Ana­ly­tics: War­um Zah­len nicht immer die Wahr­heit sagen.

26.09.2022

Social Media Ana­ly­tics sind eine Box der vie­len Gesich­ter. Und die­se Gesich­ter sehen beim län­ge­ren Nach­den­ken meist noch ver­wir­ren­der aus als beim ers­ten Ein­druck. War­um das so ist? Weil Zah­len wie die Enga­ge­ment-Rate nicht ein­fach nur ange­se­hen wer­den dür­fen, son­dern indi­vi­du­ell inter­pre­tiert wer­den müs­sen – mit oft wirk­lich über­ra­schen­den Ergebnissen.

Ver­gan­ge­nen Monat gab ich ein län­ge­res Coa­ching. In einer span­nen­den Fir­ma und mit neu­gie­ri­gen Men­schen dis­ku­tier­ten wir die bis­he­ri­ge und die künf­ti­ge Aus­rich­tung ihrer Social Media Akti­vi­tä­ten. Natür­lich haben wir uns dabei aus­führ­lich der Eva­lua­ti­on gewid­met und lan­ge über Ana­ly­se und Moni­to­ring, über Metri­ken und KPIs gespro­chen. Und über die diver­sen Zah­len, wel­che uns die Platt­for­men selbst und exter­ne Tools so alles aus­wer­fen. Dabei tauch­ten eini­ge Fra­ge­zei­chen auf.

Auch wenn ich schon auf über 20 Jah­re Erfah­rung im Bereich der digi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­on zurück­grei­fen kann: Zah­len kön­nen ganz schön ver­wir­rend sein, und kann der ers­te Ein­druck die Wahr­heit über­de­cken oder zumin­dest ver­dun­keln. Ein­fach erklärt: Wer sich mit der Ana­ly­se sei­ner Lin­ke­dIn-Posts beschäf­tigt, der wird sich die fol­gen­den Metri­ken fast täg­lich näher ansehen:

Überblick über Social Media Metriken wie der Engagement-Rate am Beispiel von LinkedIn
Über­blick über Social Media Metri­ken am Bei­spiel von LinkedIn

Pra­xis: 4 Bei­trä­ge und ihre jewei­li­ge Engagement-Rate

Doch schon solch schein­bar ein­fach ables­ba­re Zah­len laden zu kräf­ti­gen Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen ein. Neh­men wir uns 4 Posts und ver­glei­chen sie mit­ein­an­der – gera­de bezo­gen auf ihre Enga­ge­ment-Rate bzw. ihre Interaktionen.

  • Post 1: Der 1. Link-Post hat 5.000 Impres­sio­nen erreicht, 190 Likes, 5 Kom­men­ta­re und 5 Shares. Die Inter­ak­ti­ons­ra­te beträgt also 200 Inter­ak­tio­nen : 5.000 Impres­si­ons x 100 = 4%
  • Post 2: Der 2. Link-Post hat 10.000 Impres­sio­nen erreicht, 15 Likes und 10 Kom­men­ta­re.
    Die Inter­ak­ti­ons­ra­te beträgt also 25 Inter­ak­tio­nen : 10.000 Impres­sio­nen x 100 = 0,25%
  • Post 3: Der 3. Link-Post hat 2.500 Impres­sio­nen erreicht, 45 Likes und 5 Shares.
    Die Inter­ak­ti­ons­ra­te beträgt also 50 Inter­ak­tio­nen : 2.500 Impres­sio­nen x 100 = 2%
  • Post 4: Der 4. Video-Posts hat 4.000 Impres­sio­nen erreicht, 20 Likes, weder Kom­men­ta­re noch Shares. Die Inter­ak­ti­ons­ra­te beträgt also 20 Inter­ak­tio­nen : 4.000 x 100 = 0,5%

Enga­ge­ment-Rate: Ach­tung vor Fehlinterpretationen

Eine Enga­ge­ment-Rate bezif­fert die Zahl der Inter­ak­tio­nen mit dem eige­nen Bei­trag. Dazu wer­den die Inter­ak­tio­nen addiert. Wel­che Fol­ge­run­gen las­sen sich dar­aus ziehen?

  • Der 1. Bei­trag ist recht erfolg­reich. Die vie­len Likes sowie 5 Kom­men­ta­re haben zum Erfolg beigetragen.
  • Die Inter­ak­ti­ons­ra­te des 2. Posts ist am gerings­ten – die Ver­brei­tung aber am größ­ten. Dies lässt sich auf die Macht der Kom­men­ta­re – Stich­wort „meaningful con­ver­sa­ti­ons“ zurück­füh­ren. Die Kom­men­ta­re waren jedoch zum größ­ten Teil eher kri­tisch bis nega­tiv. Dies erklärt übri­gens auch, war­um der Bei­trag ver­hält­nis­mä­ßig wenig Likes erhal­ten hat.
  • Die Inter­ak­ti­ons­ra­te des 3. Bei­tra­ges ist am höchs­ten, die Ver­brei­tung aber gering. Zwar hat er für Inter­ak­ti­on gesorgt; jedoch feh­len die bei Lin­ke­dIn wich­ti­gen Kommentare.
  • Die Inter­ak­ti­ons­ra­te beim 4. Bei­trag spiel­te gar kei­ne ent­schei­den­de Rol­le. Denn hier han­del­te es sich um einen kom­pak­ten Text mit ein­ge­bet­te­tem Video. Ziel war hier nicht die akti­ve Ein­bin­dung der Com­mu­ni­ty durch Anzahl der Kom­men­ta­re, son­dern Ver­weil­dau­er/­Vi­deo-Views. Die­se waren in die Berech­nung der Inter­ak­ti­ons­ra­te jedoch nicht eingeflossen.

Key Lear­nings: Inter­ak­ti­ons­ra­te mit begrenz­ter Aussagekraft

Natür­lich ist die Ana­ly­se die­ses Bei­spiel nur sehr ober­fläch­lich. Und doch las­sen sich ein paar inter­es­san­te Erkennt­nis­se ziehen:

  1. Hohe Inter­ak­ti­ons­ra­ten bedeu­ten nicht gleich­zei­tig hohe Ver­brei­tung. Sie sagt oft auch nichts aus über die Sicht­bar­keit und Qua­li­tät eines Bei­tra­ges. Kern­pro­blem: In der Berech­nung sind Likes, Kom­men­ta­re, Shares, Saves etc. gleich gewich­tet. Dabei haben die­se Signa­le je Platt­form äußerst unter­schied­li­che Aus­wir­kun­gen. So ist bekannt, dass bei Lin­ke­dIn gera­de Kom­men­ta­re eine wesent­li­che Rol­le bei der Ver­brei­tung von Bei­trä­gen spie­len, woge­gen es bei Shares nega­tiv „Sha­ring is sca­ry“ heißt. So müss­te man bei der kor­rek­ten Berech­nung der Enga­ge­ment-Rate eigent­lich die Signa­le unter­schied­lich gewich­ten – mit grö­ße­rem Gewicht bei Comm­ents bei Lin­ke­dIn; bei Insta­gram wären es bei­spiels­wei­se die Saves, die eine höhe­re Rele­vanz erhal­ten müssten.
  2. Eine hohe Inter­ak­ti­ons­ra­te muss nicht immer unbe­dingt glück­lich stim­men. Es könn­te auch sein – wie im Bei­spiel -, dass das The­ma die Men­schen stark ver­är­gert oder nega­tiv berührt hat und sich des­halb vie­le zu die­sem The­ma nega­tiv und kri­tisch äußern woll­ten. Durch die Viel­zahl ihrer Kom­men­ta­re bekommt der Bei­trag eine kräf­ti­ge Sicht­bar­keit und wird durch ein auf­merk­sa­mes Com­mu­ni­ty-Manage­ment und die Beant­wor­tung der kri­ti­schen Kom­men­ta­re wei­ter gepusht. Platt gesagt: Hol dir eine Kri­se ins Haus, schon stimmt es mit der Inter­ak­ti­ons­ra­te – und der Sicht­bar­keit, die natür­lich nie­mand so will.
  3. Bei­trä­ge las­sen sich nicht immer ver­glei­chen, da oft hin­ter den Bei­trä­gen ganz unter­schied­li­che Zie­le ste­hen. Ein­fach gesagt: Es las­sen sich nur Bei­trä­ge mit den­sel­ben Zie­len mit­ein­an­der ver­glei­chen. Dabei hilft es manch­mal, sich solch eine Über­sicht zu erstel­len, um Erfol­ge und Miss­erfol­ge schnel­ler iden­ti­fi­zie­ren zu können.
Das Zusammenwirken von Social Media Metriken und Zielen – hier am Beispiel von LinkedIn.
Das Zusam­men­wir­ken von Social Media Metri­ken und Zie­len – hier am Bei­spiel von LinkedIn.

Fazit: Inter­pre­tie­ren statt ablesen

Wie gesagt: Jedes pro­fes­sio­nel­les Social Media Manage­ment benö­tigt heu­te sau­be­re Social Media Ana­ly­tics. Den pas­sen­den Metri­ken kann man nicht genug Rele­vanz bei­mes­sen. Nur soll­ten die Zah­len nicht nur ein­fach abge­le­sen und in die eige­ne Sta­tis­tik über­nom­men wer­den; sie müs­sen sorg­fäl­tig inter­pre­tiert wer­den. Auch dies zählt zu digi­ta­ler Kompetenz.

Auch soll­ten sie zusätz­lich in Ver­bin­dung mit den Unter­neh­mens­zie­len gebracht wer­den. War­um gera­de dies laut einer Ago­ra­pul­se-Umfra­ge nur 41 % der Unter­neh­men machen, wie die­ser auf­schluss­rei­che Bei­trag auf online​mar​ke​ting​.de auf­zeigt, bleibt mir hin­ge­gen ein Rät­sel. Denn war­um betrei­ben die dann über­haupt eine Social Media Kom­mu­ni­ka­ti­on? Aber das ist wie­der­um ein ande­res The­ma für ein ande­res, ein wei­te­res Gedankenspiel.

Lese-Tipp: Mit wirk­lich rele­van­ten vs. oft falsch blen­den­den Metrics beschäf­tigt sich auch die­ser gute Bei­trag im Hub­s­pot-Blog zum The­ma Analytics.

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Bild­nach­weis: Pho­to by Ste­phen Daw­son on Uns­plash

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