Die Umbenennung von Twitter in X ist sicherlich kein Glanzstück. Ganz im Gegenteil. Der ganze Prozess ist bislang ein zweifelhaftes Schauspiel, das gerade strategisch mehr Scherben als Klarheiten hinterlässt. Auf der anderen Seite wird Twitter rückblickend viel zu heroenhaft beschrieben. Und das sage ich als jahrelanger Twitter-Fan- und -Trainer. Ein Gedankenspiel über das Gestern und das eventuelle Morgen.
Auch wenn in den letzten Tagen vieles über Twitter und X geschrieben wurde: Einiges wird bei dem großen Ärger über und der Häme gegenüber Musk »großzügig« übersehen oder vergessen. 3 Gedanken dazu.
1. Twitter lag schon vor Musk am Boden
„Kaum liegt Twitter am Boden, ändert Elon Musk das Logo“, heißt es beim GameStar.
Moment. Twitter lag schon seit vielen Jahren am Boden. Gerade finanziell. Werbeformate floppten, die Plattform machte Verluste und verbrannte täglich 4 Mio. US-Dollar. Sie lebte nur vom Kapital seiner Geldgeber. Warum? Weil die Gründer auch nach zig Jahren kein Geschäfts- und Werbemodell gefunden hatten – im Unterschied zu Meta & Co. Dass sich daran etwas ändern musste, war klar. Sonst wäre Twitter eh am Ende gewesen.
Kein Werbemodell Dazu haben übrigens wir Kommunikations- und Marketingleute, wir Medienleute und PR-Fachleute, wir Unternehmens-Unterstützerinnen und Organisations-Positionierer unseren Beitrag geleistet. Denn wie viele Ads haben wir auf Twitter geschaltet? Gerade im Vergleich zu Instagram, Facebook, LinkedIn & Co.? In der ach so schönen Zeit vor Musk? Anders gefragt: Wie viele interessante Ads haben mich in der Vergangenheit zum Gucken, Klicken oder Kaufen gebracht? Wenige, sehr wenige.
Bei Trends versagt Doch nicht nur beim Aufbau eines Werbe- und Innovationsprogramms hat Twitters Produktteam versagt. Auch bei der Übernahme von StartUps. Ein Beispiel: Im Jahre 2012 übernahm Twitter Vine – die damals führende Kurzvideo-App. Was für eine Chance, gerade wenn wir uns das enorme Werbepotenzial heute bei Instagram, TikTok und YouTube betrachtet! Twitter hatte mit der 6-Sekunden-App den Jackpot gekauft und beste Voraussetzungen, der künftige Leader zu sein. Doch was machte Twitter stattdessen? Es stellte Vine 2017 ein.
„Was die Leute dort anfassten, zerfiel in ihren Händen zu grauem, nervigem Staub, Twitter hat kein einziges der vielen neu dazu gekauften Start-ups irgendwie sinnvoll integriert“, schreibt Sascha Lobo in seiner Spiegel-Kolumne.
Stimmt. Leider. Schade.
Kompakt formuliert: Twitter lag vor Musk schon am Boden. Doch niemand wollte dies sehen.
2. Twitter spielt nur eine kleine Rolle in einem Großen.
„Was für Steve Jobs das i, soll für Elon Musk das X werden“, blickt Sascha Lobo auf den X-Wechsel.
Stimmt. War die Twitter-Umbenennung also eine Überraschung? Nein. Der Schritt konnte niemanden überraschen. Dass Musk Twitter radikal umbauen musste und würde, war klar. (siehe Punkt 1). Hinzu kommt Musks Faszination für den Buchstaben X (SpaceX, X.ai, X als Vorname etc.). Schon 1999 hatte er die Online-Bank X.com gegründet, die später in PayPal aufging. Seit 2017 ist die Webseite X.com die Basis seiner StartUps.
Auf den Spuren von Steve Jobs Musks X-Traum war allen bekannt: WeChat made in the USA. Also eine mächtige, alles integrierende Multifunktions-App – Kommunikation, Shopping, Banking, Payment, Gaming samt App-Store – einfach eine App für alles. Davon hatte Musk immer gesprochen. Dass er Twitter in X integrieren würde, war damit klar. Schließlich zählte es bereits seit Frühjahr 2023 zur X-Corporation.
Elon Musk hatte sich damit klar auf die Fährte von Steve Jobs begeben: Um einen einzigen ikonischen Buchstaben als Gesicht einer Marke herum eine eigene Marken- und Unternehmenswelt aufzubauen. Nur dass das „i“ bei Steve Jobs heute bei Elon Musk „X“ heißt.
Kompakt formuliert: Für Musk spielt Twitter eine kleine Rolle – innerhalb der viel größeren X-Idee. Doch kann es sich durchaus als Basis eignen, weitere funktionierende Services zu integrieren.
3. Musk hat eine Chance vertan. Aus heutiger Sicht.
„Elon Musk ist ein Meister des Ankündigens und des Erhaschens von Aufmerksamkeit“, schreibt der Markenexperte Karsten Kilian bei basicthinking.
Richtig. Nur hat er in der Vergangenheit seine Ankündigungen fast immer erfüllt. Welche Strategie verfolgt Musk aber bei Twitter? Hat er einen Plan für den nächsten Schritt? Eigentlich habe ich ihn in der Vergangenheit über Bücher und Beiträge so kennengelernt.
Doch gerade der Zeitpunkt lässt mich zweifeln: Warum hat er diesen Wechsel jetzt vollzogen, ohne seine X-Strategie damit zu verbinden und einen großen Plan auszurollen? Dann hätte doch jeder neugierig gewagt: „Guck mal, was Musk aus Twitter macht. Etwas viel Größeres. Spannend!“ Warum hat er dieses Momentum, diese mediale Chance verstreichen lassen?
Radikaler Wandel ohne großen Plan? Und warum hat er radikal eine solch etablierte Marke wie Twitter aufgegeben und einen Teil des Markenwertes damit zerstört? „Das ist, wie wenn man Coca-Cola kauft und die ikonische Flasche austauscht, ohne das Produkt zu verändern“, so ein US-Finanzprofessor in einem Tagesschau-Beitrag. Oder will uns Musk – wieder einmal – überraschen?
Dass Musk diesen radikalen Wandel vollzieht – dies kann nicht wirklich überraschen. Dass er diesen Wechsel aber mit so vielen Fragezeichen garniert, das hätte ich mir niemals vorstellen können. Musk aber dafür als „Elefant im Porzellanladen“, als „Zerstörer“ zu bezeichnen, wie in vielen Medien zu lesen, dies beweist wenig Verständnis für das große Ganze.
Kompakt formuliert: Aus strategischer Sicht war es durchaus sinnvoll, Twitter umzubenennen. Aber nur dann, wenn möglichst bald der große Schritt erfolgt. Falls es diesen gibt.
Wie jedes Jahr bieten die bevorstehenden Sommerferien einen willkommenen Moment der Ruhe, des Nachdenkens, des Neuorientierens, des In-Sich-Gehens, des In-Frage-Stellens – und auch des Digital Detox. Raus aus den eigenen Blasen? Für viele undenkbar, wie eine aktuelle Bitkom-Studie aufzeigte. Danach konnte über die Hälfte der Befragten nur wenige Stunden den sozialen Medien fernbleiben. Eigentlich das typische Zeichen eines Suchtverhaltens.
Doch ob Sucht oder nicht: Etwas Digitaler Detox tut uns mit Sicherheit allen gut. Auch mir. Darum werden meine Lesetipps erst wieder im September erscheinen. Heute habe ich aber nochmals 10 Beiträge zusammengestellt.
Frisch publiziert:
LinkedIn oder das (Un-)Leben in Blasen Leben wir in Blasen? Gerade auch auf LinkedIn? Ich glaube ja – und zwar immer stärker. Unser Land scheint sich in die Filterblasen der Aufmerksamkeitsgesellschaft aufzuteilen. Mein ganz persönliches Gedankenspiel über einen Welt-Artikel, über Filterblasen und über das Fehlen einer Kommunikation, die vieles erleichtern würde.
Neues aus der Studienwelt:
Reuters Digital News Report: News-Interesse nimmt ab Beunruhigend: Immer weniger Menschen interessieren sich in Deutschland für Nachrichten. Stattdessen versuchen sie immer mehr aktiv, Nachrichten zu vermeiden. Auch das Vertrauen in News geht weiter zurück. So 3 Ergebnisse aus der deutschen Teilstudie des „Reuters Institute Digital News Report 2023“. Und ja: Selbst als News-Junkie ziehe ich mich immer stärker aus der täglichen Berichterstattung zurück.
Social Media Index: Medien verlieren bei Facebook an Reichweite Nicht überraschend: Laut Social Media Index verlieren Medienhäuser und News-Anbieter bei Facebook an Sichtbarkeit. So sind deren Zugriffszahlen kräftig gesunken, da Facebook gerade Beiträge mit Links kaum mehr anzeigt. Damit zeigt sich mal wieder, dass eine Abhängigkeit von einer Plattform keine wirklich strategisch kluge Denke ist.
Über echte und künstliche Inhalte:
Wie menschlichere Inhalte bei der Content-Flut helfen Wie finden wir einen Ausweg aus der Content-Flut? Auch dank ChatGPT & Co. stehen wir vor einer weiteren Welle der Content-Schwemme. Für Falk Hedemann könnten menschlichere Inhalte ein Ausweg sein – also persönliche Erfahrungen, Meinungen, Einschätzungen, Dialoge. Sein hervorragender Beitrag lädt zum Nachdenken ein.
Welche Inhalte Menschen zum «Scroll-Stopp» bringen Welche Inhalte bringen Menschen zum „Scroll-stopp“? Verhindern also, dass sie weiter durch den Feed scrollen, sondern mit dem Beitrag interagieren? Dieser Beitrag liefert 10 Methoden samt Content-Ideen, wie Beiträge in der Menge auffallen.
Wie für Social Media richtig zu prompten ist Wie lassen sich Prompts im Bereich Social Media einsetzen? Schon in der Free-Ausgabe des Social Media Best-Practice Newsletters wird aufgezeigt, wie Prompts zu formulieren sind und wie sie sich für die Social Media Arbeit dann nutzen lassen.
Welche 10 ChatGPT Plugins helfen können Die Zahl der ChatGPT Plugins wächst scheinbar täglich, die Übersicht wird immer schwieriger. Wie gut, dass Jens Polomski sich mal wieder 10 Plugins herausgepickt hat, die im Bereich digitaler Kommunikation hilfreich sein könnten.
Über Strategien und Kanäle:
Spickzettel: Tipps für das Social-Media-Marketing Wie oft soll ich posten? Wie viele Hashtags nutzen? Welches Format macht am meisten Sinn? Gerade Menschen, die sich nicht 24/7 mit sozialen Medien beschäftigen und nicht ständig auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können, suchen nach Leitplanken. Felix Beilharz hat dazu ein hilfreiches Cheat Sheet erstellt.
E-Mail-Marketing: So lässt sich Vertrauen schaffen Nur über eine enge Beziehung zwischen Sender und Empfänger lässt sich gute Kommunikation aufbauen. Beim E-Mail-Marketing spielen das Zuhören und das Vertrauen die Kernrollen. Ein Beitrag über E-Mail-Authentifizierung, Verteiler-Segmentierung, Content-Verweildauer sowie Bounce- und Beschwerdemanagement.
Threads: Twitter künftiger Wettbewerber geleaked „Threads“ – so heißt die neue Twitter-Alternative von Meta, wie The Verge berichtet, die letzte Woche in den USA und in UK gestartet ist. Die Screenshots laufen noch unter dem Codename „Project 92“. Das Besondere: Durch die ActivityPub-Applikation wird jeder seine Follower aus anderen Netzwerken wie Mastodon mitnehmen können. Entstehen neue Blasen?
Vor knapp einem Monat war die Aufregung groß über einen Welt-Artikel. Vor allem auf LinkedIn. Sein Titel: »Das Ende der Leistungsgesellschaft naht«. Weil laut der Autorin Emotionen wichtiger als Leistung sind – gerade im Epizentrum namens LinkedIn. Wer sich die positiven Reaktionen auf den Beitrag auf der Welt-Webseite ansieht, bekommt ein ganz anderes Bild. Leben wir also wirklich auf LinkedIn in einer Blase? Ich denke ja – immer stärker.
»Für die berufliche Online-Identität sind heute Emotionen wichtiger als Leistung (…). Likes von Fremden zählen mehr als Kritik von Kollegen. Die Karriere-Plattform LinkedIn ist das Epizentrum dieses Phänomens, wo die intellektuelle Kapitulation der Leistungsträger stattfindet.«
Auf LinkedIn sorgte ihr Beitrag für viel Häme und Kritik. Und auf Welt.de selbst? Fast einhellige Zustimmung. 2.681 teilten die Meinung der Autorin unter dem Welt-Artikel, 221 nicht, also knapp 10 %. Mhhh. Hat sie vielleicht recht? Ich glaube schon.
Auf dem Laufsteg der Eitelkeiten
Gut lässt sich beobachten, wie sich LinkedIn in den letzten ein bis zwei Jahren immer stärker auch zu einem Laufsteg der Eitelkeiten entwickelt hat: Die inspirierenden Erfolgsgeschichten, mit den hypersympathischen Kundinnen, vom besten Arbeitgeber der Welt, über das Aufstehen nach Misserfolgen und Rückschlägen und dem eigenen Weg, wie ich mich und meine Familie aus einer Krise befreite.
Meist werden diese Beiträge garniert mit rührender Emotionalität oder aber inspirierendem Pathos und begleitet von einem Porträt, das möglichst natürlich in die Kamera blickt (wie bei der Welt-Autorin übrigens selbst 😉) – oder – ganz angesagt – aus einer KI-Werkstatt herstammt. Gepusht von einem Algorithmus, der Beiträgen mit Porträts eine größere Sichtbarkeit gibt – auch weil wir alle auf Bilder abfahren.
In einer Welt der aktuellen Krisen und Bedrohungen scheint (nur) auf LinkedIn eine wahre Goldgräberstimmung zu herrschen, Tag und Nacht, rund um die Uhr – Expertise für jedes Thema, wie Thomas Hutter schreibt. Eine Welt der eigenen Erfolge und bemerkenswerten Storys. Und dies mit teils hohen Abrufzahlen.
Intellektuelle Kapitulation
Ist LinkedIn also eine Scheinwelt? Ein Paradies der Selbstdarstellung und Oberflächlichkeit? Und wir wollen uns von den Illusionen einfach berauschen lassen?
Hat eine gut ausgebildete Masse wirklich beschlossen, „dass Selbstdarstellung ihrer Arbeit wichtiger ist als die eigentliche Leistung“, wie Valerie Wagner kommentiert? Dass in einer von Krisen geplagten Welt Emotionen und Empfindsamkeiten mehr als Ratio und Aufklärung zählen und dass die Bestätigung von (new) Friends & Partners erstrebenswerter als Kritik, Reibung, Aufklärung?
Dass die Leistungsgesellschaft also intellektuell kapituliert hat, was Zimmerer als »LinkedInisierung« bezeichnet?
Ich hoffe nicht!
Denn wollen wir auf LinkedIn nicht eigentlich den inhaltlichen Austausch? Sprechen wir nicht vom Themensetting? Von der Positionierung als Expertin? Von der fachthematischen Auseinandersetzung?
Ich weiß: Über Hashtags sowie das Ein- und Ausblenden von Beiträgen und Accounts kann ich mir meine Timeline gestalten und auf meine eigenen Wünsche ausrichten. Trotzdem bleibt diese Entwicklung sichtbar.
Das Blasenleben geht inhaltlich weiter
Apropos inhaltliche Auseinandersetzung: Natürlich hat sich auf LinkedIn eine Diskussionskultur entwickelt. Solange man einer Meinung ist. Wenn ich mir viele Kommentarverläufe ansehe, dann gilt: Wer nicht dafür ist, ist eine Gegnerin. So wie in jeder Blase. Und davon gibt es eine Menge. Wer gegen das Gendern ist, wird entfolgt. Wer nicht grün und rot kommuniziert, verliert an Followern. Wer dem Abgesang auf Habeck folgt, ist ein Gegner der Moderne. Ich überziehe bewusst etwas. Aber nur etwas.
Ist LinkedIn also die oft erwähnte links-politische Blase der digitalen Gesellschaft? Im Unterschied zu den eher konservativen Blasen auf Facebook, Twitter und natürlich Telegram? In meiner Blase scheint dies auf jeden Fall so zu gelten.
Filterblasen der Aufmerksamkeitsgesellschaft
Ja, wir leben bei LinkedIn in einer Blase. Zusammen mit weiteren 19 Mio. Mitgliedern aus dem DACH-Raum, von denen aber nur ein geringer Prozentsatz aktiv ist. Und noch einmal: Hat sich diese Gemeinschaft von der Bevölkerung entfernt? Zumindest spiegeln Studien wie die ARD-ZDF-Onlinestudie (=> Meine wichtigsten Ergebnisse) und der D21-Digital-Index (=> Meine Gedanken dazu) eine gespaltene Gesellschaft wider, wenn beispielsweise über ein Viertel in der Digitalisierung sogar eine Gefahr für die Demokratie sieht.
Die digital affinen, fortschrittlichen, aber begrenzt wirtschaftsfreundlichen Menschen also auf LinkedIn? Die zurückgebliebenen Weißhaarigen bei den Talkshows und bei Facebook? Das wäre wieder viel zu einfach gedacht. Es verdeutlicht nur, dass sich unser Land immer stärker in die Filterblasen der Aufmerksamkeitsgesellschaft aufzuteilen scheint. Und jede Rechenschaft sich nur ihrer eigenen Blase gegenüber verpflichtet fühlt.
Mangel an Kommunikation
Diese Blasen wären weit weniger schlimm, wenn wir uns verstehen und wir nicht so weit voneinander entfernt stehen würden. Dafür mangelt es an der Kommunikation, da viele konträren Gruppen nicht miteinander reden. Wenn sich selbst die Generation TikTok und die LinkedIn Community etwas verständnislos gegenüberstehen, wie Ralf Scharnhorst schildert, wenn also nicht einmal die User von zwei der größten Social Media Communitys – ja, Communitys, also etwas mitsprechen, austauschen, kommentieren, streiten, loben, lieben – dies können, wie sieht es dann mit anderen Blasen aus? Wie sollen wir dann uns verständigen?
„Ein bewusster Umgang miteinander würde uns auf allen Social-Media-Plattformen guttun“, kommentiert Katja Evertz richtig. „Nur funktionieren und vor allem reagieren wir so nicht.“ Richtig. Stattdessen machen es sich viele zu einfach, wie sie weiter schreibt. »Man kann LinkedIn und Co. natürlich vorwerfen, sie würden uns mit den Algorithmen manipulieren. Damit so ein Spiel funktioniert, braucht es immer auch die Menschen, die mitspielen, oder?«
„Wir müssen verstärkt die Töne in der Sprache zulassen, die nicht zu unserem Schwarz oder Weiß gehören – ohne aber unseren eigenen Wertekanon zu verlassen. Folglich müssen wir miteinander sprechen, viel stärker anderen zuhören, sie verstehen zu versuchen, also gemäßigt miteinander diskutieren, einander kritisieren und Eingeständnissen Respekt zollen. Ansonsten bewegen wir uns nur noch in unserer kleinen Blase.“
Dies gilt bis heute. Auch auf LinkedIn müssen wir uns darauf wieder stärker einlassen, auch die Meinungen anderer nicht unbedingt gutheißen, aber zumindest akzeptieren. Denn dann kann aus diesen Netzwerken wirklich wieder eine Debattenplattform werden – und keine Plattform der Selbstdarsteller, die niemand von uns wirklich voranbringt – ob in Karriere oder im Leben.
Heute beginnt die re:publica in Berlin. Auch für mich zählt sie zu den wenigen wirklich wichtigen Branchentreffen – auch gerne Klassentreffen genannt -, um speziell nach der langen Corona-Zeit mich mit bekannten und unbekannten Gesichtern zu treffen und auszutauschen. Beim Blick auf das diesjährige Programm ist – wenig überraschend – ein Schwerpunkt ersichtlich: das Thema KI. Darum darf es auch nicht überraschen, dass 4 dieser 10 Lesetipps sich ebenfalls um den Umgang mit KI wieder drehen. So please enjoy it!
In eigener Sache.
LinkedIn: Diese 7 Chrome-Plugins helfen mir täglich Ob Mensch oder Organisation: Immer mehr wollen die Chance ergreifen, sich auf LinkedIn mit anderen erfolgreich zu vernetzen, inhaltlich zu positionieren und fachlich ins Gespräch zu kommen. Dabei gibt es einige LinkedIn Plugins speziell für Chrome-Browser, die hilfreich sein können. In diesem Beitrag stelle ich die 7 Erweiterungen vor, die ich selbst gerne nutze, weil sie mir enorm viel Zeit ersparen.
Strategien.
Strategie: 10 Zukunftstrends für Unternehmen Welches sind die Anforderungen, auf die Unternehmen eine Antwort finden müssen? Die Unternehmensberatung McKinsey hat die Entscheider aus über 2.500 Unternehmen dazu befragt und 10 Zukunftstrends identifiziert. Das Spannende: Fast alle sind eng mit kommunikativen Aufgaben verbunden: Resilienz, hybrides Arbeiten, KI, Bindung von Mitarbeitenden, digitale Fähigkeiten, Personalsuche, Führung, Vielfalt, mentale Gesundheit und Effizienz. Der Branche wird es wohl nicht langweilig.
Influencer: So wird mit KPIs und der Non-Persistenz getrickst Beim viel diskutierten OMR-Festival gab es durchaus spannende Einblicke. Wie z.B. vom Content Creator und Nindo-Gründer Rezo über Fallstricke beim Influencer Marketing, die Gefahren von non-persistenten Social Media Postings und die Bedeutung von Daten. Wer sich mit Influencern und deren manchmal etwas anderen Kennzahlen auseinandersetzt, sollte dieses Video kennen.
A/B Tests: Tipps für die verbesserte Newsletter Performance A/B-Tests gehören zu jedem E-Mail-Marketing. Nur so lassen sich Mailings an der Zielgruppe strategisch ausrichten. Dabei können A/B-Tests vielfältig sein. Oder wer hat nicht nur Texte, Bilder und Call-to-Action-Buttons verglichen, sondern auch Absender, Preheader, Betreff, Layout, Sendezeit oder die Platzierung von Social Media Buttons? Nur bei der Frequenz wäre ich aus rechtlichen Gründen vorsichtig.
Algorithmen.
Instagram: So funktioniert der Algorithmus Wie funktioniert der Instagram-Algorithmus? Und wie müssen daher Inhalte aufbereitet werden, damit sie eine möglichst gute Sichtbarkeit erhalten? Zu dieser Frage gibt es viele Beiträge und Meinungen. Spannend ist, dass jetzt Instagram selbst im Blog einen Beitrag publiziert hat, wie Content im Feed, in Reels, bei Storys und der Suche gerankt werden. Lesenswert!
LinkedIn: Daten und Fakten zur richtigen Strategie 2023 Auf der Basis der LinkedIn-Auswertung von Richard van der Blom sind viele Infografiken entstanden, um das richtige Posten bei LinkedIn aufzuzeigen. Diese Infografik bei SocialMediaToday ist wirklich kompakt und übersichtlich und hilft bei der richtigen LinkedIn-Strategie.
KI, Plugins & Prompts.
KI-Texte: 3 Tools und 5 Prinzipien Jeden Tag wächst die Zahl der KI-Tools, die uns das Schreiben erleichtern (sollen/wollen/werden). Doch welche Tools gibt es jenseits von ChatGPT, die auch etwas datenschutzfreundlicher sind? Christian Müller stellt nicht nur 3 Tools, sondern auch 5 Prinzipien für den verantwortungsvollen KI-Einsatz vor, was ich nur unterstützen kann.
Prompts: So unterstützt KI beim E-Mail-Marketing ChatGPT & Co. im E-Mail-Marketing? Aber natürlich. Und nicht nur zur Erstellung von Texten; auch bei Themenideen, A/B-Tests (siehe oben) oder beim Finden des richtigen Versandzeitpunktes kann die KI helfen. Die dazu passenden ChatGPT-Prompts schlägt dieser Beitrag vor.
Bilder: Diese Prompts helfen bei Midjourney Apropos Prompts. Bei Texten werden diese viel diskutiert. Doch gelten die Empfehlungen auch für die Erstellung von Bildern? Dieser Beitrag hat Tipps zusammengestellt, damit beispielsweise Midjourney das passende Bild erzeugt – wie u. a. spezifisch sein, Metaphern nutzen, Dialog führen, die Grenzen verstehen und Midjourney nicht zu überfordern.
Plugins: 200 ChatGPT-Erweiterungen für Browser Auch die Zahl der Browser-Plugins rund um ChatGPT wächst fast täglich. Diese eröffnen eine Vielzahl ständig neuer Anwendungsmöglichkeiten. Wie gut, dass Jens Polomski hier den Überblick behält und fast 200 in einer Übersicht anzeigt.
Vor gut 4 Wochen habe ich einen Beitrag im GoogleWatchBlog gelesen, der mich nachdenklich gemacht hat. Sehr nachdenklich. »KI schreibt jetzt automatisch Nachrichten«, schreibt Jens – und kommentiert gleich weiter: »muss das wirklich sein?« Aktuell brechen immer mehr AI-Tools in die Kommunikationsplattformen als angebliche Helferchen ein – und zwar quer durch alle privaten wie beruflichen Kanäle. Wollen wir das? Ein Gedankenspiel über Menschen, die schrittweise von ChatGPT & Co. ersetzt werden könnten.
Nein, ich bin kein Technologie-Gegner oder -Zweifler. Ganz im Gegenteil. Jeder, der mich kennt, in Workshops und Coachings erlebt oder meine Beiträge hier verfolgt, wird dies wissen. Ich stehe dem Einsatz von KI sehr aufgeschlossen gegenüber. Schon von der Recherche zu meinem Buch „Praxis Online-Texten“ weiß ich, wie stark KI bereits seit Jahren bei Medien eingesetzt wird und auch mir helfen kann, meine Arbeit besser und produktiver zu machen.
Natürlich gibt es viele Chancen
Niemand muss mich daher davon überzeugen, wie toll KI ist und wie grandios ChatGPT & Co. mir helfen. Nein. Denn das weiß ich – und nutze es auch: zur Strukturierung von Texten, zur Redaktion von Textabschnitten, zur Recherche von SEO-Keywords, zur Erstellung von Videos wie dieses oder von Bildern – wie das Titelbild zu diesem Beitrag. Und natürlich sehe ich aus Kommunikatoren-Sicht viele Einsatzmöglichkeiten – ob zur FAQ-Erstellung, zum Kundenservice, zum Abbestellen von Newslettern etc.
Aber hat all dies etwas mit persönlicher, zwischenmenschlicher, ja, privater Kommunikation zu tun? Nicht wirklich. Und genau hier setze ich meine Grenzen.
Menschen vs. Maschinen wie ChatGPT
Warum kommuniziere ich mit euch allen per Messenger, auf Instagram, auf LinkedIn? Ganz einfach: Weil ich mich für die Menschen interessiere – ihre Texte, ihre oft auch anderen Meinungen, ihre Einschätzungen, ihre Erkenntnisse, ja, besonders auch die ganz persönlichen, individuellen Noten. Und egal, wie mich Inhalte erreichen – ob per Mail, per WhatsApp, auf LinkedIn oder Twitter – all diese sind immer ganz eng mit etwas verbunden: Einem Menschen, der dahinter steckt, also ein kluger Kopf, wie die FAZ früher mal in einer Werbung titelte. Doch bleibt dies so?
Sehen wir uns 3 Anwendungen an:
Beispiel 1: Google wird künstliche Intelligenz in Gmail integrieren und kann dann meine E-Mails vorformulieren, verfasste Mails verbessern oder vollständig selbst schreiben, wie diese Screenshots verdeutlichen. „In den Demos sieht das alles toll aus und wird den Nutzern sicherlich viel Zeit sparen. Aber muss das wirklich sein?“ Die Frage im GoogleWatchBlog ist berechtigt. Und wenn die KI dann sicherlich bald auch antworten kann: Unterhalten sich künftig zwei KIs miteinander, wie in meinem Titelbild? Also ohne die Menschen?
Beispiel 2: Ein neues Feature auf LinkedIn für die KI-Content-Kreation sorgt aktuell nicht gerade für Begeisterung. Mit wenig Aufwand und mit KI-Unterstützung lässt sich ein Posting erstellen und publizieren:
„All the ‚Creator‘ has to do is enter from 1 up to 30 words in the [Create a post] function, click (Draft post) and [In]’s AI will create a draft for them to review, edit, or just choose to post as is”, schreibt Kevin D. Turner auf LinkedIn.
Geht es bei LinkedIn nicht um den Aufbau und die Pflege von menschlichen und nicht von maschinellen Kontakten? Ist das – bitter gesagt und auch so gemeint – das Ende des B2B-Networking? Wie gesagt: Unterhalten sich auch bei LinkedIn bald die Bots miteinander? Richard van der Blom hat recht, wenn er schreibt (von mir übersetzt): „Bitte unterschätze deine treue Community nicht. Sie werden es fühlen, wenn die KI deine Beiträge schreibt.“
Übrigens: Wer wissen will, wie das künftig aussehen könnte: Ich habe testweise (siehe Bild) mal Merlin mit LinkedIn verbunden. Und prompt schlägt mir Merlin für meinen LinkedIn-Post nicht nur Themen vor, sondern schreibt Artikel gleich vor (aktuell nur auf Englisch), die ich „nur“ noch posten müsste. Nein, das werde ich nicht machen.
„Networking at its worst“
Beispiel 3: »So habe ich 400 Kommentare in 30 Minuten per KI beantwortet«, brüsten sich Möchtegern-Kommunikatoren derzeit auf LinkedIn. Aha, „beantwortet“. Ich verstehe schon. Ziemlich geistlos, wie in vielen Kommentaren zum Beitrag zu lesen ist. Sorry, but that’s networking at its worst! Zumindest aus meiner, menschelnd geprägten Sicht.
Aber wird das viele daran hindern, trotzdem massiv ihre Content-Produktion zu erhöhen – und damit ihre Community zu verlieren bzw. zu verärgern? Wohl kaum. Nur: »Besser werden dadurch die Inhalte dennoch nicht unbedingt«, stimme ich Klaus Eck vollkommen zu.
Wie gesagt: Aktuell wirkt diese Entwicklung für mich, als würde man auf eine Veranstaltung wie die baldige re:publica nicht die Menschen, sondern nur noch deren KI schicken, die sich dort austauschen, Party feiern, Wissenswertes aufsaugen und dies dann in ihren Speichern fixieren. Persönlichkeit? Die ginge verloren. Und die Menschen selbst? Brauchen wir die noch?
GPT bald menschlich?
„GPT-4’s performance is strikingly close to human-level performance, and often vastly surpasses prior models such as ChatGPT. Given the breadth and depth of GPT-4’s capabilities, we believe that it could reasonably be viewed as an early (yet still incomplete) version of an artificial general intelligence (AGI) system“, zitiert Sascha Pallenberg aus einem Microsoft-Papier.
Das zeigt: In den nächsten Monaten werden immer mehr Tech-Companys aufregende Anwendungsgebiete zeigen – weit über ChatGPT hinaus. Darauf freue ich mich, aber: Mich erschreckt es, dass sie bald schon – wie Sascha zitiert – so weit sind, die „menschliche Art der Kommunikation“ zu kopieren. Vielleicht bequem für viele Versender.
Mich beunruhigt dies eher. Als Freund der Kommunikation, einer menschlichen Kommunikation. Ich hoffe weiterhin, dass sich auf der anderen Seite der digitalen Leitung ein Mensch befindet – und keine Maschine, abgesehen vom schnelleren Kundendienst o. ä. Denn wofür benötigen wir ansonsten die Menschen noch?
Zu menschlich für diese neue Welt?
Wie gesagt: Ich bin Technologie-Freund, ein digitaler Entdecker und Wissensvermittler – aber gleichzeitig ein Traditionalist. Für mich ist es eine Missachtung der anderen Person, eine Geringschätzigkeit, wenn ich dieser nur noch automatisierte Nachrichten schreibe. Natürlich gibt es dafür schon genügende Beispiele – wie diese automatisierten Geburtstagsgrüße. Aber schätzt jemand diese wirklich als persönlichen Gruß? Und wollt ihr diese wirklich von euren engsten Freundinnen, Bekannten oder Geschäftspartnern erhalten? Ich nicht.
Vielleicht bin ich aber einfach zu menschlich. Aber dazu stehe ich. Und ihr?