Warum wir am sogenannten Facebook-Skandal eine Mitschuld tragen

03.04.2018

Kräftig wird derzeit auf Facebook eingeprügelt. Von allen Seiten: Medien. Unternehmen. Nutzer. Alle. „Haben wir doch schon immer gewusst, dass Facebook sein Unwesen mit uns treibt“, wird fast schon frohlockt. „Dass Facebook unsere Daten verkauft.“ „Dass Facebook unsere Datenschutz-Richtlinien nicht einhält.“ Stimmt. Wir haben es gewusst. Schon immer. Und haben wir etwas dagegen getan?

Auch Tage nach Bekanntwerden des „Skandals“ ist der Aufschrei laut. Überall tauchen die #deletefacebook oder #boycottfacebook Forderungen auf. Datenschützer, Politiker, Medien raten zum Ausstieg. In Medienberichten. In Blogs. Bei Twitter. Sogar bei Facebook. Und selbst von Leuten innerhalb meiner Blase, die vieles gewusst haben bzw. haben sollten. Und die sehr bewusst in den Sozialen Medien agieren. Sollten sie zumindest.

Nein, ich bin kein Verteidiger von Facebook. Nur zu jeder Diskussion gehören immer zwei Seiten. Und die eine haben wir in diesem Fall etwas vergessen, verschwiegen, weggedrückt. Weil es wahrscheinlich bequemer ist. Denn bei aller – auch durchaus berechtigter – Kritik: Vergessen wir nicht etwas? Unsere eigene Verantwortung? Unser eigenes Handeln? Waren wir es nicht, die Facebook groß gemacht haben? Und das mit vollem Bewusstsein und nicht von einer Betäubungsspritze im Kopfe gelähmt?

5x an die eigene Nase fassen

Ich bin irgendwie verärgert und zweifle immer stärker an unserer Medienkompetenz – mich eingeschlossen. Dazu nur fünf kurze Gedanken, warum wir uns stark an die eigene Nase fassen müssten:

  1. Wissen wir nicht seit Jahren, nein, seit immer und unserem Zugang, dass wir mit unseren Daten bezahlen? Dass Daten das große Kapital von Facebook & Co. sind? Dass damit sogar Geschäfte gemacht werden? Wir konnten übrigens schon immer unsere Daten herunterladen und einsehen, was Facebook da so alles von uns speichert. Und wer hat das getan?
  2. Sind wir nicht etwas scheinheilig, wenn wir Plattformen wie Facebook & Co. selbstverständlich kostenlos nutzen wollen – inklusive aller Feature und am Besten samt einem direkten Ansprechpartner bei eventuellen Problemen? Und andererseits Facebook die Chance absprechen, mit uns Geld zu verdienen? Oder seit wann sind börsennotierte Unternehmen Wohltätigkeits-Clubs?
  3. Wären wir bereit, für die Nutzung von Facebook zu zahlen, wenn unsere Daten nicht ausgewertet werden würden? Nein, das sind wir nicht! Wie viele Projekte gab es schon, die eine kostenpflichtige Alternative zu den werbefinanzierten sozialen Netzwerken boten. Egal ob App.net, Diaspora, aktuell Vero etc. – solche Ansätze sind krachend gescheitert. Weil wir – okay, die ganz große Mehrheit – nicht bereit sind, auch nur ein paar Euros für unsere sichere Kommunikation im Netz auszugeben. Sind uns unsere Daten wirklich so wichtig?
  4. Setzen wir uns eigentlich mit dem Thema Datenschutz auseinander? Oder anders gefragt: Wer liest sich die Einstellungen der sozialen Netzwerke im Vorfeld genau durch, bevor er sein Kreuzchen neben dem „ja, ich will auch dabei sein“ setzt? Leider kenne ich viel zu wenige. Dabei ist doch jeder Nutzer frei, seine Privatsphäre-Einstellungen dementsprechend einzustellen, dass er nicht mehr Daten als nötig preisgibt. Stattdessen tragen wir zu der jetzigen Situation bei, wie Dennis Horn treffend schreibt: „Das Problem dabei sind erstens die Nutzerinnen und Nutzer, die zu faul sind, ihre Einstellungen durchzugehen, und zweitens Facebook, das dieses Tor für die Datenweitergabe jahrelang offen gelassen hat.“
  5. Wie viele der plötzlichen Facebook-Spötter pflegen weiterhin glücklich ihren Instagram-Account? Und nutzen WhatsApp wie rund 40 Millionen in Deutschland? Denn wozu gehören die? Richtig. Vor diesem Hintergrund zweifle ich daran, dass viele Nutzer und insbesondere Unternehmen ob der Praktikabilität Facebook verlassen werden. Schließlich haben sie beim Monopolisten doch gerade erst ihre Reichweite aufgebaut bzw. erkauft. Und haben doch gerade erst Instagram und WhatsApp für sich auch kommerziell entdeckt. Werden sie das alles aufgeben? Derzeit? Und ohne Alternative?

Jeder der mich kennt, weiß, wie kritisch ich das blaue Netzwerk sehe – mit alle seinen Chancen wie Risiken. Nur was mir wirklich Angst macht, das ist diese absolute Ignoranz unserer eigenen Mitschuld, ja, unsere fehlende Medienkompetenz. Patrick Nix hat recht, wenn er leicht überspitzt formuliert: „Es gibt keinen Facebook-Skandal. Es gibt auch keinen Skandal um Cambridge Analytica. Es gibt einen Skandal über die Medienkompetenz. Der User. Und der Medien.“

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