Meine Weihnachtskarte an die E-Mail – zum Geburtstag.

14.12.2021


Liebe E-Mail,


Ich wünsche dir alles Liebe zu deinem Weihnachtsfest! Mögest du eine entspannte Zeit erleben, um mit viel Kraft und Energie ins neue Jahr zu starten. Ganz besonders herzlich möchte ich dir nachträglich zu deinem Jubiläum gratulieren. Schon seit 50 Jahren beglückst du die Menschen jetzt schon. Seit damals, als dein lieber Papa, der Ray Tomlinson, dich E-Mail im November 1971 zum ersten Mal in die Welt schickte.

Obwohl Welt … es war damals mehr so ein erster Versuch. Doch der Ray, der war schon ein echt kluger Programmierer: Der hat ja nicht nur dich erfunden. Auch hat er uns diesen komischen Klammeraffen beschert, den heute jede E-Mail als @-Zeichen zwischen Benutzername und Domain trägt. Wie gesagt, damals, im November 1971.

Die Geschichte zum 50. Geburtstag der E-Mail

Wenn ich an meine Zeit zurückdenke – und Weihnachtskarten sollen ja immer auch etwas Persönliches haben: Ich war damals noch gaaaaanz klein und konnte natürlich nichts von deinem kommenden Siegeszug erahnen. Aber nicht nur ich. Ganz Deutschland war damals ganz weit weg. Erst 13 Jahre später, genau gesagt am 3. August, kamst du in unser Land, als der Michael Rotert von der Universität Karlsruhe dich zum ersten Mal in seinem Postfach fand. Einfach, weil dort der erste deutsche Mailserver stand.

Dieser Rückstand bei uns hat übrigens Tradition, liebe E-Mail, das solltest du wissen. Bei ganz vielen gerade technologischen Dingen sind wir weit weg vom Rest der entwickelten Welt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber das ist eine andere Geschichte über die Digitalisierung, die nicht wirklich weihnachtlich klingt.

Der Informatiker Michael Rotert mit der ersten E-Mail in Deutschland im August 1984; FOTO: DPA; Quelle: Der Tagesspiegel

Was ich so toll an dir finde: Auch nach 50 Jahren bist du immer noch so verdammt lebendig und lebensfroh und beweglich. Weltweit wirst du pro Sekunde mehr als 3,7 Millionen Mal versendet – also fast 120.000 Milliarden Mal pro Jahr. Allein in Deutschland sollen Berufstätige durchschnittlich 26 Mal pro Tag von dir begrüßt und damit in ihrer Arbeit unterbrochen werden. Was für Zahlen!

Okay, nicht alle werden über diese lebenslustige Art und die Vielfalt deiner Erscheinungsbilder so glücklich sein – wenn ich an die Spam-Mails, die Hoaxe, die ungefragten Werbe-Mailings, die halb-legalen Schreiben denke. Aber mit solchen Missgeburten hast du ja nix zu tun. Darum gedeihst du auch so prächtig, wenn ich an die 2-stelligen jährlichen Wachstumsraten denke. Und an die vielen Newsletter-Abonnentinnen, von denen viele gar nicht wissen, wie sie an dich gekommen sind. Plötzlich warst du einfach in ihrer Inbox. ZONK!

Der Boom E-Mail-Newsletter

Apropos E-Mail-Newsletter: In Deutschland gibt es eine recht bekannte Untersuchung, die ARD/ZDF-Onlinestudie. In der aktuellen Ausgabe heißt es darin über dich: „Der Kommunikationsweg über E-Mail, der schon vor Jahren immer wieder als angestaubt und in die Jahre gekommen bezeichnet wurde, und der Versand von Newslettern bei der privaten Nutzung bergen ein größeres Potenzial, als zu vermuten gewesen wäre.“ Drum hatte ich in meinen Trends vor 2 Jahren auch von der mächtigen Geburt des E-Mail-Newsletters gesprochen. Und zwar klein, fein und genau auf die Nutzer ausgerichtet. Und so kommt es auch!

Ich weiß, den Begriff „angestaubt“ wirst du nicht mögen. Und „in die Jahre gekommen“ ebenso wenig, auch wenn man dies doch zu einer älteren, 50 Jahre alten Dame sagen darf. Aber bist du nicht auch stolz, dass in den letzten Jahr(zehn)en so viele Menschen sogar von deinem „Tod“ – sorry, das würde ich natürlich niemals sagen, vor allem nicht an Weihnachten – gesprochen haben, aber du weiterhin putzmunter durch die digitalen Leitungen zischst?

Und dies sogar bei der angeblich E-Mail-blöd findenden Generation Y und Z, die dich ganz fest als ein Lieblings-Tool zur Kommunikation, als Servicekanal und auch zum Shopping im Arm hält? Wie ihr Lieblings-Kuscheltier? Du kannst wirklich stolz auf dich sein, wie die Ergebnisse der Studie „E-Mail-Nutzung in der Young Generation“ mal wieder belegt haben.

Die E-Mail ist für die Generationen Y und Z hochrelevant: Quelle: onlinemarketing.de

Copycats für Push-Kanäle

Dabei haben sich doch so viele Entwickler in Start-ups und Tech-Riesen große Mühe gegeben, dich möglichst flott abzulösen und aufs – seniore – Gleis zu stoßen. Was haben sie nicht für tolle Tools wie Slack oder (andere) Messenger und Kollaborations-Tools für die interne wie externe Kommunikation entwickelt, die dich ersetzen sollten oder könnten. Vergeblich! Denn du bist ganz schön beharrlich, meine liebe E-Mail! Trotz all dieser hypermodernen Tools nutzen dich Organisationen zur Kommunikation weiterhin am häufigsten. Dich! Oldie! Unglaublich!

Von noch etwas muss ich dir berichten: Ist es nicht schräg, dass pünktlich zu deinem Jubiläum sich gerade so viele Tech-Riesen als Copycat betätigen? Und sich über eine Art Ableger selbst in Stellung bringen? Du als Expertin für solche Push-Kanäle würdest sie doch sicherlich auch als Copycats bezeichnen,

  • wenn die Venture Capital finanzierte Plattform Substack sich als Vorreiter aufspielt;
  • wenn LinkedIn langsam die Newsletter-Funktion für immer mehr Autoren öffnet;
  • wenn Twitter den gekauften niederländischen Dienst Revue immer stärker in seine Technologie integriert;
  • wenn selbst das Oldie-Netzwerk Facebook an einer eigenen Autorenlösung ebenfalls auf den Newsletter-Trend aufspringt.

Ist das nicht auch für dich schräg, meine liebe E-Mail? Du existiert schon seit über einem halben Jahrhundert und die großen Innovatoren überlegen sich erst jetzt einen Ableger? Weil sie solch einen Informationskanal neben dem ganzen Genetzwerke einfach brauchen? Du sollst verdammt stolz auf die damalige Innovationskraft von Ray und deinen Überlebenswillen sein, dass du auch 50 Jahre nach deiner Geburt noch weiterhin voll angesagt bist. Und du und deine Mailings und Newsletter so richtig boomen.

Aber ehrlich gefragt: Überrascht dich dies? Ich glaube kaum. Schließlich bietest du ja einige riesengroße Vorteile im Vergleich zu anderen Kanälen. Nur davon muss ich dir ja nicht erzählen, du schlaue E-Mail. Darum proste ich dir lieber verpixelt aus der Ferne zu:

Merry Christmas, my dear E-Mail!


ÜBRIGENS: In diesem Jahr bist du die einzige Person, der ich eine Weihnachts-Nachricht schreibe. Warum?

  • Weil du in diesem Jahr deine Goldene Hochzeit feiern durftest.
  • Weil ich einfach Lust habe.
  • Weil dir ansonsten niemand schreibt. Und das ist an Weihnachten doch traurig 🥰

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