Vom Ende mensch­li­cher Kommunikation.

22.05.2023

Vor gut 4 Wochen habe ich einen Bei­trag im Goo­gle­Watch­Blog gele­sen, der mich nach­denk­lich gemacht hat. Sehr nach­denk­lich. »KI schreibt jetzt auto­ma­tisch Nach­rich­ten«, schreibt Jens – und kom­men­tiert gleich wei­ter: »muss das wirk­lich sein?« Aktu­ell bre­chen immer mehr AI-Tools in die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­for­men als angeb­li­che Hel­fer­chen ein – und zwar quer durch alle pri­va­ten wie beruf­li­chen Kanä­le. Wol­len wir das? Ein Gedan­ken­spiel über Men­schen, die schritt­wei­se von ChatGPT & Co. ersetzt wer­den könnten.

Nein, ich bin kein Tech­no­lo­gie-Geg­ner oder ‑Zweif­ler. Ganz im Gegen­teil. Jeder, der mich kennt, in Work­shops und Coa­chings erlebt oder mei­ne Bei­trä­ge hier ver­folgt, wird dies wis­sen. Ich ste­he dem Ein­satz von KI sehr auf­ge­schlos­sen gegen­über. Schon von der Recher­che zu mei­nem Buch „Pra­xis Online-Tex­ten“ weiß ich, wie stark KI bereits seit Jah­ren bei Medi­en ein­ge­setzt wird und auch mir hel­fen kann, mei­ne Arbeit bes­ser und pro­duk­ti­ver zu machen.

Natür­lich gibt es vie­le Chancen

Nie­mand muss mich daher davon über­zeu­gen, wie toll KI ist und wie gran­di­os ChatGPT & Co. mir hel­fen. Nein. Denn das weiß ich – und nut­ze es auch: zur Struk­tu­rie­rung von Tex­ten, zur Redak­ti­on von Text­ab­schnit­ten, zur Recher­che von SEO-Key­words, zur Erstel­lung von Vide­os wie die­ses oder von Bil­dern – wie das Titel­bild zu die­sem Bei­trag. Und natür­lich sehe ich aus Kom­mu­ni­ka­to­ren-Sicht vie­le Ein­satz­mög­lich­kei­ten – ob zur FAQ-Erstel­lung, zum Kun­den­ser­vice, zum Abbe­stel­len von News­let­tern etc.

Aber hat all dies etwas mit per­sön­li­cher, zwi­schen­mensch­li­cher, ja, pri­va­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on zu tun? Nicht wirk­lich. Und genau hier set­ze ich mei­ne Grenzen.

Men­schen vs. Maschi­nen wie ChatGPT

War­um kom­mu­ni­zie­re ich mit euch allen per Mes­sen­ger, auf Insta­gram, auf Lin­ke­dIn? Ganz ein­fach: Weil ich mich für die Men­schen inter­es­sie­re – ihre Tex­te, ihre oft auch ande­ren Mei­nun­gen, ihre Ein­schät­zun­gen, ihre Erkennt­nis­se, ja, beson­ders auch die ganz per­sön­li­chen, indi­vi­du­el­len Noten. Und egal, wie mich Inhal­te errei­chen – ob per Mail, per Whats­App, auf Lin­ke­dIn oder Twit­ter – all die­se sind immer ganz eng mit etwas ver­bun­den: Einem Men­schen, der dahin­ter steckt, also ein klu­ger Kopf, wie die FAZ frü­her mal in einer Wer­bung titel­te. Doch bleibt dies so?

Sehen wir uns 3 Anwen­dun­gen an:

Bei­spiel 1: Goog­le wird künst­li­che Intel­li­genz in Gmail inte­grie­ren und kann dann mei­ne E‑Mails vor­for­mu­lie­ren, ver­fass­te Mails ver­bes­sern oder voll­stän­dig selbst schrei­ben, wie die­se Screen­shots ver­deut­li­chen. „In den Demos sieht das alles toll aus und wird den Nut­zern sicher­lich viel Zeit spa­ren. Aber muss das wirk­lich sein?“ Die Fra­ge im Goo­gle­Watch­Blog ist berech­tigt. Und wenn die KI dann sicher­lich bald auch ant­wor­ten kann: Unter­hal­ten sich künf­tig zwei KIs mit­ein­an­der, wie in mei­nem Titel­bild? Also ohne die Menschen?

Bei­spiel 2: Ein neu­es Fea­ture auf Lin­ke­dIn für die KI-Con­tent-Krea­ti­on sorgt aktu­ell nicht gera­de für Begeis­te­rung. Mit wenig Auf­wand und mit KI-Unter­stüt­zung lässt sich ein Pos­ting erstel­len und publizieren:

 „All the ‘Crea­tor’ has to do is enter from 1 up to 30 words in the [Crea­te a post] func­tion, click (Draft post) and [In]’s AI will crea­te a draft for them to review, edit, or just choo­se to post as is”, schreibt Kevin D. Tur­ner auf Lin­ke­dIn.  

Geht es bei Lin­ke­dIn nicht um den Auf­bau und die Pfle­ge von mensch­li­chen und nicht von maschi­nel­len Kon­tak­ten? Ist das – bit­ter gesagt und auch so gemeint – das Ende des B2B-Net­wor­king? Wie gesagt: Unter­hal­ten sich auch bei Lin­ke­dIn bald die Bots mit­ein­an­der? Richard van der Blom hat recht, wenn er schreibt (von mir über­setzt): „Bit­te unter­schät­ze dei­ne treue Com­mu­ni­ty nicht. Sie wer­den es füh­len, wenn die KI dei­ne Bei­trä­ge schreibt.“

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Übri­gens: Wer wis­sen will, wie das künf­tig aus­se­hen könn­te: Ich habe test­wei­se (sie­he Bild) mal Mer­lin mit Lin­ke­dIn ver­bun­den. Und prompt schlägt mir Mer­lin für mei­nen Lin­ke­dIn-Post nicht nur The­men vor, son­dern schreibt Arti­kel gleich vor (aktu­ell nur auf Eng­lisch), die ich „nur“ noch pos­ten müss­te. Nein, das wer­de ich nicht machen.

„Net­wor­king at its worst“

Bei­spiel 3: »So habe ich 400 Kom­men­ta­re in 30 Minu­ten per KI beant­wor­tet«, brüs­ten sich Möch­te­gern-Kom­mu­ni­ka­to­ren der­zeit auf Lin­ke­dIn. Aha, „beant­wor­tet“. Ich ver­ste­he schon. Ziem­lich geist­los, wie in vie­len Kom­men­ta­ren zum Bei­trag zu lesen ist. Sor­ry, but that’s net­wor­king at its worst! Zumin­dest aus mei­ner, men­schelnd gepräg­ten Sicht.

Aber wird das vie­le dar­an hin­dern, trotz­dem mas­siv ihre Con­tent-Pro­duk­ti­on zu erhö­hen – und damit ihre Com­mu­ni­ty zu ver­lie­ren bzw. zu ver­är­gern? Wohl kaum. Nur: »Bes­ser wer­den dadurch die Inhal­te den­noch nicht unbe­dingt«, stim­me ich Klaus Eck voll­kom­men zu.

Wie gesagt: Aktu­ell wirkt die­se Ent­wick­lung für mich, als wür­de man auf eine Ver­an­stal­tung wie die bal­di­ge re:publica nicht die Men­schen, son­dern nur noch deren KI schi­cken, die sich dort aus­tau­schen, Par­ty fei­ern, Wis­sens­wer­tes auf­sau­gen und dies dann in ihren Spei­chern fixie­ren. Per­sön­lich­keit? Die gin­ge ver­lo­ren. Und die Men­schen selbst? Brau­chen wir die noch?

GPT bald menschlich?

“GPT‑4’s per­for­mance is strikin­gly clo­se to human-level per­for­mance, and often vast­ly sur­pas­ses pri­or models such as ChatGPT. Given the breadth and depth of GPT‑4’s capa­bi­li­ties, we belie­ve that it could reason­ab­ly be view­ed as an ear­ly (yet still incom­ple­te) ver­si­on of an arti­fi­ci­al gene­ral intel­li­gence (AGI) sys­tem”, zitiert Sascha Pal­len­berg aus einem Microsoft-Papier.

Das zeigt: In den nächs­ten Mona­ten wer­den immer mehr Tech-Com­pa­nys auf­re­gen­de Anwen­dungs­ge­bie­te zei­gen – weit über ChatGPT hin­aus. Dar­auf freue ich mich, aber: Mich erschreckt es, dass sie bald schon – wie Sascha zitiert – so weit sind, die „mensch­li­che Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on“ zu kopie­ren. Viel­leicht bequem für vie­le Versender.

Mich beun­ru­higt dies eher. Als Freund der Kom­mu­ni­ka­ti­on, einer mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ich hof­fe wei­ter­hin, dass sich auf der ande­ren Sei­te der digi­ta­len Lei­tung ein Mensch befin­det – und kei­ne Maschi­ne, abge­se­hen vom schnel­le­ren Kun­den­dienst o. ä. Denn wofür benö­ti­gen wir ansons­ten die Men­schen noch?

Zu mensch­lich für die­se neue Welt?

Wie gesagt: Ich bin Tech­no­lo­gie-Freund, ein digi­ta­ler Ent­de­cker und Wis­sens­ver­mitt­ler – aber gleich­zei­tig ein Tra­di­tio­na­list. Für mich ist es eine Miss­ach­tung der ande­ren Per­son, eine Gering­schät­zig­keit, wenn ich die­ser nur noch auto­ma­ti­sier­te Nach­rich­ten schrei­be. Natür­lich gibt es dafür schon genü­gen­de Bei­spie­le – wie die­se auto­ma­ti­sier­ten Geburts­tags­grü­ße. Aber schätzt jemand die­se wirk­lich als per­sön­li­chen Gruß? Und wollt ihr die­se wirk­lich von euren engs­ten Freun­din­nen, Bekann­ten oder Geschäfts­part­nern erhal­ten? Ich nicht.

 Viel­leicht bin ich aber ein­fach zu mensch­lich. Aber dazu ste­he ich. Und ihr?

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