles richtig. Doch in diesen Diskussionen steckt eine Doppelmoral. Nicht, dass ich Musk verteidigen will. Aber vielen Menschen möchte ich gerne zurufen: „Das ist doch alles schon lange bekannt, damned!“ Ein Gedankenspiel als Anstoß für ein besseres Jahr 2023.

Vor genau einem Jahr wählte das Time-Magazin Elon Musk zur „Person of the Year.“ Ein Jahr später zählt er zu den meistgehassten Personen des Internets. Oder zumindest der Social-Media-Blasen – speziell bei uns. Denn Massen-Entlassungen, Team-Rausschmisse, Zorn-Ausbrüche, Zickzack-Kurse, Dauer-Widersprüche pflastern seinen Weg, seitdem er mehr oder weniger erzwungen Twitter übernommen hat. Ja, genau diese Plattform, die in Deutschland mit 4 Prozent Daily Usern ein Stiefmütterchen-Dasein fristet und in deren Blase sich vor allem Medien, Kommunikationsleute, News-Junkies und etwas Politik und Wissenschaft tummeln. Wie kam es zu diesem Absturz?

Wirklich neu? Nein.

Bei all den – berechtigten – Vorwürfen der letzten Wochen hatte ich oft das Gefühl, all dies schon mal gehört bzw. gelesen zu haben. Und richtig:

„Er ist weniger ein CEO auf der Jagd nach Reichtum als ein General, der seine Truppen zum Sieg kommandiert.“

Buch von Ashlee Vance über Elon Musk
Buch von Ashlee Vance über Elon Musk aus dem Jahre 2015

Dieses Zitat stammt nicht von heute. Sondern aus der Biografie „Elon Musk“ des südafrikanischen Journalisten Ashlee Vance. Aus dem Mai des Jahres 2015 und damit mehr als 7 Jahre alt. Also habe ich mir das Werk zwischen den Jahren nochmals vorgenommen. Übrigens kein Geheimtipp: Ein Spiegel-Bestseller.

General Musk und seine Truppen

Drehen wir dazu die Zeit etwas zurück:

„Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten ist Musk als Unternehmer tätig und in dieser Zeit hat er eine Spur von Menschen hinter sich gelassen, die ihn entweder bewundern oder verachten.“

Vance beschreibt Musk als Visionär, der unserer Zeit oft voraus war und ist. Zurecht. Wer sich die Liste der Zukunftsprojekte durchliest, an denen er beteiligt ist, trifft ganz aktuell auf die Non-Profit-Initiative OpenAI. Damit hat Elon Musk zusammen mit Microsoft genau diesen Chatbot finanziert, mit dem wir gerade alle spielen und Texte – aber nicht diesen hier! – schreiben lassen.

Dies ist nur eines seiner Zukunftsprojekte. Wie sagte seine Ex-Frau Justine über ihn doch so kennzeichnend:

„Er tut, was er will, und dabei ist er gnadenlos. Es ist Elons Welt und der Rest von uns lebt auch darin.“

Ihr Zitat macht deutlich: Elon Musk ist ein Egoist, ein Besessener, ein Machtmensch, ein rücksichtsloser Wirtschaftsboss, aber auch ein Vordenker, ein Macher, ein Hard Worker, ein Mann ohne Kompromisse, ein leidenschaftlicher Verrückter, ja, ein von sich selbst Gehetzter. Ein Feldherr, der in seinen Mitarbeitenden übrigens seine hauseigenen Truppen sieht, zumindest für die Zeit, für die er sie benötigt.

Fast alles schon bekannt

Nein, ich bin kein Freund von Elon. Aber – und dies sollten wir uns bewusst sein – all dies wissen wir schon seit bald 10 Jahren. Zumindest jene, die Buch oder eine der zahlreichen Kritiken gelesen haben. Nehmen wir uns einige Kritikpunkte vor:

  • Musk fehlt jegliche Empathie. Ob der Mangel an Loyalität und menschlicher Bindung auf sein angebliches Asperger-Syndrom zurückzuführen ist, ist offen.
    „Er weiß nur, was zum Teufel er erledigt haben möchte. Wer sich an diesen Kommunikationsstil nicht gewöhnen konnte, dem erging es nicht gut.“
  • Musk agiert rücksichtslos bezogen auf Mitarbeitende. Er feuert hochrangige Führungskräfte – selbst lang gediente – Vertrauenspersonen, wenn sie nicht mehr seinen Vorstellungen entsprechen oder deren Leistungen er unterdurchschnittlich findet.
    „Ich würde sagen, dass die Leute sehr viel Zeit für ihre Familien haben werden, wenn wir pleite sind.“ (Elon Musk)

  • Musk kontaktiert Mitarbeitende auch gerne am Wochenende und erwartet dann von ihnen, dass sie sofort in der Firma erschienen – selbst wenn sie beispielsweise gerade bei der Geburt ihres Kindes dabei sein wollen.
    „Sie müssen klären, wo Ihre Prioritäten liegen. Wir verändern die Welt und die Geschichte und entweder sind Sie dabei oder nicht.“ (Elon Musk)
  • Musk forderte von seinen Mitarbeitenden immer Höchstleistungen. Nur die besten und über ihre Grenzen hinausgehenden können einen Arbeitsplatz haben.

  • Musk drohte ebenfalls bereits an, Tesla und SpaceX aus finanziellen Gründen zu schließen, wenn nicht bestimmte Erfolge erreicht werden. Tesla sollte – so die Idee damals – an Google verkauft werden.
    (Btw: Auch Twitter sollte in den Krisenzeiten der Vergangenheit mal an Google gehen.)
  • Musk „wechselt seine PR-Mitarbeiter notorisch schnell aus“ bzw. verbrauchte „mit fast schon komischer Effizienz“ PR-Personal. Auch bei Tesla strich der Kontrollfreak ab und an die Pressestelle und verfasste selbst „kämpferische Texte“, um kritische Behauptungen zu widerlegen.
  • Musk hatte schon immer Zweifel am Börsengang seiner Unternehmen, da er auf diese Weise die vollständige Kontrolle verlieren könnte.

Ein Zeichen von Doppelmoral

Nicht, dass ich diese Wesenszüge positiv finde. So wünsche ich mir keinen CEO. Nur: Die Mitarbeitenden hatten schon damals „keinerlei Illusionen über Musks Persönlichkeit, aber höchsten Respekt für seine Vision und Dynamik bei ihrer Umsetzung“. Auch das steht in der erwähnten Biografie.

Warum ich das hier hervorkrame: All diese Aussagen sind damit 7 Jahre alt. Wenn ich mich parallel dazu an meine Twitter- und LinkedIn-Timelines vor 12 bis 24 Monaten erinnere, dann frage ich mich heute:

  • Was ist mit den Personen, die Musk als neuen Revolutionär, als Gott der Mobilität, als Vordenker, als Messias der Elektromobilität in den Himmel gehoben haben?
  • Was ist mit den Personen gerade aus Politik, Wirtschaft und Medien, die sich mit ihm als „Rockstar“ unbedingt in der Öffentlichkeit zeigen wollten?
  • Was ist mit den Personen, die seine revolutionäre Denke lobten und kürzlich erst jubelten, als Musk in Brandenburg ein Tesla-Werk eröffnete?
  • Was ist mit den Personen, die vor wenigen Jahren stolz auf Twitter verkündet hatten, dass sie die ersten seien, die einen Tesla Model S bestellt hätten?
  • Was ist mit den Personen, die insbesondere in den Jahren 2020 und 2021 die Tesla-Aktie als Lieblingspapier auserkoren, wie sich dem Ranking der beliebtesten Aktien 2021 entnehmen lässt, bevor die Aktie 2022 abstürzte?

Warum also jetzt?

Wo sind die alle denn geblieben? Sind sie mit ihren Meinungen untergetaucht, weil diese derzeit nicht mehr en vogue sind? Oder haben sie alle umgedacht und loben sich jetzt dafür, Twitter gegen Musk zu verlassen? Nur – und das frage ich mich aktuell: Woher kommt dieser plötzliche Umschwung? Wollten wir damals alle einfach nur die Augen verschließen? Weil wir fasziniert waren von Fortschritt, Innovation, ja Revolution und weil wir deshalb über vieles hinweggesehen haben? Müssten wir uns dann nicht selbst viel tiefer hinterfragen?

„Twitter und Tesla, das sind doch zwei unterschiedliche Dinge.“

Das lese ich häufig. Moment. Ja. Aber immer noch derselbe Kopf, Elon Musk. Nur mit dem Unterschied, dass er Tesla – mehr oder weniger – mitgegründet und Twitter gekauft hat.

Elon Musk = »Hassfigur der Spießer«

Wie gesagt: Sein aktuelles Twitter-Gebaren ist eine 1-zu-1-Kopie seiner früheren Projekte, sein Verhalten nicht nur durch das Buch bekannt. Und dieses lag keineswegs nur in Pusemuckel auf dem Gabentisch neben der Toilette; es stand immerhin als Spiegel-Besteller auf der Shortlist zum Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2015 und wurde extrem häufig verschenkt, rezensiert, beschrieben, verlinkt – im Netz und in den Social-Media-Blasen.

»Hassfigur für deutsche Spießer« betitelte Mirna Funk ihr Porträt über Elon Musk für die Welt. Weil er für alles stehe, was Deutschland nicht begriffen hätte. Etwas platt für mich. Ich hoffe, dass die Autorin damit nicht recht hat. Stattdessen sollte sich besser jeder und jede eingehend ein Bild von dieser Person machen, bevor es in den Love- oder Hate-Kalender gepackt wird. Dazu liefert das Buch einiges an Antworten –für die Elon-Jünger, für die Musk-Moralistinnen und für die Menschen dazwischen.

Wir benötigen mehr Grau. Punkt.

Sascha Lobo schreibt auf Mastodon: „Ich hoffe, dass ich mich irre. Aber ich glaube nicht, dass Mastodon Twitters Platz einnimmt.“ Ich auch nicht, wie ich in meinen 15 Thesen für das Jahr 2023 ausgeführt habe. Aber wird Twitter überleben? Wahrscheinlich. Aber in einer anderen Form, als wir es aktuell kennen. Nur wie es später konkret ausschaut, das wissen wir alle noch nicht:

  • ob mit 280 oder 4.000 Zeichen,
  • mit oder ohne blauen Haken,
  • mit oder ohne Pressestelle,
  • mit oder ohne politische Werbung, Shadow-Banning oder Community Notes,
  • mit oder ohne Links zu anderen Social-Media-Plattformen,
  • mit Elon oder einem anderen CEO an der Twitter-Spitze.

Darum meine finale Empfehlung: „Keep calm and don’t overact.“ Denn fliehen können wir immer noch.

Vor längerer Zeit habe ich ein längeres Plädoyer für „mehr Grau in der Sprache“ gehalten. Auch das hier ist ein Beispiel, warum wir es so dringend benötigen. Also etwas Herunterkommen von den radikalen Positionen; etwas mehr Offenheit und Dialog wagen; etwas weniger schwarz, weniger weiß, sondern mehr grau – auch als Beitrag für ein friedvolleres neues Jahr, nicht nur in den sozialen Medien.

NEU IM BUCHREGAL: „DIE DIGITALE KOMMUNIKATIONSSTRATEGIE“ RELOADED.

NEU IM BUCHREGAL: „DIE DIGITALE KOMMUNIKATIONSSTRATEGIE“ RELOADED.

Vor wenigen Tagen ist mein Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“ in 2. Auflage erschienen. Als Praxis-Leitfaden soll es Unternehmen, Institutionen und Agenturen helfen, den eigenen Weg in die digitale Kommunikationswelt zu finden. Sie sollen damit eine ganzheitliche Strategie entwickeln können und diese mit ihren bisherigen Aktivitäten vernetzen. Denn die Herausforderungen, vor der Kommunikationsleute derzeit stehen, sind enorm. Schließlich gibt es kaum eine Branche, deren Wirken von den digitalen Medien so stark erfasst wurde, wie die Unternehmenskommunikation.

Digitalisierung, Globalisierung, Generationskonflikt bei der Mediennutzung, gestärkte Social Media Macht und beginnendes Messenger Zeitalter, neue Influencer und Markenbotschafter – und dies vor dem Hintergrund der aktuellen Krise: Unsere digitalen Zeiten liefern Kommunikationsmanagern enorme Aufgaben in der Ansprache und im Austausch mit relevanten Stakeholdern. Und dies gilt intern wie extern.

Dabei haben sich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kommunikation keineswegs grundlegend verändert. Nur müssen viele bisherige Verhaltensregeln und Kommunikationsformate hinterfragt und neu aufgesetzt werden. Außerdem muss vielfach die bisherige Funktion eines Kommunikationsmanagements innerhalb der Organisation hinterfragt werden, woraus sich viele Fragen für eine Kommunikation im digitalen Zeitalter ergeben:

  • Die Gegenüberstellung von »klassischer«, herkömmlicher Kommunikation und »moderner«, digitaler Kommunikation als Gegensätze bringt niemanden weiter. Vielmehr müssen wir die Kommunikation den veränderten Chancen und Risiken in digitalen Zeiten anpassen und beide Seiten zu eng umschlungenen Partnern machen. Doch wie geht dies konkret?
  • Die Richtung der Kommunikation hat sich stark verändert: Gab es früher vor allem die klassische One-to-Many-Richtung der Massenmedien und PR- und Werbewirkung, ist heute jeder Nutzer, jedes Unternehmen, jede Institution gleichzeitig Produzent und Konsument, Senderin und Empfängerin. Damit muss ich als Organisation umgehen. Doch in welcher Form kann ich solche „Prosumer“ intern wie extern für mich nutzen?
  • Neue Kommunikationskulturen und Technologien sind kein Garant dafür, dass die Beziehungen mit Stakeholdern künftig konstruktiver werden. Wie lassen sich auch die weiterhin starken traditionellen Kommunikationswege berücksichtigen. Und gleichzeitig die neuen Dialoginstrumente in Kombination mit den verfügbaren Daten – Stichwort Big Data – nutzen, um eine immer disruptivere Öffentlichkeit anzusprechen?
  • Veränderungen in digitalen Zeiten sind keine reine Aufgabe für die Kommunikations- oder gar IT-Abteilung. Vielmehr führen solche Change-Prozesse tief in die Organisation hinein. Was muss dort im Innenleben geschehen – Stichwort Digital Readiness –, damit Führung und Team die wirklichen Veränderungen anerkennen, mittragen und aktiv mitgestalten?
  • Strategien spielen in der Kommunikationsbranche schon immer eine zentrale Rolle. Sie sind die Basis für jede geplante Kommunikation. Müssen diese im digitalen Zeitalter komplett neu gedreht werden? Und alle Modelle angepasst werden? Oder was verändert sich wirklich?

EIN BUCH ALS PRAXIS-WEGWEISER.

Auch in seiner 2. Auflage gehe ich in diesem Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“ auf die Suche nach passenden Antworten. Schritt für Schritt zeige ich in diesem Praxisleitfaden auf, wie eine ganzheitliche Strategie zu entwickeln und mit bisherigen Aktivitäten zu verknüpfen ist. Dabei ist das Buch zweigeteilt, wie bereits das Inhaltsverzeichnis aufzeigt, das sich hier herunterladen lässt.

Während der erste Teil auf die grundlegenden Veränderungen – die Emanzipation der Nutzer, die veränderte digitale Gesellschaft, die Herausforderungen für eine Kommunikation im digitalen Zeitalter sowie die notwendigen Change-Prozesse auf Führungsebene, im Inneren der Organisation und in der Kommunikation eingeht, liefert der zweite Teil des Buches ein Rezept für die schrittweise Entwicklung einer digitalen Kommunikationsstrategie: Von der Ist-Analyse, über den strategischen Part bis zur Content-Strategie und Evaluation. Dabei geht es weniger um Social Media, um digitale Medien oder ausgewählte Plattformen: Vielmehr steht die Frage im Zentrum, wie sich klassische und digitale Kommunikation mittels neuer Denkweisen, erweiterter Instrumente und integrierter Ansätze vernetzen lassen.

Dominik Ruisinger: Die digitale Kommunikationsstrategie. Ein Praxis-Leitfaden für Unternehmen, Institutionen und Agenturen. Weitere Infos zum Buch finden sich auch hier.

Anhand zahlreicher Case Studies aus unterschiedlichen Branchen werden Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren definiert, existierende Widerstände und Hindernisse benannt, konkrete Handlungsempfehlungen und Umsetzungs-Tipps geliefert. In 12 Gastbeiträgen berichten Expertinnen und Experten aus Großunternehmen, aus dem Mittelstand und der Wissenschaft über ihre eigenen Erfahrungen und beleuchten wichtige Einzelaspekte wie Digital Leadership, Content-Strategien, integrierte Kommunikation, Social Collaboration oder strategische Influencer-Kommunikation.

Die Gastautorinnen und -autoren und ihre Beiträge für mein Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie„.

GRUNDPFEILER EINER STRATEGIE BLEIBEN BESTEHEN.

Zurück zur zentralen Frage: Wie sollten Unternehmen und Institutionen nun ihre digitale Kommunikationsstrategie entwickeln? Die – etwas beruhigende – Aussage: Es geht nicht darum, die Grundpfeiler bisheriger Kommunikation völlig einzureißen. Bestehendes muss vielmehr dem digitalen Wandel angepasst werden, aber auch neues hinzugeführt werden, um dem bisher Alten ein modernes Gewand anzuziehen. Und genau zu diesem Gewand-Wechsel in digitalen Zeiten will dieser Wegweiser einen kleinen Beitrag leisten. Ob dies gelingt? Ich hoffe es.

Viel Spaß jetzt mit meinem frisch überarbeiteten Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“! Und bei Rückfragen? Oder bei Interesse an einem Rezensionsexemplar Bitte einfach melden!

Digitales Wissen (15): Erfolgsfaktoren einer Social Business Strategie

Digitales Wissen (15): Erfolgsfaktoren einer Social Business Strategie

Zum Abschluss meiner kleinen 15-teiligen Serie zum „Digitalen Wissen“ möchte ich auf ein Buch eingehen, das die beiden Altimeter-Kollegen Charlene Li und Brian Solis bereits im Jahre 2013 publiziert haben und er eng in Zusammenhang mit meinem letzten Blog-Post zum Social Business Transformation Prozess steht. Bis heute ist es hoch spannend zu lesen, gerade wenn es um eine Digitale Kommunikations- oder Business-Strategie geht.

7 Success Factors of Social Business Strategy by Brian Solis and Charlene Li.

Abb. 7 Success Factors of Social Business Strategy by Brian Solis and Charlene Li; flickr.com/photos/briansolis/17044011632

The Seven Success Factors of Social Business Strategy“ heißt das Buch vom Mitte 2013. Die folgende Infografik (siehe Abb.) aus dem Buch liefert bis heute eine gute Roadmap und einen Orientierungsleitfaden bei der Strategie-Entwicklung. In seinem Blog-Beitrag schreibt Brian Solis über den „philosophischen“ Ansatz: „A social business is not a marketing strategy or a technology roadmap but rather a way or philosophy of how business could be done differently (…) in a much more human manner.

Auch wenn sich die 7 Erfolgsfaktoren auf eine Social Business Strategie beziehen, so helfen sie als Leitfaden bei der Entwicklung einer ganzheitlichen digitalen Kommunikationsstrategie. Aus diesem Grund macht es Sinn, einen Blick auf die in der Infografik angezeigten, im Blog beschriebenen und hier übersetzten Faktoren zu werfen.

  1. Definieren Sie übergeordnete Business-Ziele: Sie können keine Strategie an Ihren Business-Zielen ausrichten, wenn Sie keine klaren und damit mess- und überprüfbaren Ziele haben.
  2. Achten Sie auf eine langfristige Vision: Sie müssen Ihre Vision klar und leidenschaftlich kommunizieren, wenn Sie Ihr Team überzeugen wollen, sich voll für Ihre Social Strategy einzusetzen. Und dessen vollständigen Support werden Sie benötigen.
  3. Sichern Sie sich die Unterstützung der Unternehmensführung: Wenn Sie wirklich auf Ihr Business Einfluss nehmen wollen – und der Moment wird kommen –, spätestens dann benötigen Sie die Rückendeckung und die Unterstützung der wichtigsten Führungspersonen.
  4. Definieren Sie die strategische Roadmap: Selbst wenn Sie schon Ihre Business-Ziele kennen und eine klare Vision haben, müssen Sie Ihren Weg dorthin genau planen – was Sie erreichen und was Sie vermeiden wollen.
  5. Etablieren Sie Governance und Guidelines: Wer ist für die Umsetzung der Strategie verantwortlich? Wie werden die Inhalte koordiniert? Wie ist das Zuhören und Reagieren auf Kundenanfragen organisiert? Wenn Sie die Fragen klar beantworten und sich daran halten, dann hilft Ihnen dies, mehr Zeit für Ihre Wachstumsstrategie zu verwenden, ohne sich zu verlieren.
  6. Sichern Sie Mitarbeiter, Ressourcen und Gelder: In einem frühen Stadium kann die Social Media Kampagne noch zu einer Agentur outgesourct sein. Gleichzeitig sollten Sie innerhalb Ihres Unternehmens interne Ressourcen aufbauen und weiterentwickeln, um Ihr Unternehmen auf ein höheres Niveau zu heben, gerade wenn der Social Prozess und Ihr Business wächst.
  7. Investieren Sie strategisch in Technologie: Widerstehen Sie der Versuchung, immer nach den neuesten Technologien zu suchen, bevor Sie einen langfristigen Strategieplan haben. Warten Sie mit den größeren technologischen Investments bis zu dem Moment, wenn Sie einen strategischen Plan und eine klare Vision ausgearbeitet haben.

Gerade der letzte Punkt ist mit entscheidend: Keine vorschnelle Konzentration auf Tools und Instrumente oder Technologien. Stattdessen muss zuerst ein Strategie-Plan entwickelt werden, bevor man sich mit den Instrumenten beschäftigen kann, die den Gedanken des Planes nach innen wie nach außen weitertragen sollen beziehungsweise zu implementieren helfen. So schreibt Solis abschließend in seinem Blog: „It’s not so much about the terminology as much as it’s about your intentions, the expectations of your connected customers and employees, and how you improve connections, conversations, and experiences to grow your business and the value of the brand.“

Ach übrigens: Wer jetzt noch mehr Wissen von mir haben will, der darf sich gerne direkt bei mir melden. Also bis bald!

Bisherige Beiträge in der Serie „Digitales Wissen“

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Fachbuch "Die digitale Kommunikationsstrategie" im digitalen Zeitalter. Von Dominik Ruisinger.

Hinweis: Diese 15 „Ausflüge“ entstammen meinem Buch: „Die digitale Kommunikationsstrategie. Praxis-Leitfaden für Unternehmen. Mit Case Studys und Expertenbeiträgen. Für eine Kommunikation in digitalen Zeiten.“ Weitere Infos zum Buch, Hintergründe zur Entstehung des Leitfadens, Vorstellung der Gastautoren und verwendete Studien, Bestellung von Rezensions-exemplaren sowie ein Link zur Buchbestellung finden sich hier.

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Digitales Wissen (14): Der Business Transformation Prozess

Digitales Wissen (14): Der Business Transformation Prozess

Ende des Jahres 2012 hatte die Altimeter Group 700 Kommunikationsstrategen von Organisationen nach ihrem Stand bei der Integration von Social Media in die Unternehmensprozesse befragt. Auf Basis der Ergebnisse erstellte sie einen Studienbericht mit dem Titel „The Evolution of Social Business: Six Stages of Social Business Transformation“. Selbst wenn er heute bereits ein paar Jahre alt ist, sind die Ergebnisse für jeden Business Transformation Prozess noch immer durchaus lesenswert und nachvollziehbar. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass im Durchschnitt US-amerikanische Unternehmen den deutschen bei dem Digitalisierungsprozess ein paar Jahre voraus sind.

Six Stages of Social Business Transformation

Six Stages of Social Business Transformation by Altimeter Group, 2013

In dem Bericht verdeutlichen die Studienautoren und Altimeter-Group-Kollegen, Charlene Li und Brian Solis, welche sechs Stufen eine Organisation innerhalb des Business Transformation Prozesses durchlaufen muss, um wirklich „social“ zu werden. Dabei lassen sich die im Folgenden beschriebenen Stufen durchaus auf die gesamte digitale Transformation sowie auf die Implementierung einer digitalen Kommunikationsstrategie übertragen.

In seinem Blog-Beitrag zur Grafik beschreibt Brian Solis klar die stufenweise Vorgehensweise, die hier wiedergegeben und interpretiert wird.

Phase 1: Planning
Zu Anfang eines Prozesses muss herausgefunden werden, wie Kunden und Partner die digitalen Kommunikationskanäle nutzen. Unternehmen müssen in dieser „Planning“-Phase vor allem zuhören lernen, was ihre Kunden, ihre Mitarbeiter, ihre sonstigen Stakeholder an Interessen, an Problemen, an für sie relevanten Themen haben. Mittels des Einsatzes von Pilotprojekten sollte sichergestellt werden, dass einerseits die Strategieentwicklung auf einer festen und mit Daten und Fakten abgesicherten Basis steht und dass andererseits die internen Stakeholder ebenfalls eng in den Prozess miteingebunden bzw. zumindest ausführlich informiert sind.

Phase 2: Presence
Im 2. Schritt stecken Unternehmen verstärkt ihre „Presence“ ab; sie zeigen sich in den digitalen Medien. An der Stelle sollten bereits die ersten Messzahlen definiert werden. Im 3. Schritt „Engagement“ wird über einen kontinuierlichen Dialog eine Beziehung zu den Stakeholdern aufgebaut und durch regelmäßige Interaktionen vertieft. Unternehmen zeigen folglich nach außen, dass ihnen die Beziehung wichtig ist. Sie investieren ausreichende Ressourcen, um ihren Ansprüchen gerecht zu werden – nach innen wie nach außen. Sie führen Dialoge, liefern Support, zeigen Einsatz und fördern zudem das Engagement der Mitarbeiter durch den Einsatz eigener unternehmensweiter Netzwerke.

Stufe 3: Formalized
Die Stufe „Formalized“ ist eng verbunden mit dem Begriff der „Corporate Governance“. In der Phase sind entlang der eigenen Strategie nicht nur klare Geschäftsziele zu definieren und ständig zu überprüfen. Auch die Leitung der Organisation sollte fest hinter dem Engagement stehen. Jegliche Aktivität ist vor der Implementierung mit den weiteren Unternehmens- und Kommunikationsaktivitäten eng zu vernetzen. Zudem muss sich die Organisation auf Krisen und Rückschläge vorbereiten, indem sie sich gut verständliche und ständig überprüfte Krisenreaktionspläne für den Ernstfall zulegt.

Stufe 4+5: Strategic + Converged
In der darauf folgenden fünften Stufe „Strategic“ werden die digitalen Aktivitäten verstärkt in die einzelnen Unternehmensbereiche integriert. Sie bekommen höhere Sichtbarkeit, da sie deutliche Auswirkungen auf die Geschäftsziele bzw. die Geschäftsausrichtung haben. Das Unternehmen ist auf dem Weg, ein „Social Business“ zu werden, was in der Endstufe „Converged“ schlussendlich erreicht ist. Zu dem Moment haben Organisationen ihre Social Media und sonstigen digitalen Aktivitäten mit der Unternehmensstrategie verschmolzen, ist die digitale Transformation inklusive der diversen digitalen Aktivitäten nicht nur in allen Unternehmensbereichen integriert: Sie wird auch von allen Beteiligten gelebt.

Fazit: Unabhängig von der Anzahl der Stufen stellt der Prozess hohe Herausforderungen an die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Dies lässt sich beispielsweise aus der „2014 State of Digital Transformation Survey“ der Altimeter Group gut herauslesen. 63 Prozent der Befragten bezeichneten darin die Veränderung der Unternehmenskultur („Changing company culture“) als die wichtigste Herausforderung, um den Weg der digitalen Transformation vollziehen zu können.

Bisherige Beiträge in der Serie „Digitales Wissen“

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Fachbuch "Die digitale Kommunikationsstrategie" im digitalen Zeitalter. Von Dominik Ruisinger.

Hinweis: Dieser „Ausflug“ entstammt meinem neuen Buch: „Die digitale Kommunikationsstrategie. Praxis-Leitfaden für Unternehmen. Mit Case Studys und Expertenbeiträgen. Für eine Kommunikation in digitalen Zeiten.“ Weitere Infos zum Buch, Hintergründe zur Entstehung des Leitfadens, Vorstellung der Gastautoren und verwendete Studien, Bestellung von Rezensions-exemplaren sowie ein Link zur Buchbestellung finden sich hier.

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