Wer das ers­te Mal durch Japan reist, dem fal­len nicht nur die Freund­lich­keit der Men­schen, die Pünkt­lich­keit der Ver­kehrs­mit­tel, die Laut­stär­ke der Video-Außen­wer­bung, das schril­le Fun­keln der Schil­der, das Lär­men der Spiel­sa­lons oder die Höhe der Gebäu­de im Wech­sel mit alt­ehr­wür­di­gen Schrei­nen und stil­len Gär­ten auf, um nur weni­ge Bei­spie­le für die­ses Land der Kon­tras­te zu nen­nen. Schließ­lich ist die Fusi­on aus jahr­hun­der­te­al­ter Tra­di­ti­on und nach vor­ne spru­deln­der Moder­ne, an bedäch­ti­ger Wür­de und gren­zen­lo­ser Schril­le an kaum einem ande­ren Ort der Welt so inten­siv zu beob­ach­ten wie im Land der auf­ge­hen­den Sonne.

Unüber­seh­bar – gera­de für Medi­en- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­leu­te – sind die vie­len son­der­ba­ren Schil­der, die Bewoh­ner wie Tou­ris­ten hin­wei­sen, war­nen, anzie­hen sol­len. Das Beson­de­re: Es sind kei­ne nor­ma­len Schil­der mit nor­ma­len text­li­chen Beschrif­tun­gen und den nor­ma­len pas­sen­den Bil­dern — und dazu noch im nor­ma­len Cor­po­ra­te Design der jewei­li­gen Marke.

Sym­bo­le und Zei­chen statt Texte
Japa­ner pfle­gen viel­mehr eine eige­ne Schil­der-Spra­che, die auf Illus­tra­tio­nen, Zei­chen und Sym­bo­le setzt, die mit Tie­ren und Fan­ta­sie­fi­gu­ren spielt, die aus Zeich­nun­gen und figu­ra­ti­ven Ele­men­ten besteht. Bei Hin­wei­sen auf Spiel­sa­lons oder eine Bar lässt sich die Spra­che noch nach­voll­zie­hen. Nur reicht die­se Kunst­form der Kom­mu­ni­ka­ti­on deut­lich wei­ter: Bau­stel­le betre­ten nicht erlaubt, Will­kom­men in einem Kauf­haus, Wer­bung für eine Karao­ke-Bar oder den loka­len Fuß­ball-Ver­ein, War­nung vor der Erwär­mung der Erd­ober­flä­che und vie­les mehr: Der­ar­ti­ge Auf­for­de­run­gen wer­den nicht in Text- son­dern in Sym­bol­form dar­ge­stellt, wie die fol­gen­den inte­grier­ten Bei­spie­le ver­deut­li­chen. (Lese­tipp: Mehr zur japa­ni­schen Wer­be­kul­tur lässt sich auch in die­ser aus­führ­li­chen Semi­nar-Arbeit nachlesen)

Oft habe ich mich bei mei­ner Rei­se gefragt, wo solch eine Spra­che der Illus­tra­ti­on, der Zei­chen und Sym­bo­le ihre Ursa­che hat. Ange­sichts ihrer Über­trag­bar­keit und Inter­na­tio­na­li­tät könn­te man den­ken, dass dies ein Gefal­len der Japa­ner an ihre aus­wär­ti­gen und meist des Japa­ni­schen nicht geüb­ten Besu­cher ist. Nur dies wäre von ihrer Gast­freund­schaft wohl zuviel ver­langt. Oder ist es die gene­rel­le Ver­bun­den­heit mit der Comic-Spra­che, die sich in der Man­ga-Kul­tur nie­der­schlägt, die einen die gan­ze Rei­se über beglei­tet und wel­che die Süd­deut­sche zu Recht als “unter­schätz­te Kunst­form” bezeich­net? Auch dies über­zeugt mich als Erklä­rung nicht wirk­lich. Aber woher kommt sie dann, die visu­el­le Spra­che? Ehr­lich gesagt, ich als Nicht-Japa­no­lo­ge weiß es nicht.

Ein­satz als Cor­po­ra­te Language?
Mir als Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Mar­ke­ting­mensch stellt sich dafür eine ganz ande­re Fra­ge: Lie­ße sich solch eine — ver­ein­fa­chen­de — spie­le­ri­sche und illus­tra­ti­ve Sym­bol­spra­che nicht als Cor­po­ra­te Lan­guage für eine Mar­ke nut­zen? Bis auf Red Bull mit Ein­schrän­kun­gen ist mir kaum eine Mar­ke bekannt — und damit mei­ne ich kei­ne abge­trenn­te Kam­pa­gne -, die ihre Cor­po­ra­te Lan­guage voll­stän­dig auf Basis sol­cher Sym­bo­le auf­ge­baut und an die­sen aus­ge­rich­tet hat. Selbst eine Mar­ke wie Red Bull hat sicher­lich mit der “Red Bull ver­leiht Flügel”-Kampagne einen visu­ell gepräg­ten Spra­che geschaf­fen, sie dann aber auf das pure Mot­to auch beschränkt.

Je häu­fi­ger ich mir die japa­ni­sche Sym­bol-Spra­che jedoch anse­he und die vie­len Bei­spie­le bewun­de­re, des­to inter­es­san­ter wirkt auf mich der Ansatz. Schließ­lich lie­ße sich auf die Art eine uni­ver­sel­le Spra­che ent­wi­ckeln, die durch ihre stark visu­ell gepräg­ten Ele­men­te und ihre illus­tra­ti­ve Kraft auf der einen Sei­te schnell und ein­fach wahr­nehm­bar wäre, ande­rer­seits ein unver­wech­sel­ba­res Bild einer Mar­ke nach innen wie nach außen zeich­nen könnte.

Ohne Kon­se­quenz kein Erfolg
Nur: War­um macht dies bei uns kaum eine Mar­ke? Gibt es dazu spe­zi­el­le Vor­aus­set­zun­gen, die erfüllt wer­den müs­sen? Sind wir Deut­schen für eine sol­che Sym­bol-Spra­che nicht bereit? Und für wel­che Mar­ken mit ihren Ange­bo­ten und Ser­vices wür­de sich dies am ehes­ten anbie­ten? Jede müss­te sich bewusst sein, dass ein Erfolg — sie­he Bei­spiel von Red Bull — nur dann ein­tre­ten könn­te, wenn solch ein Weg sehr kon­se­quent und vor allem lang­fris­tig geführt wird. Denn nur dann kann es irgend­wann auch für Mar­ken­ver­spre­chen und ‑aus­sa­gen gel­ten, dass Illus­tra­tio­nen wirk­lich “mehr als 1.000 Wor­te sagen”.