Interview mit Dominik Ruisinger: Über Social Media Strategien, Copy Cats, Hypes und notwendiges Community Management

21.09.2017

Die lieben Blog-Kollegen von Marketing im Pott haben mit mir kürzlich ein etwas längeres Interview geführt: Über die Bedeutung einer Social Media Strategie, zur Social Media Nutzung, über die Herausforderungen für Unternehmen, sich diesen dauerhaften Veränderungen anzupassen – Stichwort Algorithmus und natürlich auch zu meinem Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“. Auch ich darf das Interview hier publizieren, was ich natürlich gerne tue.

Für viele Unternehmen bedeutet Social Media-Strategie, die Postings auf Facebook durchzuplanen. Was verstehen Sie darunter?

Das ist eine sehr umfassende Frage, die ich aus Beratungen und Trainings gut kenne. Grundsätzlich liegt das Problem darin, dass viele Menschen heute unter dem Oberbegriff Social Media vor allem Facebook verstehen bzw. beide Begriffe praktisch gleichsetzen. Wenn sie dann ihre Facebook-Seite erstellt und vielleicht erste Erfolge erzielt haben, sprechen sie von einer Social Media-Strategie. Dabei hat eine Strategie eigentlich die Aufgabe, erst einmal herauszufinden, ob Facebook überhaupt das richtige Instrument ist. Und Facebook ist sicherlich nicht bei allen Fragen die passende Antwort.

Das bedeutet: Eine Social Media Strategie beginnt erst einmal mit einer grundlegenden Ausgangsanalyse von Unternehmen, Kommunikations-aktivitäten, Ressourcen, Offenheit gegenüber Social Media, Mitbewerbern etc. Dabei kommt es ganz entscheidend darauf an, dass solch eine Analyse ergebnisoffen geführt wird. Sie könnte durchaus auch zum Ergebnis führen, dass ein E-Mail-Newsletter, eine SEO-Strategie viel zielführender als der Aufbau oder Ausbau etwaiger Social Media-Aktivitäten ist. Als nächsten Schritt sind Ziele und Zielgruppen zu definieren, ist das Unternehmen mit einer klaren Aussage nach innen wie nach außen zu positionieren und ist auf dieser Basis eine Content Strategie zu entwickeln, die zum Schluss wieder zu evaluieren ist. Genau diese Schritte beschreibe ich ja detailliert in meinem nicht mehr ganz neuen Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“.

Wie nutzen Sie selbst die sozialen Netzwerke?

Es gibt Netzwerke, die ich für persönliche Themen und zu rein privaten Zielen nutze, und andere, in denen ich mich beruflich mit vielen Freunden, Kollegen oder auch teils noch Unbekannten austausche. Wer mir beispielsweise auf Facebook oder Instagram folgt, wird – abgesehen von der Verbreitung eigener Blog-Beiträge – kaum berufliche Themen finden. Auf Twitter, Xing, LinkedIn, Google+ und teils auch Pinterest stehen dagegen fachliche Themen im Vordergrund, wie natürlich auch in meinem eigenen Blog „Gedankenspiele“. Gleichzeitig beobachte ich, dass sich mein Nutzungsverhalten in den letzten Jahren – weg vom vielen Posten, hin zum stärkeren Beobachten und zur Kommunikation innerhalb immer kleinerer Micro-Gruppen – geändert hat. Und mit dieser Fokus-Verschiebung hin zum Privaten liege ich heute ziemlich im Trend, wie viele Studien zeigen.

Apropos Google+: Viele glauben, wer seine eigenen Veröffentlichungen fleißig auf Google+ postet, steht dadurch in den Ergebnissen der Google-Suche weiter oben. Was ist dran an diesem Zusammenhang?

In der Vergangenheit haben viele Google+ vor allem genutzt – und dazu zählte ich auch -, um eine möglichst hohe Sichtbarkeit bei Google zu erreichen. Dies lag darin begründet, dass Google die Google+-Beiträge in der Suche prominent platziert und visuell hervorgehoben hat. Im Zuge des Umbaus von Google+ hat Google in den letzten Monaten diesen Vorteil schrittweise deutlich heruntergefahren. Wie stark sich überhaupt heute noch Aktivitäten auf Google+ auf die eigene Sichtbarkeit auswirken, ist umstritten und Thema vieler heftiger Forumsdiskussionen. Ich selbst habe auf jeden Fall keine größeren Vorteile mehr für meine Posts bemerkt, sondern nutze Google+ selbst heute stärker für meine persönliche Community-Pflege in Fachgruppen.

Der Markt an Social Media-Tools wirkt nahezu überschwemmt. Von Buffer bis Hootsuite bieten die Plattformen unterschiedlichste Leistungsumfänge. Haben Sie eine klare Empfehlung?

Einfache Frage – klare Antwort: Nein ;-). Ich selbst nutze Buffer für die Planung von Inhalten, HootSuite für geordnete kanalweite Postings und insbesondere zum Monitoring, den SocialHub für ein Community Management und Monitoring, Pocket, Refind und insbesondere Diigo für das Merken von Beiträgen, die mir wichtig erscheinen sowie eine ganze Liste an weiteren größeren wie kleineren Tools. Diese tausche ich regelmäßig aus, da der Markt extrem in Bewegung ist. Jeder Kommunikationsverantwortliche hat hier die Aufgabe, sich den Markt genau zu beobachten und die für ihn passenden Tools und Werkzeuge zu finden. Einen generellen und allgemein gültigen Tipp kann ich im Dickicht fast täglich neuer Tools hier – leider – nicht geben. Sorry.

Die großen Player unter den Plattformen ändern ihre Algorithmen fortlaufend und führen beinahe täglich neue Funktionen ein. Beispiel Instagram: Hier beherrschen die „Stories“ vom einen auf den anderen Tag plötzlich aus Snapchat bekannte Filter. Wie können Unternehmen solche Neuerungen für sich nutzen?

Copy Cats Social Media

Social Media Copy Cats: Jeder liefert dasselbe.

In den letzten Monaten ist wirklich zu beobachten, dass alle Social Media–Plattformen irgendwie alles anbieten wollen: Alle bieten Live-Übertragungen, alle liefern Stories, bei allen verschwinden die Beiträge irgendwann; und alle stärken zudem den Private Messaging Bereich weiter, wie es Facebook zum Beispiel gerade auch mit der Aufwertung der Gruppen macht. Eine hübsche Grafik auf der News-Seite recode trägt daher völlig berechtigt den Titel „Copy Cats“.

Die große Herausforderung für Unternehmen in diesem Kontext heißt „Community Building“. Letztendlich kommt es nicht darauf an, ob sie auf allen Kanälen gleich aktiv sind; oder welcher Kanal gerade besonders stark angesagt ist. Entscheidend ist, ob es ihnen gelingt, in den Kanälen eine eigene Community aufzubauen, die ihre Beiträge wiederum als Multiplikatoren in ihre eigenen Kanäle weiterträgt – und dies natürlich stets abgestimmt mit der Kommunikationsstrategie. Ohne Community werden die eigenen Inhalte wirkungslos verpuffen – unabhängig davon, ob wir jetzt von Instagram, Snapchat, Pinterest oder beispielsweise YouTube sprechen. Dass die Vernetzung und der Aufbau einer Community auf Instagram im Vergleich zu Snapchat gerade durch die Eingliederung ins Facebook-Universum deutlich einfacher ist, hat mit Sicherheit den Trend hin zu Instagram befeuert. Hier darf man wirklich gespannt sein, wie das Wettrennen der Social Media-Plattform-Anbieter weitergeht. Es bleibt auf jeden Fall spannend.

Das Internet ist weltweit erreichbar. Welche Chancen haben lokale und regional tätige Firmen, ihr(e) Produkt(e) dort zu vermarkten?

Weltweite Erreichbarkeit auf der einen Seite und lokale bzw. regionale Unternehmen auf der anderen Seite – das ist für mich keineswegs ein Widerspruch. Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel: Wenn Sie nach einem neuen Restaurant in Ihrer eigenen Stadt suchen, dann orientieren Sie sich wahrscheinlich an Bewertungen auf Foursquare, Yelp, Tripadvisor oder direkt auf Google. Das sind alles weltweite Anbieter. Wenn ein Restaurant dort nicht präsent ist, werden Sie es nicht finden und nicht in Betracht ziehen. Es existiert in Ihrem Kopf de facto nicht. Das Beispiel ließe sich problemlos auf viele andere Produkte übertragen. Das soll zeigen, wie stark heute lokal, regional, international miteinander vernetzt ist und warum es gerade für lokale und regionale Anbieter entscheidend darauf ankommt, dort präsent und sichtbar zu sein. Ansonsten werden sie von neuen Kunden nicht mehr gefunden werden und bei vielen bestehenden in Vergessenheit geraten.

Ein wenig weiter gedacht reicht es nicht, seine Aktivitäten heutzutage nur auf Social Media zu beschränken. Sie haben ein Buch über die „Digitale Kommunikationsstrategie“ geschrieben. Was kann man sich unter diesem Begriff vorstellen?

Fachbuch Kommunikationsstrategie im digitalen Zeitalter

Dominik Ruisinger: Die digitale Kommunikationsstrategie

Der Hype um Social Media hat dazu geführt, dass Unternehmen Social Media–Kanäle teils als Heilsbringer gesehen haben: Für alle Fragen. Für alle Herausforderungen in Kommunikation, Marketing und Vertrieb. Zur Lösung aller Probleme. Nur: So funktioniert Kommunikation heute nicht! Wir müssen viel stärker die kommunikative Herausforderung in den Vordergrund stellen und dann – wie oben schon erwähnt – strategisch die dafür passenden Instrumente und die adäquate Vorgehensweise auswählen.

Mit dem Begriff „Digitale Kommunikationsstrategie“ habe ich daher ganz bewusst dem Begriff „Social Media Strategie“ einen erweiterten Begriff übergestülpt. Dieser beinhaltet neben den Social Media–Werkzeugen auch etablierte wie neu aufgekommene Instrumente wie E-Mail-Marketing, Online-Pressearbeit, Webseite, Messenger-Dienste, Bots oder Apps, die passend zur eingeschlagenen Kommunikationsstrategie und zur ganzheitlichen Unternehmensstrategie einzusetzen sind. Ich will damit auch verdeutlichen, dass im Rahmen einer Digitalen Kommunikationsstrategie es meist nicht ausreicht, sich allein auf Social Media zu fokussieren, beispielsweise wenn man bedenkt, dass bei weitem nicht alle Menschen in Deutschland über Social Media-Instrumente zu erreichen sind. Den Begriff „Digitale Kommunikationsstrategie“ sollten Sie daher als ein Appell wahrnehmen, sich nicht gleich auf Social Media zu stürzen, sondern strategisch-analytisch an die kommunikative Herausforderung heranwagen sollten und sich nicht von einem bereits im Kopf vorhandenen Werkzeug den Blick auf das Wesentliche verschleiern sollten.

Schon der Umfang so einer „Digitalen Strategie“ lässt erkennen, dass sich diese Herausforderung nicht mal eben nebenbei von einem Mitarbeiter bewerkstelligen lässt. Müssen KMU jetzt zwingend neue Jobs schaffen, um erfolgreich zu sein?

Die Kommunikation hat sich in den letzten Jahren extrem gewandelt. Und dieser Wandel ist weit davon entfernt, ein Ende gefunden zu haben. Ganz im Gegenteil. Doch ob man jetzt neue Jobs schaffen muss, kann ich generell nicht sagen. Ich gehe aber davon aus. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist, dass die Jobs und Jobprofile sich sehr stark verändern werden. Unternehmen müssen also massiv Geld und Zeit in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter, in erweiterte Ressourcen finanzieller und zeitlicher Art, in den Ausbau ihrer technischen Infrastrukturen stecken. Genau davor schrecken gerade viele KMU noch zurück. Sie müssen sich immer wieder bewusst werden: Die Digitalisierung samt digitaler Kommunikation ist da. Und sie geht auch nicht mehr weg. In Verantwortung für ihre eigenen Organisation müssen sie jetzt die durchaus weitreichende Entscheidung treffen, ob sie den Weg heute mitgehen wollen – rechtzeitig, strategisch, an der Spitze mit Blick auf die Zukunft – oder ob sie später irgendwann die große Aufholjagd einleiten müssen. Ob diese dann noch für die erste Liga reicht, daran habe ich bei vielen meine Zweifel. Diese Entscheidung zu treffen – und dies rechtzeitig -, dies ist eigentlich die größte Herausforderung, vor der KMU in den nächsten Jahren, nein, besser Wochen und Monaten, stehen.

Vielen Dank für das Interview!

 

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