Corporate Influencer Programme boomen derzeit kräftig. Und trotz der Erfolge bin ich der Überzeugung, dass Corporate Influencer eigentlich nur die Vorhut bilden – vor einer viel größeren Aufgabe: der Motivation aller Mitarbeitender. Warum ich so denke und welche Rolle die Corporate Influencer in diesem Prozess spielen, erzähl dieses kompakte Gedankenspiel.
In vielen Unternehmen, Institutionen, Agenturen wird aktuell das Thema Corporate Influencing diskutiert; der Aufbau von Markenbotschafterinnen und -botschaftern überlegt und geplant; passende Inhouse-Programme sorgfältig konzipiert, ausgerollt, hinterfragt. Einfach gesagt: Corporate Influencing zählt aktuell sicherlich zu den wichtigsten Trends in der Kommunikationsbranche, der auf allen großen Panels zur Sprache kommt. Auch ich habe ihn in meinem letzten Buch »Das Ende von Social Media« als einen Ausweg aus dem Social Media Dilemma definiert.
Boom von Corporate Influencer Programmen
Und diese Begeisterung, dieser Elan, die Idee hinter dem Begriff ist vollkommen berechtigt – als eine Lösung von gleich mehreren Kommunikationsproblemen. Schließlich
- folgen Menschen lieber Menschen und nicht Unternehmen,
- haben Mitarbeitende eine größere Glaubwürdigkeit als die Unternehmen und ihr Führungspersonal, wie das Edelman Trust Barometer und andere Studien jedes Jahr neu belegen;
- erhalten Beiträge von Menschen – gerade auf LinkedIn und Facebook – deutlich mehr Sichtbarkeit, während Unternehmensbeiträge schlichtweg in die Bedeutungslosigkeit fallen. Genau dies machen der LinkedIn Algorithm Report von Richard van der Blom und andere Studien Jahr für Jahr deutlich.
Kein Wunder, dass die Zahl der Corporate Influencer Programme in der DACH-Region boomen. Dies lässt sich an vielen Stellen erkennen: Vermehrte eigene Corporate Influencer Projekte, viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, wachsende Zahl an Fachbeiträgen zählen ebenso dazu wie die Corporate Influencer Map von Schaffensgeist und die steigenden Mitgliederzahlen in der LinkedIn-Gruppe Corporate Influencer Club meines geschätzten Kollegen Klaus Eck.
Aber warum dann nur die Vorhut?
Trotz, aber auch gerade wegen dieses Wachstums bin ich überzeugt, dass Corporate Influencer nur die Vorhut bei dieser kommunikativen Herausforderung bilden. Denn diesen Ansatz – der Unternehmens-Account als Basis, die privaten Accounts als aktive Player – müssen wir auf im Grunde auf alle Mitarbeitende ausdehnen. Zumindest auf alle diejenigen, die bereit sind, ihre privaten Accounts für Company-Themen zu öffnen. Und dies sind immer mehr.
Gehen wir mal davon aus, dass Unternehmen gerade auf LinkedIn und Facebook in den kommenden Jahren ihre Sichtbarkeit komplett einbüßen werden. Zumindest, was organische Beiträge betrifft. Ihre Sichtbarkeit erreichen sie künftig rein über Werbung, wozu Meta, LinkedIn, YouTube & Co. ja auch fleißig neue Formate entwickeln und uns nahebringen. Oder sie benötigen sehr aktive Mitarbeitende.
Vielfältige Gründe
Wie stark sie benötigt werden, das zeigen allein drei Argumente:
- Wenn die klassischen Medien weiterhin so stark an Reichweite und Wahrnehmung verlieren, werden gerade mittelständische und größere Unternehmen immer mehr Themen über Business-Plattformen wie LinkedIn & Co. (okay, eine Alternative zu LinkedIn gibt es leider gerade kaum) – spielen wollen bzw. müssen. Doch bei immer mehr Themen benötigen sie immer mehr Menschen, die die Themen sowohl auf den Plattformen verbreiten als auch bei realen Events vertreten. Schaffen das die Corporate Influencer und die aktiven Führungskräfte allein?
- Wenn immer dieselben Personen Beiträge der Organisation setzen, teilen, kommentieren und in eigenen Beiträgen aufgreifen, wird dies den Algorithmen schnell auffallen. Dies wird wiederum mit Sicherheit zu Lasten der Sichtbarkeit bei den Accounts bzw. bei den Themen gehen. Benötigen wir deswegen nicht immer mehr Menschen innerhalb der Organisation, die Themen setzen und mit den gespielten Themen interagieren?
- Wenn die Corporate Influencer innerhalb der Organisation die Social-Media-Plattform in ihrer Arbeitszeit aktiv bespielen und bedienen dürfen, schaffen wir dann nicht eine interne Zweiklassengesellschaft – gerade in Unternehmen, die eher restriktiv mit dem Thema Social Media umgehen? Davon kenne ich einige. Und wenn wir bedenken, dass schon heute viele „normale“ Mitarbeitende skeptisch auf die Arbeit von Social Media Abteilungen und Corporate Influencer blicken, ob die wirklich etwas zum Ziel des Unternehmens beitragen: Würde eine Einbindung weiterer Mitarbeitenden nicht helfen, dieses Misstrauen schrittweise abzubauen?
Das Ende von Corporate Influencing?
Ich sehe schon heute, wie einige Unternehmen den Begriff Corporate Influencer immer größer sehen und genau in die Richtung denken, die ich hier beschreibe. Aber ist dies der Anfang vom Ende von Corporate Influencern? Ganz und gar nicht.
Ähnlich wie bisher die Corporate Influencer werden wir dazu auch alle anderen „willigen“ Mitarbeitenden schulen müssen. Genau in diesem Schulungs-, Vermittlungs- und Lernprozess nehmen wiederum bestehende Corporate Influencer die Vorhut ein – in ihrer Rolle als interne Influencer und Gesprächspartnerinnen, als Enabler und Multiplier, als Überzeuger und Vertiefer. Ich würde sogar so weit gehen: Ohne ihre aktive Einbindung wird dieser unternehmensweite Prozess sicherlich scheitern.
Auf diesem Weg wird Corporate Influencing dann ein noch stärkeres Element der Unternehmenskultur, da es künftig (fast) alle Mitarbeitende betrifft. Dafür werden sich Unternehmen wiederum noch stärker öffnen müssen und ihren Mitarbeitenden vertrauen – und zwar möglichst allen bereiten Mitarbeitenden. Und davon sind viele Organisationen (leider) noch weit entfernt.
Spannende Zeiten
Vielleicht denke ich gerade schon etwas zu weit. Und niemand weiß genau, wie sich LinkedIn und andere Plattformen gerade in KI-Zeiten konkret entwickeln. Nur eines bleibt sicher: Die kommunikative Verantwortung von Mitarbeitenden für ihre eigenen Unternehmen wird größer. Und dies sind wirklich spannende Zeiten, die da auf uns Kommunikationsleute zurollen.
