Another End of Social Media?!

Another End of Social Media?!

In den letzten 4 Wochen durfte ich 4 Vorträge halten: zu sehr unterschiedlichen Anlässen, zu sehr unterschiedlichen Themen, an sehr unterschiedlichen Orten. Doch meine Kernaussage war immer dieselbe: Das Ende von Social Media ist da, zumindest so wie wir Social Media bisher kannten. Warum New Friends künftig unsere Best Buddys ersetzen sollen, dies will ich in diesem Gedankenspiel etwas näher erläutern.

Gehen wir ein paar Jahre zurück – sagen wir zu einer Zeit, bevor gerade TikTok die Branche revolutionierte. Wir alle hatten unsere Facebook-, Instagram-, YouTube-, ja sogar XING-Accounts, öffneten (fast) täglich unsere Timeline und ließen uns von den Beiträgen unserer Freunde zum Lachen oder Weinen bringen, zum Fluchen oder Amüsieren oder einfach informieren. Dann kam die Werbung. Doch das war zu erwarten. Dann kam TikTok. Und plötzlich wurde alles anders.

Und nein, damit meine ich nicht die Idee von Kurzvideos. Nein. Denn dies war nix Neues. Aber: Die Freunde, das eigene Netzwerk, die persönlichen Verbindungen waren mit einem Schlag unnötig geworden. Wo einst Connections sowohl für die Inhalte als auch für die Sichtbarkeit der eigenen Inhalte sorgten, waren es plötzlich die Empfehlungen eines Algorithmus‘, der sich nicht mehr an bisherigen Verbindungen, sondern an Interessen orientierte.

Social Media: One-Hit-Wonder ohne Fans

Positiv gesagt: Mit einem Moment war es möglich, mit dem ersten jemals publizierten Video, besser TikTok, eine extreme hohe Sichtbarkeit zu bekommen, einen Run, oft ein One-Hit-Wonder, auf jeden Fall mit hohen Abrufzahlen. Weil der Algorithmus diesen Beitrag so schätzte, weil die gespielten Inhalte, die Hashtags, ja sogar der Sound auf der Plattform aktuell so beliebt waren. Und die eigene Community? Dieser eigene Fankreis spielte keine Rolle; okay, beim ersten Video gab es diesen eh noch nicht. Das heißt: Die algorithmische Beliebtheit des Contents hatte das menschliche Gesicht des Netzwerkes ersetzt.

Und was passierte? Gerade die jungen Menschen – und nur auf diese haben es die Netzwerke abgesehen, wie ich es kürzlich in einem anderen Gedankenspiel geschildert hatte – waren begeistert. Die App-Downloads und Aufrufe gingen durch die Decke, Instagram verlor beträchtlich an Sichtbarkeit und vor allem an Verweildauer, und Mark Zuckerberg brüllte verzweifelt: Wir müssen jünger werden – und dies auf allen Netzwerken. Gesagt, getan.

New Friends statt Best Buddies

Also verabschiedeten sich Instagram und Facebook von „unserem“ Social Media, also von den Inhalten und Interaktionen verbundener Freunde, Fans und Follower. Sie shifteten um zu einem von Algorithmen dominierten, auf Empfehlungen basierenden Modell der Content-Distribution – mit Fokus auf Video. So meinte Mark Z: „Eine der wichtigsten Veränderungen in unserem Geschäft besteht darin, dass soziale Feeds nicht mehr in erster Linie von den Accounts, denen man folgt, angetrieben werden, sondern zunehmend von KI, die Inhalte empfiehlt, die man auf Facebook oder Instagram interessant findet, selbst wenn man den Creatorn nicht unbedingt folgt.“

Diese Umstellung läuft auf Hochtouren, sodass laut Mark bis Ende 2023 der KI-Anteil schon 30 Prozent betragen soll. Und auch wenn Kylie Jenner, der Kardashian-Clan & Co. laut schrien: „Wir wollen die Bilder unserer Freundinnen und Freunde zurück“, blieben Zuck, Adam Mosseri & Co. hart: Die Welt verändert sich, und Instagram und Facebook müssen sich dem anpassen. Wobei sie mit dem Verändern natürlich TikTok meinten.

Friend graphs can’t compete in an algorithmic world

Plötzlich landeten wir überall in derselben Content-Blase, da sich die eingespielten Inhalte am bereits ausgespieltem und beliebtem Content orientierten. Wie langweilig. Warum sollten wir überall das Gleiche mittels der gleichen Formate, Filter, Sounds, Vorlagen posten und sehen? Natürlich wiesen uns die Plattformen eifrig darauf hin, dass wir weit mehr als unsere Blase erleben konnten. Aber erreichte dies uns?

Die Netzwerke lobten, dass wir auf diese Weise Menschen – Creators – besser erreichen könnten, die uns noch nicht kannten. Aber was war mit unseren Connections? Das Ganze wirkte plötzlich so, als würden wir von den Partys unserer Best Buddys ausgeladen werden und stattdessen zu wildfremden Partys geschickt werden, um neue Menschen kennenzulernen. Aber wollen wir das? Und verstehen wir unter dem Begriff „social“ nicht gerade auch die Beziehungspflege mit Friends? „Friend graphs can’t compete in an algorithmic world“, schreibt Michael Mignano in seinem bemerkenswerten und von mir bereits öfters zitierten Essay.

Unternehmen ab in den Extra-Feed

Was lernen wir daraus? Ja, das Ziel dieser TikTokification ist eindeutig: Menschen sind nicht mehr so wichtig. Die Recommendations der Algorithmen mit aktuellem Fokus auf Kurz-Videos bestimmen die Inhalte. Und die Posts unserer Friends & Followers? Die werden wie bei Facebook in die Neben-Feeds verbannt. Und die Inhalte unserer sorgfältig aufgebauten Gruppen? Landen ebenfalls in den Nebenfeed, den kaum jemand wahrnehmen wird.

Und die Seiten der Unternehmen und Institutionen, die über die Jahre so sorgfältig gefüttert worden waren, mit Inhalten, mit viel Zeit, mit intensivem Community Management und mit noch mehr Werbegeldern hochgezüchtet? Ja, auch diese bekommen ihren Extra-Feed – im Abseits. Und sind damit weg aus dem Aufmerksamkeitsfenster des Haupt-Feeds. Und damit auch der bisherigen Fans, Follower, Kundinnen, Partner, Interessenten.

Videos für die jüngeren, Ads für die Älteren

Hmmm, was soll ich denn jetzt als Unternehmen machen? „Schalte Ads“, schreien Facebook, Instagram & Co. „Mache Reels, Shorts und TikToks“, rufen die Social Media Coaches und Agenturen. Und wenn ich über kein gutes Videomaterial verfüge, zumindest nicht kontinuierlich? Pech gehabt. Und wenn meine – damned … – ältere Zielgruppe kein wirklicher Fan von Kurz-Videos ist? Bekommt sie trotzdem. Schade um sie. Zudem bleiben ja noch die Ads.

Aha, jetzt ist mir endlich klar, welche Idee dahintersteckt: die Jungen über Video-Content und angesagte Themen, Hashtags, Sounds, die Älteren über Ads. Ist das dann noch das bekannt-beliebt-bisherige Social Media? Wohl kaum. Es ändert sich einiges. Aber wie sagt man so schön: Wer sich nicht bewegt, der verliert – vor allem an Sichtbarkeit und Relevanz. Wer nicht sichtbar und damit findbar ist, der existiert für die meisten Menschen nicht. Zumindest für die anvisierte junge Zielgruppe.

Revival der integrierten Kommunikation

Damit wird immer klarer, wie die künftige Welt der Kommunikation aussehen wird. Social Media wird bei Zielgruppen, die nicht Generation Z oder Y heißen – und das ist zumindest bei uns die große Mehrheit –, nur noch eine vornehmlich werblich geprägte Nebenrolle spielen. Stattdessen erleben traditionelle Kanäle der digitalen Kommunikation wie Webseiten, E-Mail-Newsletter, Apps, aber auch SEO und SEA ein notwendiges Revival. Weil wir diese Menschen in einer von Algorithmen bestimmten und auf deren Empfehlungen beschränkten Welt ansonsten nicht mehr erreichen.

Ist das eine so große Umstellung? „The chaos at social networks is a reminder that any platform with that kind of power should never be your only – or even your primary – way of communicating with your audiences”, schreibt Allison Carter bei PR Daily.

Aber wussten wir nicht eigentlich schon immer, dass wir uns nicht auf fremde Plattformen allein fokussieren und damit abhängig machen sollten? Eigentlich doch ja. Aber hatte die Begeisterung für die pulsierende Social Media Welt vielleicht diesen Gedanken etwas vernebelt?

Aber das ist ein anderes Thema für ein weiteres Gedankenspiel.

Copyright: Photo by Mike Moloney on StockSnap

Gedankenspiele: Eine Kommunikationswelt im Wandel: Neues Buch, neue Trends, neue Strategien

Gedankenspiele: Eine Kommunikationswelt im Wandel: Neues Buch, neue Trends, neue Strategien

Eine Welt im Wandel, eine Kommunikation im Aufruhr, RIP Social Media, Veränderungskommunikation und Change-Prozesse: Mit solchen Schlagworten lässt sich die Welt der digitalen Kommunikation aktuell bezeichnen. Ein Beispiel: Wenn Recommendation Media der Plattformen immer stärker die einst geteilten Inhalte der User ersetzen: Bedeutet dies das Ende von Social Media? Und welche Folgen hat dies für PR-Strategien? Bekommt dadurch klassische Medienarbeit wieder eine neue Bedeutung? Fragen über Fragen, von denen ich einige in dieser Ausgabe zusammengetragen habe.

In eigener Sache: Neues Buch zur Veränderungskommunikation

  • Playbook: „Veränderungen kommunizieren – Kommunikation verändern“
    Unter diesem Titel erschien Mitte September mein neues Buch zum Thema Veränderungskommunikation. Das Playbook entstand im Rahmen des Projekts „Alle im digitalen Wandel“ an der Hochschule Darmstadt und in Zusammenarbeit mit Thomas Pleil. Darin zeige ich auf, welche zentrale Rolle die Kommunikation in Veränderungsprozessen einnimmt bzw. warum ohne gute Kommunikation jeder Change-Prozess scheitert. Dazu habe ich viele kurze Fallbeispiele und Problemsituationen entwickelt. Das Booklet lässt sich hier kostenlos herunterladen.
  • Gedankenspiel: Analytics – Warum Zahlen nicht immer die Wahrheit sagen.
    Social Media Analytics sind eine Box der vielen Gesichter. Und diese Gesichter sehen beim längeren Nachdenken häufig noch verwirrender aus als beim ersten Eindruck. Warum das so ist? Weil Analyse-Zahlen wie beispielsweise die Engagement-Rate bei LinkedIn nicht einfach nur angesehen werden dürfen, sondern individuell interpretiert werden müssen. Die überraschenden Erkenntnisse beschreibe ich in meinem Gedankenspiel.

3x: Stichwort Strategie

  • The End of Social Media and the Rise of Recommendation Media
    RIP social Media? Bzw.: Wie stark ersetzen Algorithmen die Gewohnheit im Social Web, Inhalte von Freundinnen zu errhalten? In einem lesenswerten Beitrag prognostiziert Michael Mignano: “Recommendation media is here. As a result, we’ll make fewer explicit choices (“these are my friends”) and more implicit choices (“this is where the algorithm recommends I should spend my attention”) about how, when, and why we consume content.” Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich unser Verhalten durch diesen Wandel verändern wird – mit enormen Folgen für die Veränderungskommunikation.
  • Instagram and Facebook in chaos: What PR pros should do
    “The chaos at social networks is a reminder that any platform with that kind of power should never be your only — or even your primary — way of communicating with your audiences.” Die Prognose ist nicht neu aber zentral: Niemand sollte seine Strategie allein auf fremde Plattformen fokussieren. Stattdessen sollten sich Organisationen stärker mit Zielgruppen beschäftigen und insbesondere Newsletter und Medienarbeit stärken. Ein Plädoyer für eine fast schon vergessene PR und Medienarbeit.
  • Umfrage: 50% haben keine Kommunikationsstrategie
    Apropos Veränderungskommunikation: Nur 50% der befragten Unternehmen (D/CH) haben eine feste Strategie für ihre Kommunikationsarbeit verankert. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von gut 250 Kommunikationsprofis durch news aktuell und Faktenkontor. Hindernisse seien Ressourcen, Budget und organisatorische Hemmnisse. Dabei ist eine Strategie doch die Basis für jede gezielte Kommunikation …

3x: Stichwort Sichtbarkeit

  • Texten: F- und Z-Pattern: So werden User durch die Webseite geleitet
    Wie ich auch in meinem Buch »Praxis Online-Texten« schreibe: Das F-Pattern ist ein wichtiges Element, das die Wahrnehmung bzw. das Scanning und Skimming von Inhalten auf einer Webseite abbildet. Es bildet die Usability-Basis für den Aufbau jedes Online-Textes. Wie das Muster genau funktioniert und welche Relevanz auch das Z-Muster bei Landing-Pages hat, listet dieser Beitrag auf.
  • Medienarbeit: Erfolgreich Presseverteiler aufbauen und pflegen
    Den richtigen Ansprechpartner zum optimalen Zeitpunkt mit relevanten Informationen zu versorgen: Dies ist eine der Voraussetzungen erfolgreicher Medienarbeit. Zum Handwerkszeug gehören ein gut strukturierter und gepflegter Presseverteiler. Gute Tipps zum Aufbau, zur Pflege und zur Arbeit mit Presseverteilern finden sich in diesem längeren Blog-Post.
  • SEA: 8 wichtige KPI und Begriffe
    Guter Überblick: Was sind wichtige Kennzahlen beim Suchmaschinenmarketing? Und wie lassen sich diese berechnen? Dieser Beitrag stellt 8 SEA-Kennzahlen vor – von der Click-Through-Rate bis zum durchschnittlichen Warenkorbwert. Tipp: Für die nächste Evaluation abspeichern.

2x: Tools & Tipps

  • E-Mail-Marketing: 5 Tipps für mehr Öffnungen
    Newsletter sind en vogue. Aber nur dann, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Wie sich gerade die Öffnungsrate beeinflussen lässt, dazu helfen diese 5 Tipps unter den Stichworten Absender, Betreff, Pre-Header, Versandpunkt, A/B-Testing.
  • Videos komprimieren: So verkleinern Sie Videodateien
    Videos zu verkleinern, kann aus verschiedenen Gründen Sinn ergeben. Dafür stehen zahlreiche Tools, Programme und Apps zur Verfügung, um Videos auf Rechner oder Smartphone zu komprimieren. Dieser Beitrag stellt einige vor.
Neue Gedankenspiele: 3 Trends, 3 Studien, 3 Tipps

Neue Gedankenspiele: 3 Trends, 3 Studien, 3 Tipps

Die Welt der digitalen Kommunikation dreht sich auch im Jahre 2022 weiter. Und immer schneller. Daher werde ich wieder regelmäßig hier meine Gedankenspiele publizieren – mit eigenen Beiträgen oder mit Lese-Tipps. In dieser Ausgabe liegt der Fokus auf einigen Trendberichten, auf relevanten Studien zur Mediennutzung und einigen hilfreichen Tipps mit Fokus auf LinkedIn und Bildformaten. Übrigens: Wer Lesetipps lieber per Newsletter erhalten will – mit klarem Fokus auf Online-Texten sowie digitale Kommunikationsstrategien: Ganz einfach lässt sich dieser hier abonnieren.


3 Trends rund um digitale Kommunikation

  • SocialDNA mit den relevanten Social Media Trends 2022
    Die Social Media Trends im SocialDNA-Blog zählen zu den spannendsten Analysen. Weil nicht nur die bekannten Trends wie Video Content, Social Audio oder (Corporate) Influencer erwähnt werden, sondern ebenfalls gesellschaftsrelevante Themen wie Digital Detox, Achtsamkeit, Haltung oder CSR. Denn nur mittels solcher Inhalte und wertschöpfendem Mehrwert werden Organisationen künftig noch Sichtbarkeit erhalten.
  • E-Mail-Marketing weiter auf dem Vormarsch
    Ich bin fest davon überzeugt, dass der E-Mail-Boom und die Newsletter-Flut sich 2022 fortsetzen werden. Und dies meine ich – wenn der Content stimmt – aus Versender- wie Empfängersicht durchaus positiv. Zumindest dann, wenn Organisationen sich den aktuellen Herausforderungen stellen. Dieser Blog-Beitrag weist auf 6 Aufgaben kompakt hin.
  • Definition und Einsatzgebiete für Text Automation
    Automatisches Texten mit KI – auch daran werden wir künftig kaum vorankommen. Auch in meinem aktuellen Buch „Praxis Online-Texten“ hatte mein lieber Kollege Andreas Schöning dazu ein Kapitel geschrieben. Einen ähnlichen Ansatz – wenn auch ohne Tools und konkrete Anwendungen – verfolgt dieser Beitrag. Auf jeden Fall macht er deutlich, wie Text Automation funktioniert und welche Chancen sich für Organisationen ergeben.

3 Studien zur Mediennutzung

  • App Annie Studie: Medienkonsum bei TikTok 3x so hoch wie bei Instagram
    State of Mobile 2022“ heißt die aktuelle App Annie Studie. Und sie blickt tief in unsere mobile Nutzung hinein. Daraus lassen sich einige Schlussfolgerungen für die digitale Kommunikation ziehen, wie dieser Beitrag zeigt. Wer sich z. B. mit TikTok als neuen Kanal beschäftigt, bekommt eine (weitere) Entscheidungshilfe. TikTok-Fans verweilen 3x so lange auf ihrem Kanal als Instagrammers.
  • Global Web Index: Nicht nur Generation Z hat genug von der Scheinwelt
    Wenn sich Nutzer – und insbesondere die Gen Z – laut Global Web Index immer stärker von inszenierten Bildern, von einer Scheinwelt, vom perfekten digital geschaffenen Bild entfernen, müssen Unternehmen darauf reagieren. Diese erforderte Authentizität und Transparenz fällt vielen weiterhin schwer. Darum ist es so wichtig, dass ein Umdenken beginnt – wie dieser Beitrag anreißt.
  • E-Mail-Marketing Benchmarks: Nachholbedarf bei den Basics
    E-Mail-Marketing wächst jedes Jahr. Und viele Organisationen haben ihre passenden Newsletter entwickelt. Doch noch stolpern sie über viele Basics, wie die jährlichen „E-Mail-Marketing Benchmarks“ wieder einmal ergeben haben. Dabei sind die eigentlich nicht so schwer zu erfüllen.

3 Tipps mit Fokus LinkedIn

  • 11 Praxistipps für die LinkedIn-Unternehmensseite
    Nicht alle Tipps sind brandneu: Trotzdem ist diese Blog-Serie sehr hilfreich für diejenigen, die mehr aus LinkedIn herausholen wollen – unabhängig, ob dies sich auf ihr persönliches Profil bezieht oder aber auf ein eigenes oder verwaltetes Unternehmensprofil.
  • Ein Leitfaden für LinkedIn-Gruppen
    Angesichts des Information Overloads spielen Gruppen eine immer wichtigere Aufgabe im Bereich digitale Kommunikation. Sie erlauben es, sich auf einzelne Themen zu fokussieren und sich mit anderen auszutauschen, wie zum Beispiel in meiner Gruppe zum „Online-Texten“. Dieser Beitrag liefert eine prima Anleitung, wie sich bei LinkedIn Gruppen erstellen und effektiv nutzen lassen. Vor allem weist er auf die wichtige Ressource hin: Zeit! Denn daran scheitern die meisten Gruppen.
  • Die wichtigen Bildformate für Social-Media-Kanäle 2022
    Ist das praktisch und übersichtlich: Wer gerade dabei ist, die eigenen Social Media-Accounts zu lancieren oder zu überarbeiten, dem wird der Beitrag helfen. Dieser liefert die Bildformate für die einzelnen Social Media Instrumente im schnellen Überblick.
Unsere Sprache benötigt dringend mehr grau!

Unsere Sprache benötigt dringend mehr grau!

Die Diskussion um die verunglückte Kampagne #allesdichtmachen hat eines mal wieder verdeutlicht: Unsere Diskussionskultur ist kaputt. Richtig kaputt. Wir kennen nämlich nur noch schwarz oder weiß, gut oder böse, dafür oder dagegen. Grautöne? Fehlanzeige. Dabei machen diese doch unser Zusammenleben aus, oder?! Ein kleines Plädoyer in den Gedankenspielen für die wunderbare Farbe Grau.

Wer sich die Diskussionen in der vergangenen Woche rund um die misslungene und teils antidemokratisch gefärbte Video-Kampagne #allesdichtmachen näher ansieht oder anhört, dem fällt eines auf: Die Menschen denken hierzulande offenbar ausschließlich in Kategorien: Bist du nicht dafür, dann bist du dagegen. Stimmst du mir nicht zu, gehörst du zu den anderen. Bist du nicht meiner Meinung, liegst du falsch. „In westlichen Gesellschaften macht sich ein gefährlicher Trend bemerkbar: Meinungsfreiheit nur bei denen gut zu finden, die derselben Meinung sind“, beschreibt der Handelsblatt Newsletter diese Haltung ziemlich treffend. Wir bestimmen also, was richtig oder was falsch ist. Und wir bauen um unsere Meinung eine Wagenburg auf und verbannen die Andersdenkenden direkt auf die andere Straßenseite.

Eine kommunikative Spaltung

Nun: Die Diskussionen rund um diese Videoserie sind nur ein weiteres Beispiel dafür, dass es um die hiesige Diskussionskultur wirklich schlecht bestellt ist. Dabei lässt sich diese kommunikative Spaltung – dieses tiefschwarz vs. blütenweiß – schon seit mehreren Jahren beobachten:

  • Stichwort Geflüchtete: Wer nicht Geflüchtete „welcome refugees“ heißt, ist ein Nazi. Und umgekehrt.
  • Stichwort Coronavirus: Wer nicht den Einschätzungen von Drosten & Co. folgt, ist ein Verschwörungstheoretiker. Und umgekehrt.
  • Stichwort gendergerechte Sprache: Wer nicht auf das Gender-Sternchen steht, ist ein Fan des alten weißen Mannes. Und umgekehrt.

Diese Liste ließe sich noch ewig weiter führen. Vielleicht scheinen diese Gegensätze einigen hier übertrieben. Doch werden die Diskussionen genau so geführt – insbesondere in den Sozialen Netzwerken. Übrigens nicht nur in Deutschland. In den USA – Stichwort Trump, Stichwort Black Lives Matter etc. – hat sich die Gesellschaft radikalisiert, was sich dort nicht nur kommunikativ, sondern auch in der Ausgrenzung nur ein bisschen anders denkender Menschen bis hin zu einem fatalen Sturm auf das Kapitol niederschlug. Die Menschen grenzen sich also gegenseitig aus, weil sie die Meinung anderer nicht mehr akzeptieren. Das soll unsere Zukunft sein?

Die Beispiele verdeutlichen, wie stark Sprache und Wörter die Gesellschaft spalten können. Und zwar massiv. Davon profitiert niemand. Ganz im Gegenteil. Wir entfernen uns immer stärker voneinander. Freunde werden zu Gegner, Nachbarn beäugen sich misstrauisch, Freunde werden sprachlos. Und stopp. Es geht nicht darum, alles zuzulassen. Jeder und jede muss eigene Grenzen ziehen – gegenüber antidemokratischem Gedankengut, gegenüber Radikalisierung, gegenüber Menschenverachtung. Jeder muss sich bewusst machen, ab wann es heißt „bis hier hin und nicht weiter“. Aber ist diese Grenze wirklich blütenweiß oder tiefschwarz? Was ist mit den berühmten Zwischentönen, den Grautönen, die für Kommunikation und Diskussion so wichtig sind?

Die wichtige Farbe Grau

Vor rund 25 Jahren gab es eine wundervolle Film-Trilogie des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieslowski: Bleu, Blanc, Rouge – also Blau, Weiß, Rot. Heute möchte ich dieser 3-Farben-Trilogie eine weitere Farbe hinzufügen: Das Grau. Nein, sie ist nicht meine Lieblingsfarbe; ich ziehe den blauen Himmel durchaus dem grauen vor. Aber das Grau ist so eminent wichtig. Und so vielfältig. Schließlich verfügt es über so viele Nuancen: Kühl und warm, dunkel und hell, zurückhaltend und exzentrisch mit hunderten von Abstufungen. Vor allem kommen all diese miteinander so gut aus. Denn „Grau kennt keine Grenzen“, wie das Einrichtungshaus Meyerhoff über die Wandfarbe grau schreibt. Genau dies gilt nicht nur für Böden, Wände oder Decken. Sondern ganz insbesondere auch für die Meinungen von Menschen.

Genau diese Farbe müssen wir wieder dringend in uns entdecken. Wir müssen verstärkt die Töne in der Sprache zulassen, die nicht zu unserem Schwarz oder Weiß gehören – ohne aber unseren eigenen Wertekanon zu verlassen. Folglich müssen wir miteinander sprechen, viel stärker anderen zuhören, sie verstehen zu versuchen, also „gemäßigt miteinander diskutieren, einander kritisieren und Eingeständnissen Respekt zollen„. Ansonsten bewegen wir uns nur noch in unserer kleinen Blase.

Sprachlich „abrüsten“ Richtung Diskussionskultur

Grau ist alles andere als trist. Es ist die wichtige Verbindung zwischen den Polen schwarz und weiß. Und genau auf dieser endlosen Grau-Skala zwischen diesen beiden Polen müssen wir uns vorsichtig annähern – und miteinander zu kommunizieren versuchen. Nur dann werden wir es vermeiden, dass sich unsere Gesellschaft noch stärker in zwei Lager aufteilt. Der Schauspieler Ulrich Matthes meint: „Ich kann wirklich nur geradezu flehentlich darum bitten, auf beiden Seiten abzurüsten, miteinander im Gespräch zu bleiben oder überhaupt wieder ins Gespräch zu kommen.“

Dieses Flehen muss jedoch dringend weit über diese eine Video-Aktion hinweggehen. Sie muss unsere gesamte Diskussionskultur erfassen. Ansonsten werden wir uns irgendwann nur noch in unseren klar abgrenzten Blasen und Lagern befinden, die sich feindlich gegenüber stehen. Und davon wird letztendlich niemand profitieren. Diskussionskultur? Fehlanzeige. Schade. Um uns alle.