Wie Donald Trump aktuell die Kommunikationswelt durchwirbelt.

30.01.2025

Seit wenigen Tagen beschleicht mich das Gefühl, dass wir dem Ende des bisherigen Social Media, wie ich es in meinem gleichnamigen Buch beschreibe, einen deutlichen Schritt näher gekommen sind. Zumindest lese ich dies aus dem Schwenk von Mark Z., den darauffolgenden Reaktionen, aber auch den Geschehnissen rund um die Inauguration des neuen US-Präsidenten Donald Trump heraus.

Social Media war ursprünglich die ganz wundervolle Idee, Menschen unabhängig von Zeit und Raum an einem digitalen Ort zusammenzubringen. Doch in den letzten Jahren haben Algorithmen, KI und die finanziellen Interessen der Plattformen die Kanäle stark verändert, haben Politik und die Werbeindustrie sie immer stärker im Griff. Die Konsequenzen sind fast schon logisch, wie wir sie gerade bei X, Meta & Co. erleben.

Kurz zusammengefasst:

Wie sich die Tech-Branche hinter Donald Trumpf aufreiht.

  • Je näher die Inauguration kam, desto mehr amerikanische Unternehmen gerade aus der Digitalwelt vollzogen eine 180 Grad-Kehrtwendung: Sie reihten sich brav hinter Trump auf; schließlich sind sie die wahren Profiteure seiner neuen Wirtschaftspolitik. Im Gleichzug verbann(t)en sie alles Woke oder Liberale aus ihren Programmen und kehren zum „alten, normalen“ Business zurück. Schließlich sollte nicht nur Elon Musk von dem Thronwechsel profitieren; und im Gegenzug wollte niemand in den negativen Bann eines Donald Trump geraten.
  • Stellvertretend hatte Mark Zuckerberg schon kurz vorher in diesem Video ankündigt, dass Meta „zurück zu den Wurzeln“ kehre und in den USA mehr auf „Redefreiheit“ setze. Dazu würden Fact Checker durch Community Notes ersetzt, Content Policies entschärft, Moderationen gelockert, die Durchsetzung von Regeln reduziert und politische Inhalte gepusht werden. Diese Kehrtwende ist extrem: Sollte Threads bis vor kurzem die unpolitische Alternative zu X sein, soll auch dort die politische Kommunikation stärker an Oberhand gewinnen.
  • „Donald Trump hat TikTok gerettet“, habe ich in einigen Foren gelesen. Wirklich? Nicht wirklich. Vielmehr will er als Business-Mann von den Einnahmen von TikTok eine Scheibe abhaben – und TikTok dazu zumindest zu 50 Prozent unter US-amerikanische Kontrolle stellen. Nur wer wird der Partner? Oracle, MrBeast, Kick, Perplexity – dies könnte zumindest interessant werden. Aber was ist, wenn – als weitere, viel diskutierte Option – TikTok an Elon Musk geht, um dem Video-Feed auf X etwas Beine zu machen und um sich der Idee der One-App-for-Everything zu nähern? Würde dies nicht auch die – extremistische – Politik noch stärker nach TikTok treiben? Sehr wahrscheinlich.
  • Was passiert mit den letzten Einhörnern des liberalen Gedankenguts? Mit YouTube, mit LinkedIn, mit Snapchat, mit Reddit, mit Twitch? Schließlich haben auch Twitch-Inhaber Jeff Bezos (Amazon), Sundar Pichai (Alphabet) und Satya Nadella (Microsoft) durchaus Interesse, in der ersten Linie der Donald Trump Zöglinge zu bleiben, in der sie auch während der Inauguration standen? So kann diese Pyramide sehr schnell umfallen.

Wie sich die Tech-Branche hinter Donald Trumpf aufreiht.

Aktuelle Pyramide mit ausgewählten digitalen Kommunikationsplattformen
Abb.: Aktuelle Pyramide mit ausgewählten digitalen Kommunikationsplattformen

Nicht mein Verständnis von Redefreiheit.

Ohne hier alles zu schwarz malen zu wollen: Genau diese schon passierten und durchaus noch bald möglichen Dinge haben natürlich gravierende Auswirkungen auf die Plattformen und auf unser Kommunikationsverhalten und unsere Kommunikationsstrategien, wenn wir uns ganz einfach fragen:

  • Entwickeln sich die Social-Media-Plattformen also ähnlich wie X also zu weiteren Schauplätzen der politischen Auseinandersetzung? Durchaus möglich.
  • Werden dazu Tor und Tür für Hass, Häme, Hate und Fake News geöffnet? Auf jeden Fall erleichtert.
  • Trägt dies dazu bei, unsere Gesellschaft weiter zu polarisieren? Sehr wahrscheinlich.
  • Liefert dies verantwortungsvollen Marketern eine verlässliche Basis? Wohl kaum.

Denn anders gefragt: Ist dies wirklich diese beschriebene neue Rede- und Meinungsfreiheit, dieser „Freedom of Speech“, wenn Desinformationen und Hatespeech einen Freifahrtschein erhalten? Auf jeden Fall nicht in meinem Verständnis.

Vielleicht ist Business ja everything?

Viele hoffen jetzt auf die EU und den Digital Services Act, um die Kennzeichnung von Falschinformationen mithilfe von Faktencheckern zu erhalten, damit sich der beschriebene „Kniefall“ vor Trump & Co. nicht nach Europa verbreitet. Nur: Spielt Europa wirklich diese Rolle, wie wir als Europäerinnen und Europäer immer zu denken oder zu hoffen glauben? Vielleicht deutlich weniger als gedacht.

Doch ist die Entscheidung von Meta & Co. falsch? Wenn wir dies aus einem liberalen, von Werten geleiteten Weltbild beurteilen, auf jeden Fall. Aber was ist, wenn die Mehrheit der Meta-User dieses Weltbild überhaupt nicht teilt? Und sich Mark Z. an dieser Mehrheit orientiert, um sich und seinen Aktionärinnen und Aktionären die besten Voraussetzungen zu schaffen? Ist dann dieser Schulterschluss mit der kommenden Trump-Regierung aus Sicht von „Business is everything“ nicht sogar richtig, auch wenn es uns nicht passt? Und müssen die anderen Digitalunternehmer nicht sogar nachziehen – schon rein aus wirtschaftlicher Verantwortung für ihr eigenes Unternehmen?

Ein Denkzettel an Mark Zuckerberg.

Was sollen wir also jetzt tun? Einerseits können wir Mark Z. & Co. einen Denkzettel verpassen, in dem wir aufzeigen, dass die große Mehrheit doch nicht so denkt, wie er zu glauben scheint:

  • Indem die Werbeindustrie nicht mehr den endlosen Verlockungen des perfekten Meta-Targetings erliegt, sondern Verantwortung übernimmt, aus den Kanälen aussteigt oder zumindest das finanzielle Engagement ähnlich wie bei X deutlich reduziert;
  • und indem wir Nutzerinnen und Nutzer uns noch stärker aus den Netzwerken verabschieden bzw. unser Verhalten drastisch einschränken. Diesen allmählichen Rückzug lässt sich übrigens schon heute national wie international beobachten, wie ich in meinem Buch ausführlich schildere.

Sei zu Hause, nicht zu Gast.

Andererseits – und dies ist für mich das wichtigste Learning – hat uns nach Elon auch Mark deutlich gemacht, dass wir auf ihren Plattformen nur zu Gast und sie der uneingeschränkte Boss sind. Und falls wir diese „Gastfreundschaft“ nicht mehr wollten, könnten wir ja gerne gehen. Darum müssen wir solche Videos als dringenden Weckruf begreifen:

Baue niemals dein Haus auf einem gemieteten Land. Oder – bezogen auf Meta, X & Co.: Vertraue niemals auf Plattformen, die du nicht kontrollieren kannst, sondern verlasse dich nur auf die Plattformen, auf denen du selbst zu Hause bist.

Darum hoffe ich, dass dieser radikale Wechsel zu einem neuen Boom bei eigenen Plattformen führt, zu einem Zeitalter, in dem wieder Webseiten, Content-Hubs, Blogs, Online-Magazine, Podcasts und E-Mail-Marketings haussieren. Indem wir uns darauf fokussieren, eigene, auch kleinere Communitys unabhängig von Meta & Co. aufzubauen und zu pflegen. Zumindest wäre dieser Fokus die passende Antwort auf diese Entwicklung, wie ich auch in meinem Buch „Das Ende von Social Media“ beschreibe.

Social ist Media ist Marketing.

Und Social? Social ist Media ist Marketing. Und damit lässt sich eigener Content durchaus pushen, wenn man den Elons, Marks & Co. Werbegelder in den Gierschlund werfen will. Dies wird für viele kurz- und mittelfristig notwendig sein. Aber zu viel mehr werden diese Plattformen langfristig kaum taugen. Dafür haben die Tech-Auguren mit ihrem Verhalten gesorgt.

HINWEIS: Dieser Beitrag erschien in einer vorherigen Version bereits bei der Marketingbörse unter dem Titel „Was das Video von Mark Z. für uns bedeutet“. 

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