Nein, wir sind noch nicht alle online!

28.10.2019

Es gibt Phra­sen, auf die ich etwas all­er­gisch reagie­re. Und die ich in mei­nen Trai­nings und Work­shops regel­mä­ßig the­ma­ti­sie­re: Die belieb­te gut­gläu­bi­ge Aus­sa­ge, dass ganz Deutsch­land im Inter­net ist. Denn dies ist nicht wahr. Ver­dammt. Noch nicht. Lei­der, wie ich als Bera­ter für digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on zuge­ben muss.

Vor weni­gen Tagen hieß es zum Bei­spiel im Teaser eines Blog-Bei­trags bei news aktu­ell: „Mitt­ler­wei­le ist das World Wide Web (…) fest im All­tag nahe­zu aller Deut­schen eta­bliert. Wie bereits im Vor­jahr sind inzwi­schen 90 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung online. Das ist eines der zen­tra­len Ergeb­nis­se der dies­jäh­ri­gen ARD/ZDF-Online­stu­die.” 

Von halb­wah­ren Zah­len und Aussagen …

Naja! Die­se Aus­sa­ge ist gera­de mal halb­wahr. Denn nicht 90 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung sind bei uns online. Viel­mehr heißt es in der erwähn­ten Grund­la­gen­stu­die, die im Auf­trag der ARD/ZDF-For­schungs­kom­mis­si­on von KANTAR durch­ge­führt wur­de: “2019 nut­zen rund 90 Pro­zent der Bevöl­ke­rung das Inter­net zumin­dest gele­gent­lich.” Also viel­leicht ab und zu, viel­leicht wöchent­lich, viel­leicht monat­lich, über den eige­nen oder einen frem­den Inter­net-Zugang. So fest ist das WWW also doch noch nicht im All­tag der deut­schen Gesamt­be­völ­ke­rung etabliert. 

Key Facts der ARD/ZDF-Onlinestudie 2019
Key Facts zur ARD/ZDF-Online­stu­die 2019 

Im nächs­ten Blog-Absatz heißt es dann kor­rekt: “50 Mil­lio­nen Men­schen in Deutsch­land sind täg­lich online.” Das bedeu­tet: Bezo­gen auf die täg­li­che Nut­zung des Inter­nets haben laut ARD/ZDF-Online­stu­die genau 71 Pro­zent der Befrag­ten ange­ge­ben, an einem nor­ma­len Tag online gewe­sen zu sein. Also doch nicht ganz Deutsch­land – und dazu mit beträcht­li­chen Unter­schie­den zwi­schen den Alters­stu­fen. Über­setzt heißt dies: 29 Pro­zent und damit fast ein Drit­tel der deut­schen Bevöl­ke­rung nut­zen täg­lich nicht das Inter­net, weil sie in der gro­ßen Mehr­heit “gene­rell kein Inter­es­se am Inter­net /​ an die­sem Medi­um” haben, wie der D21-Digi­tal-Index 2018/​2019 konkretisiert.

… die zu fal­schen Schluss­fol­ge­run­gen führen.

Jetzt könn­te jemand die Unter­schei­dung als klein­lich und mei­ne Auf­re­gung als dünn­häu­tig bezeich­nen. Für mich nicht. Als Kom­mu­ni­ka­tor den­ke ich in Ziel­grup­pen – wie dies auch Unter­neh­men und Insti­tu­tio­nen tun (soll­ten). Und gera­de sol­che Stu­di­en und Aus­sa­gen bestim­men die kom­mu­ni­ka­ti­ve Pla­nung ganz vie­ler Orga­ni­sa­tio­nen ent­schei­dend mit. Falsch inter­pre­tier­te Aus­sa­gen füh­ren dazu, dass sie ihr kom­plet­tes Bud­get in den digi­ta­len Bereich umschich­ten, da ja heu­te „jeder online ist“ und ich mei­ne Ziel­grup­pen nur noch dort errei­chen kann. 

Nur: Bei 90 Pro­zent gele­gent­li­cher und “nur” 71 Pro­zent täg­li­cher Nut­zung: Wer­de ich wirk­lich jeden errei­chen kön­nen? Wohl kaum. Nicht mal theo­re­tisch. Denn dass eine Per­son, die gele­gent­lich online ist, zufäl­lig auf mein Online-Ange­bot, mei­nen Social Media Kanal, mei­nen Blog-Bei­trag tref­fen wird, ist nicht wirk­lich wahr­schein­lich – trotz aller SEO‑, Ads‑, Con­tent-Mar­ke­ting‑, Social Media- und Mes­sen­ger-Anstren­gun­gen. Es kommt also auch in heu­ti­ger Zeit noch auf den rich­ti­gen Mix, also auf eine stra­te­gisch geplan­te inte­grier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on an, um Stake­hol­der pass­ge­nau mit den eige­nen Inhal­ten zu errei­chen – unab­hän­gig ob digi­tal oder analog. 

Dazu mein Rat­schlag: Jeder soll­te sich sol­che Zah­len und Sta­tis­ti­ken genau­er anzu­se­hen und die­se auf Basis der eige­nen zu errei­chen­den Ziel­grup­pen detail­liert für sich ana­ly­sie­ren. Nur so wird er die adäqua­te Gewich­tung für sei­ne Content‑, Media- und Kanal­pla­nung fin­den. Und dazu ste­hen neben der ARD/ZDF-Online­stu­die wei­te­res hilf­rei­ches Daten­ma­te­ri­al bei­spiels­wei­se über die Markt-Media-Stu­die “dai­ly digi­tal facts” der agof oder den erwähn­ten und von mir geschätz­ten D21-Digi­tal-Index zur Verfügung. 

Wenn wir doch etwas online affi­ner wären …

An einem Bahnhof in Deutschland im Jahre 2019
An einem Bahn­hof irgend­wo in Deutsch­land im Jah­re 2019

Ein Ziel­grup­pen-All­heil­mit­tel ist das WWW mit sei­nen Kanä­len – bis heu­te – defi­ni­tiv nicht, und das Social Web erst recht nicht. Und wenn ich mir die lang­sa­me Ent­wick­lung bei uns betrach­te – The­ma WLAN-Ver­brei­tung, Surf-Geschwin­dig­keit, recht­li­che Beden­ken, inter­ne Hin­der­nis­se inner­halb der Orga­ni­sa­tio­nen und poli­ti­sches Unwis­sen – Stich­wort “Ja, Digi­ta­li­sie­rung ist jetzt sicher nicht mein Spe­zi­al­be­reich, aber ein abso­lu­tes Zukunfts­the­ma” der damals neu­en bay­ri­schen Digi­tal­mi­nis­te­rin Judith Ger­lach –, dann wird dies auch so noch eine Wei­le blei­ben. Wie gesagt, leider. 

Daher: Erst lesen, dann inter­pre­tie­ren, dann umset­zen. Und dabei das logi­sche Den­ken bit­te nicht vergessen! ;-)))

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