Stichwort Wissenswertes: Das Cluetrain Manifest

Stichwort Wissenswertes: Das Cluetrain Manifest

Häufig werde ich gefragt: Welche Literatur empfiehlst für das Thema digitale Kommunikation oder für das Thema Social Web? Einen Lesetipp, den ich schon immer gegeben habe: Das Cluetrain Manifest – übrigens auch prima online auf deutsch zu lesen. Warum ich das empfehle? Dies erklärt der heutige Beitrag aus der Reihe „Stichwort Wissenswertes“, der natürlich wieder aus meinem neuen Buch stammt „Die digitale Kommunikationsstrategie„.

Das Cluetrain Manifest

Es ist das Jahr 1999: David Weinberger – Redner, Philosoph und Forscher an der Universität Harvard – sitzt mit weiteren Vordenkern der Netzgemeinde wie Doc Searls, Rick Levine und Chris Locke zusammen. Sie diskutieren die künftige Entwicklung der Medien, der Kommunikation und des Marketings. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Überlegungen: 95 Thesen – überschrieben als Cluetrain Manifest – und damit unbewusst auch die Geburt des Social Web.

Märkte sind Gespräche

Hauptlosung und These 1 lautet »Märkte sind Gespräche«: Darin betonen die Initiatoren die Emanzipation des Verbrauchers im Zeitalter des Internets, den Kontrollverlust auf Organisationsseite und dessen Folgen: »Seit etwa 100 Jahren gehen Unternehmen – zurecht – davon aus, ihre Märkte kontrollieren zu können, indem sie nur ausgewählte Informationen veröffentlichen«, beschreibt Weinberger die frühere Situation vor Erfindung des Internets ein paar Jahre später im Handelsblatt. Während man auf diese Weise nur gefiltertes Wissen erhielt, seien im Zeitalter des Internets die Märkte vernetzt. Die Folge: »Auf einmal stellt sich heraus – vielleicht ein wenig überraschend –, dass vernetzte Kunden mehr über Produkte wissen, als die Unternehmen selbst.«

Mit dem Cluetrain Manifest unterstreichen Weinberger & Co., dass das Internet ein Ort ist, an dem Menschen mit ihren eigenen Stimmen sprechen können. Und zwar über alle Themen, die für sie persönlich von Bedeutung sind. Damit forderten sie direkt die Unternehmen und die Institutionen auf, sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Sie sollten mit ihren Kunden »echte« Gespräche führen – abseits einer »gesichtslosen« Marketing-Kommunikation. Sie müssten sich dazu, so Weinberger, von ihrer reinen Marketing- und PR-Denkweise verabschieden. Stattdessen müssten sie die Internetnutzer besser verstehen und ihnen intensiver zuhören. Nur so würden sie als Organisation die Chancen in einer veränderten Kommunikationslandschaft nutzen.

Cluetrain Manifest ist Realität

Über 20 Jahre später ist nicht nur die Losung des Cluetrain Manifests längst Realität geworden. Die Verwendung von Begriffe wie echte Gespräche, aktives Zuhören, Dialog, Offenheit und Transparenz verdeutlicht, dass dieses Manifest bis heute kaum an Relevanz verloren haben. Stattdessen stellt es noch immer eine der zentralen Basen für eine Kommunikation im digitalen Zeitalter dar.

P.S: Ende 2014 hatten Weinberger und Sears eine Fortsetzung des Cluetrain Manifests formuliert, das sich vor allem mit der Freiheit des Internets auseinandersetzt und dem unbegrenzten Zugang für alle fordert. Die 121 Thesen des »New Clues« lassen sich hier nachlesen. Eine größere Beachtung haben sie bis heute nicht erreicht.

Bisher erschienen in der Serie „Stichwort Wissenswertes“:

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Stichwort Wissenswertes: Das Cluetrain Manifest

Stichwort Wissenswertes: Peter Kruse und die Revolution.

Stichwort Wissenswertes – so heißt eine neue 10-wöchentliche Rubrik, die ich anlässlich der Publikation meines Buches „Die digitale Kommunikationsstrategie“ neu gestartet habe. Dazu habe ich den kleinen Erklärbären aus der Mottenkiste zurückgeholt. Der kann nämlich so schön Geschehnisse, Begriffe, Geschichten erklären, die übrigens alle aus dem Buch stammen. Und genau dies will ich in dieser Rubrik jeden Freitag tun. Schließlich verstehe ich mich selbst als Wissensvermittler – ob in der Funktion eines Consultants, Coachs, Trainers, Buchautors oder des Mit-Diskutanten in Foren und Gruppen. Beginnen möchte ich diese Reihe mit einem der wichtigsten, leider vor fünf Jahren verstorbenen Köpfe und einem der wichtigsten Vorträge für unsere Zukunft: Mit Professor Peter Kruse und seiner „Revolution.

Peter Kruse und die „Revolution“

Es ist Dezember 2011. Vor dem Bundestag erscheint der Psychologe und Unternehmensberater Professor Peter Kruse. Ihm gegenüber die Enquete Kommission für „Internet und digitale Gesellschaft“. Was dann folgt, sind sicherlich dreieinhalb der bedeutendsten Minuten und Aussagen für unsere Zukunft – selbst wenn die meisten der Anwesenden im Raum in diesem Moment die Reichweite der Aussagen nicht wirklich verstehen, geschweige denn beurteilen und einordnen können.

Auf die Frage „Wie beeinflusst das Internet die Gesellschaft“, macht der Vordenker der deutschen Internetgesellschaft in gut 3 Minuten und in einem Stakkato-Tempo deutlich, vor welcher Revolution wir stehen und wie sich Macht gerade neu definiert:

„Das Internet wird die Gesellschaft ganz gravierend verändern. Ich würde sogar den Begriff „Revolution“ nehmen. Es gibt eine grundlegende Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager.“


Starke Kunden, Mitarbeiter, Bürger

Kruse verweist eindringlich auf die gravierenden Veränderungen hin, die auf die Gesellschaft durch das Internet und die immer stärkere Vernetzung zukommen: Auf die kontinuierlich zunehmende Zahl an Kommunikations- und Netzwerkaktivitäten, das damit verbundene ansteigende Datenvolumen und die dazu notwendige Infrastruktur. Er war damit einer der ersten Personen in Deutschland, die sich der Tragweite dieser Entwicklung bewusst waren.

Der Netzwerkexperte führt dies auf die Systemarchitektur zurück, auf eine Kombination »erhöhter Vernetzungsdichte«, »verstärkter Spontan-Aktivitäten« und »kreisender Erregungen«. Diese ließen die Systeme sowie die Menschen durch Zusammenschluss in Bewegungen mächtig werden. Die Gesellschaft würde schlussendlich »einen extrem starken Kunden, einen extrem starken Mitarbeiter, einen extrem starken Bürger« bekommen. Dadurch müssten Kommunikatoren lernen, sich auf Augenhöhe mit ihrem Publikum zu bewegen; sie müssen lernen, Communities zu organisieren und Debatten zu managen.

Lehrstück für Digitalexperten

Heute sind seine Voraussagen längst wahr geworden. Nicht nur deshalb ist sein gut drei Minuten langes Plädoyer für »Intelligente Netze« beziehungsweise »Revolutionäre Netze durch kollektive Bewegung« ein Lehrstück und Muss für jeden Digitalexperten und alle an der digitalen Kommunikation interessierten Menschen. Denn diese Machtverschiebung bekommen wir heute alle zu spüren. Wer beispielsweise einen Blick auf die Bürgerbewegungen und Initiativen im Internet oder auf die Macht von Bewertungsportalen wirft, erkennt schnell, dass die Voraussagen aus dem Jahr 2011 inzwischen wahr geworden sind. Auch die Parallelen zum „Cluetrain Manifest“ sind unübersehbar, das als nächstes Erklärstück folgen wird.


Bisher erschienen in der Serie: Stichwort Wissenswertes:




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