In meinem neuen Buch „Die digitale Kommunikationsstrategie“ versuche ich immer wieder, in sogenannten „Ausflügen“ kompaktes Wissen zu wichtigen Begriffen, Topics und Trends zu vermitteln. Innerhalb der kommenden Wochen und Monate werde ich einige dieser „Ausflüge“ aus dem Buch herausziehen und hier im Blog leicht adaptiert innerhalb einer wöchentlichen 15-teiligen Serie publizieren, unter dem Stichwort: „Digitales Wissen“. Der 1. Ausflug betrifft den „Hype Cycle“ und seine Relevanz für die Kommunikationsanalyse.
Waren früher technologische Veränderungsprozesse oft generationsübergreifende Vorgänge, so hat sich die Entwicklung digitaler Technologien heute deutlich beschleunigt. Von dem Experiment und der Beta-Version zum marktreifen Massenprodukt ist es oft nur eine Sache von wenigen Jahren oder gar Monaten. Dabei durchlaufen viele Technologien bei ihrer Implementierungsphase – ob Beta-Version mit eingeschränkten Nutzerzahlen oder direkter Start als Massenprodukt – verschiedene Phasen in der öffentlichen Wahrnehmung. In diesem Kontext lohnt sich ein Blick auf den sogenannten Hype Cycle.
Der Begriff „Hype Cycle“ wurde im Jahre 1999 durch Jackie Fenn vom Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. geprägt. Er zeichnet zeitlich nach, welche Phasen der öffentlichen Aufmerksamkeit eine neue Technologie nach ihrer Einführung durchläuft. Während – siehe Abbildung – auf der Y-Achse Daten bezüglich Aufmerksamkeit und Erwartungen an eine neue Technologie aufgetragen sind, verläuft auf der X-Achse der Faktor Zeit seit erstmaliger Bekanntgabe der neuen Technologie.
Die 5 Phasen des Hype Cycle
Insgesamt sind fünf Phasen zu beobachten, deren zeitlicher Verlauf sich wie folgt charakterisieren lässt.
Die erste Phase definiert Gartner als „technologischen Auslöser“. Sie bezeichnet den Moment, indem eine neue Technologie öffentlich sichtbar wird und nach dem Durchbruch schnell auf ein hohes Interesse stößt. Stufenweise nimmt ihre Verbreitung zu, was zu einer immer intensiveren Nutzung führt, oftmals mit übertriebenen und unrealistischen Einschätzungen. Nicht erfüllte Erwartungen an die neue Technologie führen wiederum dazu, dass die Kurve vom „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ ins „Tal der Enttäuschungen“ abstürzt. Der Kurvenverlauf verdeutlicht, dass die Technologie so schnell sie öffentliche Sichtbarkeit erhalten hat, so rasch auch wieder an Aufmerksamkeit verliert. Als Konsequenz nehmen beispielsweise die Berichterstattung in den Medien und die Nutzung der Technologie gerade auf die Masse der Menschen bezogen wieder ab.
Am Tiefpunkt ist der Moment gekommen, so der Verlauf des Hype Cycle, dass sich die Unternehmen, die Institutionen und die einzelnen Nutzer stärker mit der neuen Technologie auseinandersetzen und die wirklichen Möglichkeiten der Neuerung zu erkennen suchen. Das Wissen verbunden mit jetzt deutlich realistischeren Erwartungen bezüglich der Vorteile wie der Grenzen der Technologie führt auf einen „Pfad der Erleuchtung“. Wird die positive Einschätzung der Vorteile und Chancen von anderen geteilt, kann die Entwicklung zu einem „Plateau der Produktivität“ gelangen. In diesem Moment hat die Technologie auf jeden Fall ihren Hype verloren. Sie ist stattdessen zu einem festen Bestandteil des Establishments geworden, wobei die finale Höhe des Plateaus stark davon abhängt, ob die Technologie sich auf dem Massenmarkt behaupten oder eher in Nischenmärkten akzeptiert und übernommen wird.
Potenzialanalyse digitaler Technologien und Medien
Der Zyklus hilft heutzutage insbesondere Unternehmens- und Technologieberatern, die Einführung einer neuen Technologie einschätzen und final bewerten zu können. Gleichzeitig lässt sich der Zyklus gut auf die digitale Kommunikation übertragen. Ohne sich von öffentlichen Hypes anstecken zu lassen, lassen sich mit seiner Hilfe die wirklichen Potenziale digitaler Technologien und Kommunikationsmedien für das eigene Umfeld erkennen.
Gerade Kommunikationsexperten dient er deshalb heute vielfach als Vorlage, um die Einführung neuer Technologien, neuer Tools, neuer Trends zu bewerten. Schließlich müssen sie in ihrer Funktion als Berater in der Lage sein, frühzeitig die Chancen neuer Plattformen, Dienste und Anwendungen zu beurteilen sowie gegebenenfalls deren kommunikatives Risikopotenzial zu identifizieren. Letztlich sollten Kommunikationsmanager die Aufgabe einer Themen-Analyse und -Bewertung – so die Professoren Thomas Pleil und Ansgar Zerfaß in ihrem „Handbuch Online-PR“ „als Teil des Issues-Managements sehen, das in diesem Fall der kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung der Online-Kommunikation selbst dient“.
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Hinweis: Dieser „Ausflug“ entstammt meinem neuen Buch: „Die digitale Kommunikationsstrategie. Praxis-Leitfaden für Unternehmen. Mit Case Studys und Expertenbeiträgen. Für eine Kommunikation in digitalen Zeiten.“ Weitere Infos zum Buch, Hintergründe zur Entstehung des Leitfadens, Vorstellung der Gastautoren und verwendete Studien, Bestellung von Rezensions-exemplaren sowie ein Link zur Buchbestellung finden sich hier.
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