Als langjähriger Trainer habe ich das Glück, pro Jahr auch mit rund 350 Volos, Juniorinnen und und Junioren aus der PR- und Kommunikationsbranche mehrere Tage zu verbringen. Mir persönlich bringt das immer viel Neues und Anregendes, veränderte Denkweisen und inspirierende Momente, die mich in meiner Rolle als Coach und Consultant weiterbringen. Doch mein Rückblick 2018 ist auch von einigen befremdlichen Momenten geprägt, die insbesondere die Agenturlandschaft betreffen.
Beginnen wir mit einer ganz einfachen Frage: Wie soll man als Trainer reagieren, wenn man in Workshops von Volos mit solchen Aussagen konfrontiert und gleichzeitig um Rat gefragt wird:
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- „Wir haben am Wochenende Anrufe von unserem Chef erhalten, dass wir in unseren XING- und LinkedIn-Profilen sofort das Wort Volontär löschen sollen und durch Berater ersetzen müssen, auch wenn wir es doch noch gar nicht sind.“
- „Wir dürfen den Kunden gegenüber auf keinen Fall sagen, dass wir noch Volontäre sind.“
- „Wir werden Kunden gegenüber als Berater abgerechnet und nicht als Volos. Schließlich wissen dies die Kunden nicht.“
- „Wir müssen uns bei Fehlern stets dem Kunden rechtfertigen, obwohl wir doch als Volos noch in einem Lernprozess sind und daher auch Fehler machen.“
- „Dass es bei Wettbewerben und Konzepten abends auch mal später werden kann, ist vollkommen okay. Aber wir sind oft am Wochenende die Einzigen in der Agentur, die arbeiten müssen, da wir ja nur Volontäre seien.“
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Ja, diese Aussagen gab es. Leider. Alle. Gleich mehrfach. Von Volos aus Mini-Agenturen, mittelgroßen Agenturen, GPRA-Agenturen. Offen in Kursen ausgesprochen oder im 1-zu-1-Gespräch anvertraut. Und dabei drehte sich mir jedes Mal der Magen um. Sind dies alles Einzel(zu)fälle? Ich hoffe und wünsche es mir.
Bärendienst gegenüber Menschen und Branche
Aber darf es überhaupt solche Fragen geben? Natürlich nicht. Wer als Agentur solche Fragen verursacht, der hat seine Verantwortung gegenüber dem Nachwuchs nicht verstanden. Und nicht nur das: Aktuell gibt es viele Ideen und Projekte, um Agenturen und Nachwuchs noch näher zu bringen: Die #30u30-Initiative von Nico Kunkel, die ich mit meinem Blog-Beitrag 2012 unbewusst mitinitiiert habe; Branchenkampagnen wie komm-in-die-agentur.de; intelligente Speed-Dating-Formate von Hochschulinitiativen wie The Pitch der Public Relations Studierenden Hannover (PRSH.) und viele andere (Disclaimer: Ich bin PRSH.-Kuratoriumsmitglied). Genau diesen Initiativen wird mit solchen Aktionen – ob Einzelfall oder Wiederholungstäter – der fruchtbare Boden entzogen, ja, der Garaus gemacht.
Denn: Wir leben nicht nur in einem digitalen Zeitalter. Wir leben vor allem in einer guten alten Zeit, in der auch in Workshops darüber offen gesprochen wird. Und danach heißt es nicht nur für alle Zuhörenden – Treffer, Agentur aus dem Blickfeld versenkt – , sondern auch schnell, dass viele Agenturen so seien. Auch wenn ich aus meiner über zwei Jahrzehnte alten Erfahrung zu wissen denke, dass es in der Mehrheit nicht so aussieht: Plötzlich wird allen dieses schädliche Siegel übergezogen, sodass – so eine weitere Beobachtung 2018 – Agenturen für immer weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Arbeitgeber in Frage kommen.
Auf der Suche nach der Agentur-Lust
Was ist also zu tun, um dem Nachwuchs Lust auf die Agentur zu machen? Im von mir sehr geschätzten Podcast „Talking Digital“ sprach im Dezember Saschar Klein mit Philipp Jessen von Storymaschine. Und auch wenn dies keine klassische (PR-)Agentur ist, so sprach er doch etwas Bedeutsames aus: Wir schaffen ein Umfeld, in dem die Leute gerne sind, sich wohlfühlen und sich dort mit anderen vernetzen. Also einfach gesagt: Wohlfühl- und Netzwerkatmosphäre statt Kreativ-Räumen im Untergeschoss.
Natürlich ist mir bewusst, dass sich viele Agenturen dazu ausführlich Gedanken machen und diese umsetzen. Nur scheinen viele andere – so meine Beobachtung – noch kräftig lernen zu müssen. Und die leidige 2018 viel diskutierte Gehaltsfrage hilft allein nicht wirklich weiter; schließlich geht es vor allem um die interne Kultur. Wie also vorgehen? Vielleicht können ja solche Fragen zu diesem notwendigen Lernprozess beitragen:
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- Was kann ich konkret tun, damit sich der Nachwuchs bei uns wirklich wohlfühlt und uns nicht nur als eine (zu) kurze Treppenstufe auf der Karriereleiter sieht?
- Welche Fortbildungen haben und promoten wir kontinuierlich, schließlich befindet sich der Nachwuchs in einer Bildungsphase?
- Welche Vernetzungsmöglichkeiten beispielsweise über interne wie insbesondere externe Branchen-Events bieten wir aktiv an, damit sich unsere Volos mit anderen austauschen können (und damit auch neue für uns als Ausbilder und Team begeistern können)?
- Wie stark und intensiv nehmen wir unsere Volos denn selbst an die Hand, schließlich heißt Ausbildung auch „aus Fehlern lernen“?
- Wie akzeptiert sind unsere Volos wirklich bei uns – gerade auch was ihre Bereiche und ihre Integration in Entscheidungsprozesse betrifft?
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Mein finaler Tipp, liebe Agenturen: Sprecht viel mit euren Volos, euren Juniorinnen und Junioren. Und bitte einfach nur zuhören! So lernt ihr vieles. Oder holt euch Anregungen über die erwähnte Initiative #30u30, die ganz nah an diesen Menschen und ihren Denkweisen ist. Denn eines wissen wir doch alle: Die Recruiting-Zeiten beim „War of Talents“ werden künftig noch deutlich rauer werden.
„So it‘s time for a change. Now.„