Ich fühle mich derzeit etwas überfordert. Denn ich habe den Eindruck, dass ich immer mehr Informationen über immer mehr Kanäle in einer immer höheren Frequenz erhalte. Immer stärker scheint es um Masse und Quantität an Informationen zu gehen. Viele sprechen daher bereits seit Jahren vom Content Shock oder dem Information Overload. Aber das sind nur Schlagworte.
Positiv gefragt: Folgen wir auf LinkedIn, Instagram, WhatsApp, per Newsletter, Messenger & Co. gerade dem olympischen Gedanken, also immer weiter, schneller, höher? Sind wir in unserer Kommunikation 2022 auf dem Weg der “Oberflächligisierung”? Was dazu führen wird, dass die Tiefe in der Auseinandersetzung verloren geht? Ist es also etwa Zeit, sich etwas zurückzunehmen? Denn das Sein als „digitaler Messi“ bringt kaum einem Networker etwas, wie Klaus Eck in seinem Blog-Beitrag schreibt?
Skimmen & Scannen
Gerade im Rahmen meines letzten Buches „Praxis Online-Texten“ habe ich mich viel mit dem Thema Usability und insbesondere der Frage beschäftigt, wie Menschen Inhalte heute im Netz wahrnehmen. Und es überrascht hier niemanden, wenn ich schreibe, dass wir nur einen sehr begrenzten Anteil an Informationen aufnehmen (können).
Wenn ich diese zwar ältere, aber weiterhin relevante Grafik betrachte, dann wird mir nochmals klar, dass sich unser Content-Konsum, also die von uns auch täglich verarbeitete Content-Menge, keineswegs groß verändert hat – auch weil der Tag weiterhin nur 24 Stunden hat; gleichzeitig nimmt aber der produzierte und verbreitete Content jedes Jahr exponentiell zu. Jede und jeden hier wird dies nicht überraschen. Doch hat dies massive Folgen, gerade auf die Wahrnehmung von Inhalten.
Content Shock: Der Vergleich zwischen Content-Konsum und Zeit für Content
Der „King of Usability“ Jakob Nielsen hat einst die Wahrnehmung von Content in die Bereiche Reading, Scanning und Skimming aufgeteilt (siehe Abb.). Angesichts dieser oben beschriebenen Menge an Informationen und der gleichzeitig gleichbleibenden Zeit für deren Konsum, bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als nur noch zu skimmen; also hastig in der Überschrift nach dem Mehrwert zu suchen, Texte nach Schlüsselwörtern zu überfliegen und schnell weiterzuklicken, wenn wir ihn nicht sofort finden. Schließlich könnten wir ja etwas auf einer anderen Seite, in einem anderen Kanal verpassen.
Ach ja: Nielsen packt unser Leseverhalten übrigens genau zwischen Scannen und Skimmen – mit Tendenz immer stärker zum Skimmen gerade bei Jüngeren. Auch dies ist angesichts der Tool- und Content-Menge nicht wirklich überraschend.
Wie wird heute gelesen? Reading, Scanning, Skimming im Vergleich; Abb. von Dominik Ruisinger
Der Titel als Content-Verführer?
Richten wir uns also nur noch an Titeln aus? Zu Beiträgen, Bildern, Videos, Grafiken? Egal wie korrekt, falsch oder nur auf den berühmten K(l)ick ausgerichtet sie auch sind? Genau betrachtet, tun wir genau dies. Wir reagieren auf Titel – neben ein paar weiteren Nebenfaktoren. Diese Fokussierung gilt übrigens auch für Betreffzeilen, die schon lange eine große Macht auf E‑Mails und Newsletter haben, auch wenn viele dies nicht bedenken.
Wenn ich über genau diesen Fokus auf Titel nachdenke, dann fällt mir mit Grauen ein Experiment vor ein paar Jahren ein (die genaue Quelle finde ich gerade nicht … Any thoughts?). Damals wurde ein Beitrag auf Facebook publiziert, wobei der Inhalt des Beitrages mit dem Titel des Beitrags nichts zu tun hatte. Trotzdem wurde er vor allem wegen seines Titels fleißig und massiv geteilt. Damit ließ sich nachweisen, dass nur wirklich wenige Menschen den Beitrag auch wirklich gelesen hatten. Leider.
Dieses Experiment ist schon einige Jahre alt. Doch was ist seitdem passiert? Die Menge an Informationen ist weiter gewachsen, die Zahl der Kanäle hat sich erhöht, die Frequenz an publizierten Beiträgen ist gestiegen. Alles siehe oben. Würde dieses Experiment heute anders ausfallen? Ich fürchte nein. Schließlich sind viele Social Media Postings in Wirklichkeit nichts anderes als Titel- und Titelbilder-Schleudern. Einfach gesagt: Wenn diese nicht funktionieren, können wir uns den restlichen Beitrag ersparen. Auch in meinem Lieblings-Tool Feedly sortiert mein Auge die täglichen Resultate fast ausschließlich über den Titel. Alles andere fällt weg.
Noch kein Rezept gefunden
Doch was bleibt uns anderes über, wenn uns immer mehr und immer häufiger Inhalte eingespielt werden und dies über immer mehr Kanäle? Und wir diesen Inhalten und Kanälen immer mehr hinterherhecheln? Schließlich wollen wir nichts und nirgends verpassen, was sich in Diskussionen über FOMO und Online-Sucht widerspiegelt. Sind wir auch als Content-Produzentinnen und ‑Produzenten also die Katzen und Kater, die sich selbst in den Schwanz beißen?
Bei diesem Thema bin ich in den letzten Wochen und Monaten nachdenklich geworden. Auf jeden Fall mache ich mir immer häufiger Gedanken, wie ich selbst Informationen aufnehmen will und diese nicht nur als Skimmer, sondern als Mensch, der diesen Content wirklich schätzt. Muss ich mich dazu von verschiedenen Kanälen verabschieden? Aus Inhalten zurückziehen, um mir mehr Zeit für andere nehmen zu können? Werde ich alt ;-)? Oder gibt es dazu ein schlaues Lösungsbuch oder ein geniales Rezept? Wer eines hat, dann bitte melden. Danke! Denn anders werde ich aus diesem Hamsterrad wohl kaum herausfinden.
2 more things:
P.S.: Damned – und schon wieder habe ich neuen Content geschaffen ;-). Hoffentlich verführt nicht nur der Titel zum Lesen!
Zu den altehrwürdigen Formeln, die aus der Werbesprache kommen, zählt auch die KISS-Formel: »Keep it short and simple«. Doch in Zeiten von Social Media lässt sich diese Formel neu interpretieren und ihr damals plötzlich hohe Relevanz zuteilen. Kein Wunder also, dass dieser Begriff weder bei “Stichwort Wissenswertes” noch in meinem neuen Buch fehlen darf.
KISS: Keep it significant and shareable
Ob die Verbreitung von Owned Content, also über die eigenen Kanäle, ob eingekaufter Paid Content oder über nutzer- oder mediengenerierter Earned Content bzw. Shared Content: All diese Content-Arten können zur positiven Sichtbarkeit einer Organisation beitragen. Dazu müssen sie den zuvor definierten Nutzern einen Mehrwert liefern – und dies nicht nur einmalig, sondern regelmäßig. Für ein erfolgreiches Engagement ist somit kontinuierlicher Mehrwert mit Weitererzähl-Potenzial bzw. Content mit Relevanz zu generieren.
Denn die privaten Kommunikatoren beteiligen sich nur dann, wenn die Inhalte für sie bedeutsam, relevant und an andere – möglichst schnell und einfach – mitteilbar sind. Dazu lohnt es sich, die klassische KISS-Formel (»Keep it short and simple«) weiterzudenken und neu zu interpretieren, wie Frederic Gonzalo auf Social Media Today:
»In this day and age of Content-Marketing, big data and shrinking attention span for ever-increasing amounts of shared information, the KISS principle is perhaps best summarized as: Keep it Significant and Shareable!«
KISS = Social and Shareable
Konkret bedeutet dies: Gerade für die Social Media Plattformen sollte Content also möglichst »social« und »shareable« sein. Sprich, Organisationen sollten Inhalte kommunizieren, die sich überall kommentieren, einfach teilen und sofort weiterverbreiten lassen. Nur dann ist die Voraussetzung gegeben, dass die Dialogpartner die Inhalte in ihre eigenen Kanäle weitertragen und den Inhalten – und damit auch der Organisation – zu einer größeren Sichtbarkeit verhelfen. Praktisch bedeutet dies, dass jeglicher vorhandener oder noch zu produzierender Inhalt nach seiner Social Story hinterfragt werden sollte.
Werden diese zwei Voraussetzungen dagegen nicht erfüllt, lässt sich das Weitererzähl-Potenzial nicht ausschöpfen, da die Dialogpartner die Inhalte nicht mit anderen teilen beziehungsweise ihre Erfahrungen nicht an ihre eigenen Communitys weitergeben. Dies hätten beispielsweise durchaus positive Erfahrungen mit einem neuen Produkt, Hinweise auf eine relevante Studie oder Lob für einen hervorragenden Service sein können.
Fazit: »Keep it significant and shareable« ist ein klarer Aufruf an alle Kommunikatoren. Übersetzt bedeutet dies: Ist ein Beitrag nicht einfach teilbar und relevant aus Sicht meiner Zielgruppe, wird er keine Sichtbarkeit erhalten und zu keiner Interaktion führen. Und nur dann, wenn der Content für Zielgruppen relevant und einfach teilbar ist, wird er sich künftig verbreiten.
Bisher erschienen in der Serie “Stichwort Wissenswertes”:
Auch im Oktober gab es wieder viele spannende Beiträge, Anregungen und auch etwas traurige Entscheidungen wie zum Beispiel das Ende des Daimler-Blogs, auch wenn da ja bald was Neues kommen soll. 10 Lesetipps rund um mein Thema Digitale, strategische und integrierte Kommunikation habe ich in meine Gedankenspiele aufgenommen.
Der kleine Erklärbär hilft bei Begriffen und Zahlen.
Studie | Die ARD/ZDF Onlinestudie 2019 ist da. Die neu erschienene ARD-ZDF-Onlinestudie zählt sicherlich zu meinen Favoriten unter den Studien, aus der sich bei jeder Ausgabe viel herauslesen lässt. Während Video immer stärker dominiert, wächst auch der Text-Konsum parallel leicht an.
Content Strategie | Ephemeral Content vs. Evergreen Content Auf den richtigen Mix kommt es an: Ephemeral Media v.a. durch Stories für aktuelle Themen, die Aufmerksamkeit schaffen; Evergreen Media Content für langfristige und langlebige Themen.
Newsroom | „Man muss nicht jedem Trend hinterherlaufen“ „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Offene Einblicke in die Entwicklung des Newsrooms bei Otto, in die (Nicht-)Auswahl von Themen, in Hypes, Trends, Newsroom-Needs und künftige Unternehmenskommunikation.
Blog | Blog-Anfänger: Das sind meine wichtigsten Tipps “Ein gutes Firmenblog braucht Herzblut, keine Raketenwissenschaft”. Wahre Worte und hilfreiche Tipps nicht nur für Blog-Anfänger, die ein Corporate Blog starten wollen.
Es wird langsam kalt in Deutschland. Was gibt es also Gemütlicheres, sich mit einem gepflegten Espresso und gutem Lesestoff in die nächste Ecke auf’s Sofa zu verziehen? Ich habe dafür mal wieder 10 Lesetipps rund um die digitale Kommunikation zusammengestellt.
Der Erklärbär erklärt ab und zu mal wichtige Begriffe.
Was ist RSS? Der Erklärbär alias Dominik Ruisinger erklärt RSS, Feeds und Tools wie Feedly scheinen noch immer nicht vielen bekannt zu sein. Dies merke ich bei meinen Workshops und Coachings. Das ist ein Fehler! Warum Feeds so hilfreich sind, erkläre ich in diesem aktualisierten Blog-Beitrag.
Digital Transformation = Culture & Business Model Change Spannend: Kaleido Insights hat ein detailliertes Scoring Tool “Digital Directive” für die Frage entwickelt, wie reif ein Unternehmen im Bereich Digitale Transformation ist. Die 7 Bereiche helfen bei der Bewertung von Strategie, Data, Kundenerfahrung, Ausrichtung, Analyse, Kultur, Innovation.
Content-Strategie erstellen: Das sind 4 wichtige Bausteine Darin liegt Unterschied zw. Strategie und Taktik: Die Content-Strategie ist die Basis der Planung bzgl. Produktion, Distribution und Organisation von Inhalten. Sie ist eine Idee, die die künftige Richtung vorgibt. Und keine Ansammlung von Taktiken.
Bloggen: Ein umfassender Leitfaden Ein umfassender Leitfaden über das Bloggen — das ist dieser Beitrag wirklich. Auch wenn er nix ganz Neues bietet, liefert er einen klasse Überblick — von der Definition, über die Themenfindung bis zur Redaktionsplanung — insbesondere für Blog-Neulinge.
Keyword-Recherche: Tipps zur Optimerung eurer digitalen DNA Eine gute Keyword-Recherche ist gerade aus SEO-Sicht wichtig – ob bei der Entwicklung einer Webseite oder bei einfachen Online-Texten. Doch wie geht man am besten vor? Dieser Beitrag liefert eine prima Anleitung zu den zentralen Phasen.
Facebook Ads: Ein umfassender Leitfaden Immer noch keine Erfahrung mit Facebook Ads? Dann hilft vielleicht dieser leicht verständliche Leitfaden, der die Grundlagen legt: Marketingziele, Werbeformate, Targeting, Features.
2 Jahre Corporate Influencer bei Otto: “Wir müssen lernen loszulassen” Mit seinem Jobbotschafter-Programm zählt Otto zu den Vorreitern was Corporate Influencer betrifft. Welche Erfahrungen hat das Unternehmen seitdem gemacht? 2 Jahre nach Beginn zieht Pressesprecherin HR Eugenia Mönning im Gespräch mit Kerstin Hoffmann eine Bilanz.
Telekom Botschafter werden “ausgefragt” Wie wird man Telekom Botschafter? Werden diese eigentlich dafür entlohnt? Spannender Kurzbericht von Winfried Ebner zu Diskussionen mit den magenta Botschaftern und zum Thema Werkstolz.
Jodel: Wieso sich ein Blick auf das junge Netzwerk lohnt Warum Jodel aus Marketing- und Werbesicht für eine zielgruppengenaue Ansprache definitiv einen Blick wert sein sollte, um gerade junge Studierenden-Zielgruppe zu erreichen.
Die Kommunikationsbranche steht vor zahlreichen Herausforderungen in einer sich ständig verändernden Kommunikations- und Medienwelt. Gerade die Zahl der Medien und der Instrumente ist hoch und wächst stetig weiter. Immer stärker ist das Vordringen von Bewegtbild und Live-Video zu beobachten, von Messenger-Kommunikation und Chatbots, von Social Collaboration-Plattformen und Ephemeral Media. Diese zu beobachtenden Erscheinungen werden nicht die letzten sein. Jeder muss sich bewusst sein, dass die Entwicklung weiter voranschreiten wird – mit neuen Plattformen, Instrumenten, Techniken, mit einem veränderten Nutzerverhalten und damit wechselnden Herausforderungen, denn: Das Zeitalter für digitale Kommunikation hat gerade erst begonnen.
Doch vor welchen Herausforderungen stehen Kommunikatoren speziell im digitalen Zeitalter? Welche Strategien benötigen Unternehmen und Institutionen? Und was macht eine erfolgreiche digitale Kommunikationsstrategie künftig aus? Es ist immer schwierig, in Zeiten einer sich hoch dynamisch weiterentwickelnden Kommunikationswelt einen eindeutigen und glaubwürdigen Ausblick zu geben. Auf jeden Fall lässt sich mit Sicherheit sagen, dass wir gerade Zeugen einer Entwicklung sind, an deren Ende kaum ein Stein auf dem anderen bleiben wird – zumindest in der Form, in der wir es bislang gewohnt waren. Nur wissen wir leider noch nicht genau – und da hat der Kommunikations- und Kulturmanager Christian Henner-Fehr vollkommen Recht, wenn er schreibt –
„welche Steine zukünftig wie zusammengefügt werden müssen und welche Steine noch dazu kommen.“
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Sammelband Kommunikations-management
HINWEIS: Dieser lange Beitrag entstammt in etwas veränderter Form meinem Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“. In dieser hier vorliegenden Form erschien er im Oktober 2017 in: Kommunikationsmanagement (Loseblatt), herausg. von Bentele/Piwinger/Schönborn, Köln 2017. Gleichzeitig ist es mir wichtig, diese 10 Werte auch hier nochmals zu publizieren. Auch wenn der Beitrag ein wirklicher #Longread ist.
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Notwendige Anpassung an die digitale Kommunikation und neue Zeiten
Künftig wird es nicht darum gehen, die Grundpfeiler bisheriger Kommunikation völlig in Frage zu stellen. Vielmehr muss viel Bestehendes eher überarbeitet und dem digitalen Wandel kräftig angepasst werden. Vor dem Hintergrund einer immer stärkeren Digitalisierung und einer Digitalen Transformation in immer mehr Branchen müssen dazu einerseits intern wie extern die Grundlagen für einen Change-Prozess gelegt werden, andererseits neue Medien erschlossen, ziel- und zielgruppengerichtet implementiert und mit dem Wissen traditioneller Kommunikation vernetzt werden. Das impliziert wiederum extreme Anstrengungen und ein hohes Maß an erforderlichem Wissen, gerade für Mitarbeiter aus den betreffenden Abteilungen, die mit dem digitalen Wandel in täglicher Verbindung stehen.
Welche sind also die grundlegenden Voraussetzungen, um eine digitale Kommunikation strategisch klar aufzustellen und sie mit den bisherigen Instrumenten, Plänen und Konzepten zu vernetzen? Und dies natürlich stets an eine übergeordnete Unternehmensstrategie angedockt? Es lassen sich durchaus Verhaltensregeln identifizieren, die das Agieren im Internet künftig entscheidend mitbestimmen. Diese sind gut mit den folgenden zehn Adjektiven bzw. Werten kompakt zu überschreiben: Strategisch, zielgerichtet, integriert, vernetzt, verantwortlich, social, customized, kreativ, persönlich sowie analytisch.
Strategisch.
Jede erfolgreiche digitale Kommunikation muss auf bestehenden kommunikativen Zielen und Strategien aufbauen. Schließlich verändert das Medium nicht die grundlegenden Inhalte, sondern erschließt vielmehr neue Wege, sie zu kommunizieren. Sie kann jedoch nur dann neue Wege erschließen, wenn sie strategisch angelegt ist: Mit messbaren Zielen, klar definierten Stakeholdern, einer nachhaltigen Positionierung und dauerhafter Kontrolle. Dazu muss sie auf langfristige Sicht und als ein laufender Prozess verstanden werden. Dazu bedarf sie der ständigen Bearbeitung, Ergänzung, Aktualisierung, Erneuerung. Wenn dies nicht beachtet wird, verpufft jede digitale Kommunikation wirkungslos. Bei dieser strategischen Vorgehensweise unterscheidet sich die digitale kaum von einer klassischen Kommunikation.
Zielgerichtet.
Jede digitale Kommunikationsstrategie, jede strategische Online-Kommunikation darf für Unternehmen und Institutionen kein Selbstzweck sein.
Sie muss vielmehr „einen Beitrag zur Erreichung übergeordneter ökonomischer, gesellschaftlicher oder politischer Ziele“ leisten,
schreiben die Hochschul-Professoren Thomas Pleil und Ansgar Zerfaß in ihrem „Handbuch Online-PR“. Daher ist es nicht nur zentral, klare und überprüfbare Ziele zu formulieren, die sich später per Erfolgskontrolle evaluieren lassen. Es ist gleichsam entscheidend, die digitale Kommunikationsstrategie an die Unternehmensstrategie, an die Unternehmenswerte anzudocken. Genau an dieser Stelle liegt eines der zentralen Kriterien, die für den späteren Erfolg entscheidend ist: Digitale Kommunikation ist immer als ein Element der unternehmerischen Wertschöpfung zu verstehen. Jede digitale Kommunikationsstrategie muss folglich stets an der Unternehmensstrategie, an den strategischen Zielen der Organisation, an der Business-Vision orientiert sein. Sie unterstützt schließlich die Verwirklichung der Unternehmens- und Kommunikationsziele. Dazu sollte sie so explizit formuliert sein, dass sie jederzeit, regelmäßig und von jedem überprüft werden kann.
Bevor Unternehmen und Institutionen also damit beginnen, eine digitale Kommunikationsstrategie zu entwickeln, sollten sie als ersten Schritt ihre Unternehmens- und Kommunikationsstrategie einer genauen Analyse unterziehen. Beide bilden die Grundlagen für die weitere Vorgehensweise. In dieser Bestandsaufnahme – einer unternehmerischen Ist-Analyse – ist zu definieren, wo das Unternehmen hin will, welche Ziele, Zwischen- sowie Endziele bereits festgelegt sind, wie diese kurz‑, mittel- und langfristig erreicht werden sollen, welche entscheidende Zwischenschritte formuliert sind, welche Strukturen bereits vorliegen, welche personellen Ressourcen vorhanden sind oder noch notwendig werden sowie welche Inhalte zur Verfügung gestellt werden können.
Integriert.
Wer sich an die digitale Kommunikation herantastet, darf sie nicht von den Instrumenten der klassischen Kommunikation trennen. Vielmehr ist sie ein Werkzeug innerhalb des Gesamtprozesses. Dazu sind von Beginn an alle verfügbaren Instrumente in die Planung mit einzubeziehen, um Synergien aus der engen Verzahnung der konvergenten Maßnahmen zu ziehen. Jedes muss innerhalb des Kommunikationskonstrukts seine Funktionen und Aufgaben haben – analog zu einer klar definierten Kommunikationsstrategie. Schließlich kann jedes digitale Instrument sich nur dann als mächtig erweisen, wenn es als integrativer und integrierender Bestandteil der Gesamtkommunikation verstanden wird. Dies erfordert ein integriertes kommunikatives Denken wie Handeln. Genau dieser Integrationsprozess und die strategische Neugestaltung der Kommunikation sind für viele Unternehmen mit vielen Schwierigkeiten und einem notwendigen langen Atem verbunden.
Vernetzt.
Gerade im Digitalbereich gilt es vernetzt und integrativ zu denken und zu agieren. Schon heute spielen in der klassischen Online-Kommunikation Online-PR, Suchmaschinenoptimierung, E‑Mail-Kommunikation, Content-Marketing eng zusammen – für die einfache Zugänglichkeit der Webseite, die richtige Platzierung von der kommunikativen Botschaften, das eindeutige Themensetting oder die ständige Erreichbarkeit durch Suchmaschinen. Hinzu kommen werbliche Herausforderungen: Display-Werbung, Suchmaschinen-Werbung, Native Advertising, Microsites, Kooperationen und Sponsoring auf digitalen Plattformen sind für eine professionelle integrierte Kommunikation unerlässlich. Keine Disziplin kann die Aufgaben künftig alleine für sich behaupten. Zudem werden alle alten wie neuen Werkzeuge nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt, sie innerhalb eines strategischen Gesamtkonzeptes zu verorten.
Doch Vernetzung bedeutet noch mehr: Aus heutiger Sichtweise wird die herkömmliche Kommunikation weiterhin ihren Stellenwert behalten und nicht durch neue Formate vollkommen ersetzt werden. So ist eine digitale Kommunikation nicht von den Instrumenten der klassischen und analogen Kommunikation zu trennen. Ebenso wenig führt es zum Ziel, die digitale und die nicht-digitale Welt gegeneinander auszuspielen oder gar einen Gegensatz zwischen alter und neuer Kommunikation, zwischen „klassischer“ analoger und „moderner“ digitaler Kommunikation herzustellen.
Der Erfolg, so der Konzeptioner Klaus Schmidbauer, liegt vielmehr künftig in der engen Vernetzung, da nur im Zusammenspiel beider Seiten eine schlagkräftige Ansprache entstehen kann:
„Kommunikation wird immer als Ganzes wahrgenommen. Kommunikationskonzepte müssen deshalb auf der strategischen Ebene über den Online-/Offline-Kategorien stehen und ganzheitlich denken.“
Denn ob online oder offline: Für Zielgruppen führt nicht die Herkunft zu einer Entscheidung: Vielmehr werden „immer genau die Strategien und Maßnahmen genutzt, die das anstehende Problem optimal lösen, ganz gleich welcher Herkunft sie sind.“ Dies verdeutlicht, wie stark die bisherigen Disziplinen zusammenwachsen und wie eng sie innerhalb einer digitalen wie integrierten Kommunikationsstrategie abgestimmt und gesteuert werden müssen. Genau auf ihr Zusammenspiel wird es künftig entscheidend ankommen. Kommunikationsexperten haben also die Aufgabe, bisheriges Wissen und bestehende Erfahrungen auf die neuen Gegebenheiten systematisch zu übertragen, neu Erlerntes hinzuzufügen, diese beiden zu verzahnen – nicht als Gegensätze sondern als eng umschlungene Partner.
Verantwortlich.
Der digitale Wandel muss von Seiten des Managements vorgelebt werden. Die Manager sind die Motivatoren und die Vorbilder für solch einen Change-Prozess. Die dafür notwendigen Tools und Konzepte existieren bereits heute. Nur wird ein digitaler Veränderungsprozess derzeit häufig nur mit der puren Einrichtung digitaler Instrumente gleichgesetzt. Ein wirklicher Change-Prozess beginnt dagegen vielmehr ganz oben: In den Köpfen der Chefebenen, die sich an die Spitze der Entwicklung setzen müssen; und auch in den Köpfen ihrer Mitarbeiter, die sich bewusst werden, dass für eine Transformation viele Content-Silos eingerissen werden müssen, oft lieb gewonnene Kompetenzbereiche aufgegeben und stattdessen Verantwortungen mit anderen geteilt werden müssen.
Dies bedeutet wiederum ein hohes Maß an erforderlichem Wissen in den betroffenen Abteilungen. Dies macht eine fortlaufende Fortbildung der Mitarbeiter und ein internes Wissensmanagement notwendig. Sie benötigen Fachkenntnisse, gerade um eine digitale Kommunikationsstrategie zu verstehen, sie mitzutragen und mit Content füllen zu können. Und sie benötigen eine persönliche, dauerhafte Anleitung, wie sie im Rahmen der Strategie ihre eigene Rolle finden und sich mit anderen Mitarbeitern innerhalb der Organisationen inhaltlich eng vernetzen können. Nur so lassen sich Content-Silos vermeiden; und nur so wird jeder vom Wissen des jeweils anderen letztendlich profitieren.
Social.
Es darf nicht mehr primär um soziale Netzwerke gehen, um Facebook, um YouTube, um einzelne visuelle Plattformen; oder im nächsten Schritt um Messenger, um Apps, um Chatbots. Es muss um eine integrierte Kommunikation in Zeiten des digitalen Wandels gehen, innerhalb der die einzelnen Kommunikationskanäle ihre Funktionen und Aufgaben haben, die sich aber alle an einer klar definierten gemeinsamen Kommunikationsstrategie orientieren. Solch eine integrierte Kommunikation, insbesondere auch Social Media, in Zeiten des digitalen Wandels bedeutet vor allem Dialog, Interaktion, Service, Socializing, Involvement. Dazu gehört weniger Senden als vielmehr Zuhören.
Organisationen müssen dazu künftig noch stärker den Blickwinkel ihrer Stakeholder einnehmen. Sie müssen sich zurückhalten, nur die aus ihrer Sicht relevanten Themen zu setzen, sondern sich im Rahmen ihrer Content-Strategie auf die Inhalte fokussieren, die für die Stakeholder von Relevanz sind und ihnen Mehrwert bieten. Dazu zählt auch, dass sie geäußerte Kritik als Chance zur Verbesserung und Optimierung wahrnehmen. Nur so werden sie eine Chance haben, in einem Informations-Dschungel und trotz Content-Shock gefunden, wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Das heißt: Erst wenn es gelingt, den Aspekt des Mehrwertes aus Sicht der Stakeholder in die Gesamtkommunikation verstärkt einzubinden, können Unternehmen von diesem Wandel wirklich profitieren.
Folglich muss es das Ziel sein, Social Media Kommunikation als Kernbestandteil der digitalen Kommunikation zu integrieren und als Komponente der Unternehmenskommunikation zu begreifen, wie der US-amerikanische Social Business-Vordenker Brian Solis in seinem Bestseller „Engage!“ bereits im Jahre 2010 betonte:
„Social media is a critical part of a larger, more complete sales, service, communications, and marketing strategy that reflects and adapts to markets and the people who define them.“
Dazu benötigt es ein starkes, auch intern verankertes Selbstverständnis, damit Integration und notwendige Neuaufstellung gemeinsam bestritten wird. Nur so kann es gelingen, dass eine digitale Kommunikation wirklich wahr wird. Dieser Integrationsprozess beziehungsweise die damit verbundene strategische Neugestaltung der Kommunikation wird für viele Unternehmen und Institutionen mit einem langen Atem verbunden sein.
Customized.
Angesichts der Fülle an Kommunikationskanälen entsteht die nächste kommunikative Herausforderung: Welche Informationen sollen die Zielgruppen an welcher Stelle erreichen? Und dies in einer Zeit, in der bereits vielerorts von einem Content-Shock, also einer Überforderung der Menschen mit Inhalten, gesprochen wird? Wenn also Nutzer immer weniger den Content in seiner Ganzheit wahrnehmen und individuelle Botschaften identifizieren können? Gerade innerhalb einer integrierten Kommunikation kommt es künftig auf ein verstärktes Customizing an, auf den Zuschnitt von Informationen mit Mehrwert auf klar definierte Stakeholder. Sie müssen genau die passende Information in dem Moment erhalten, wenn sie diese benötigen.
Künftig lassen sie sich nur mit personalisiertem, auf ihre Bedürfnisse sowie auf die Eigenschaften der einzelnen Kanäle individuell zugeschnittenem und medienspezifisch aufbereiteten Content an die Marke binden. So wird heute auch bereits von Adaptive Content gesprochen, um Benutzern mit Hilfe des Wissens, das man über sie hat – also über Verhalten, Geräte, Kontext –, zielgerichtete Informationen zu liefern. Unternehmen müssen sich gerade Micro-Zielgruppen gegenüber als Experte zeigen und zum kompetenten Sprachrohr eines Themas werden – ob über ein glaubwürdiges Fachblog, einen regelmäßigen Podcast, eine spezielle Microsite, die Moderation eines Branchenforums, eine Gruppengründung in einem Sozialen Netzwerk oder repräsentative Onlinestudien zum eigenen Kerngebiet. Sie müssen sich bewusst machen: Wer Themen setzt und Positionen darlegt, bestimmt den Diskurs und schafft Präsenz; wer sich als Opinion Leader etabliert, gewinnt an Deutungskompetenz im Meinungsmarkt und verschafft sich kommunikative Wettbewerbsvorteile.
Kreativ.
Wenn die Story kein Weitererzähl-Potenzial in sich birgt, hat die Geschichte kaum einen Erfolg, sich wirklich stark zu verbreiten. Und dies gerade in einer Zeit des Content-Überflusses. Es wird künftig verstärkt darauf ankommen, starke und authentische Geschichten zu entwickeln und diese auf einzelne, auch kleinere Zielgruppen zuzuschneiden – selbstverständlich immer ausgerichtet an der definierten digitalen Kommunikationsstrategie. Nur dann werden Botschaften intensiv wahrgenommen und weiter verbreitet. Dazu müssen die Nutzer aktiviert, in die Prozesse mit einbezogen und damit zu authentischen Beteiligten ihrer eigenen Aktion gemacht werden.
Persönlich.
Gerade auf den Social Media-Plattformen sind Köpfe statt Marken gefragt. Schließlich wollen Menschen mit Menschen sprechen – und nicht mit Marken. Dies erfordert von den Kommunikatoren gleichzeitig einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrer neuen Rolle. Schließlich werden Marken über Köpfe wahrgenommen, Fehler der Menschen auf die Marken direkt projiziert. Alle befinden sich in einem öffentlichen Raum, in dem jeder mitlesen, mithören, mitsehen kann – und „jeder“ kann hier Shareholder, Stakeholder, Geschäftsführer, Social Media Manager, sonstiger Mitarbeiter, Kooperationspartner, Konkurrent, Jobsuchender oder auch Multiplikator heißen.
Analytisch.
Es gibt kaum eine Branche, die so von der Datenflut profitiert, wie die digitale Kommunikation, Stichwort „Big Data“. Was für viele Datenschützer eher ein Gräuel ist, erweist sich für Kommunikations- und Marketingexperten als wahre Fundgrube. Die Fülle an gewonnenen Daten bietet der digitalen Kommunikation schließlich die große Chance, Kundenbedürfnisse frühzeitig zu erkennen, Reaktionen genau einzuschätzen, Wünsche schnell zu analysieren und die Erwartungen detailliert zu definieren. Auf diese hin lassen sich Services und Produkte zuschneiden. Parallel entstehen neue Möglichkeiten, Stakeholder zu involvieren und mit ihnen in einen kontinuierlichen Dialog zu treten. Die Organisation tritt damit in einen dauerhaften Denk- und Lernprozess mit ihren Mitarbeitern, Kunden, Multiplikatoren und ihren sonstigen Stakeholdern.
Fazit: Keine Angst vor digitaler Kommunikation
Die digitalen Medien haben unsere Gesellschaft bereits heute nachhaltig verändert und deren Dialogorientierung deutlich intensiviert. Um dies für sich zu nutzen, sind kreative Strategien und durchdachte Konzepte gefragt. Unternehmen müssen Awareness generieren, um die eigenen Themen im Meinungswettstreit zu platzieren. Sie müssen den Dreiklang aus Information, Emotion und Dialog nutzen, um aktive Anschlusshandlungen auszulösen, wo Geduld, Kontinuität und ausreichende Ressourcen an Zeit, Personal und Geld gefragt sind.
Auf Basis ihrer Unternehmensstrategie haben sie die Aufgabe, eine klare integrierte Kommunikationsstrategie zu entwickeln, welche die verschiedenen Kommunikationsdisziplinen vereint. Sie müssen ihre Online-Aktivitäten – unabhängig davon, ob „social“ oder „nicht social“ – in einer digitalen Kommunikationsstrategie bündeln, die wiederum mit allen weiteren Kommunikations- und Marketingmaßnahmen vernetzt ist. Nur so kann es ihnen gelingen, künftig kommunikativ einheitlich nach innen und nach außen aufzutreten und Vertrauen für die Organisation, ihre Marke(n), ihre Themen, ihre Aktivitäten und ihre verantwortlichen Mitarbeiter zu schaffen.
Governor, Coach, Enabler, Engager
Das aufgezeigte Szenario inklusive der notwendigen Schritte sollte Unternehmen und Institutionen keineswegs Angst machen – ganz im Gegenteil. Die Entwicklung integrativer Strategien, Vernetzung der Kommunikationsplattformen und Dialogkanäle, Aufbau und Weiterentwicklung passender Content-Prozesse und die intensive Mitnahme der Mitarbeiter mit wachsendem Organisationsmehrwert: Gerade für Kommunikationsexperten hat es wohl kaum eine spannendere Zeit gegeben als heute. Und daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern.
Thomas Mickeleit, Director of Communication von Microsoft, schätzte bereits im Juli 2014 im Branchenmedium PR-Journal die künftige Rolle des PR-Managers wie folgt ein. Der PR-Manager müsse insgesamt vier Rollen einnehmen:
„Als ‚Content-Governor‘ muss er dafür sorgen, dass Inhalte im entsprechenden Stil gleichmäßig (…) ausgespielt werden. Er fungiert als ‚Coach‘ der Spokesperson, schafft als ‚Enabler’ Know-how innerhalb der Organisation (…) und ist der ‚Engager’, der sich nach außen in den Kanälen dialogorientiert vernetzt.“
Governor, Coach, Enabler, Engager: Es sind genau diese skizzierten Herausforderungen, die das reizvolle Aufgabenfeld eines künftigen Managers für Digitale Kommunikation ausmachen. Er ist dafür prädestiniert, die aktuellen Themen der digitalen Transformation kommunikativ zu begleiten und voranzutreiben – intern wie extern. Und wer sollte bei solch spannenden Herausforderungen „nein“ sagen. 😉