In den letz­ten Wochen habe ich viel mit dem The­ma AI, ChatGPT und mit diver­sen Chat­bots her­um­ge­spielt. Schließ­lich ist dies nicht nur eines der aktu­el­len Trends unse­rer Zeit, son­dern mit Sicher­heit auch eines der Kern­the­men der nächs­ten Jah­re. Und dies gera­de für Per­so­nen wie mich, die sich tag­täg­lich mit der Ent­wick­lung, den Stra­te­gien, den Kanä­len und den Tex­ten der Kanä­le in der digi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­on beschäf­ti­gen. Doch wie gut ist die AI im Bereich Online-Tex­­­ten? Ein aus­führ­li­cher Praxistest.

Vor gut einem Jahr habe ich ein Buch über das Online-Tex­­­ten geschrie­ben und publi­ziert. In die­sem habe ich mich aus­führ­lich mit unse­rem Lese­ver­hal­ten, mit Auf­bau und Struk­tu­rie­rung von Tex­ten, mit der Rol­le von SEO u. v. a. m. beschäf­tigt – hin­sicht­lich von Tex­ten für Web­sei­ten, Blogs, News­let­ter und Social-Media-Kanä­­le. In die­sem Zusam­men­hang hat­te mein lie­ber Kol­le­ge und Freund Andre­as Schö­ning einen Gast­bei­trag zum »Auto­ma­ti­sier­ten Tex­ten« geschrie­ben – und dabei die damals bei uns schon vor­han­de­nen Tools vor­ge­stellt und prak­tisch angewendet. 

ChatGPT – Ergeb­nis­se aus Sicht eines Online-Texters

Dies war der Anfang einer Ent­wick­lung. Doch spä­tes­tens seit ChatGPT by Micro­soft, Bard by Alpha­bet oder Ernie by Bai­du hat das The­ma gera­de in den letz­ten 3 Mona­ten extrem an Fahrt auf­ge­nom­men. Natür­lich wird dies die Arbeit jeder Tex­te­rin und jedes Tex­ters ver­än­dern. Seit­dem wird viel über die Chan­cen und Vor­tei­le sowie die Risi­ken und Ein­schrän­kun­gen diskutiert. 

Nur: Wie gut sind die Tools denn wirk­lich in der Pra­xis, wenn man das Ergeb­nis mit den zen­tra­len Regeln des Online-Tex­­­tens spie­gelt? Und wen könn­te man dazu am bes­ten fra­gen? Natür­lich ChatGPT selbst. Also habe ich ihm die fol­gen­de Fra­ge und Auf­ga­be gestellt:

Wie schreibt man gute Online-Texte? Frage von Dominik Ruisinger an den ChatGPT.
Fra­ge an ChatGPT zum Online-Texten

Sehen wir uns das Ergeb­nis aus Sicht einer Pro­­fi-Tex­­­te­rin oder eines Pro­­fi-Tex­­­ters genau­er an und bewer­ten es nach Schul­no­ten: Also Titel, Teaser, Fließtext.

1) Der Titel: Schul­no­te befriedigend

Titel erstellt von ChatGPT zum Thema Erstellung von Online-Texten
Der Titel von ChatGPT zum Online-Texten

For­mel­les: Der Titel ist klar und ver­ständ­lich for­mu­liert und bringt das The­ma auf den Punkt. Das ist okay. Tech­nisch wählt ChatGPT eine Kom­bi­na­ti­on aus Spitz­mar­ke »Gute Online-Tex­­­te schrei­ben« und Listic­le (»Tipps für eine erfolg­rei­che Online-Prä­­senz«). Erwar­tet wird bei die­sem Titel ein Listic­­le-Arti­kel, der sich schnell über­flie­gen lässt. Noch bes­ser wäre es gewe­sen, der Lese­rin sofort die Zahl der Tipps anzu­zei­gen – à la: »Die­se 7 Tipps wer­den dir hel­fen«. Zudem stol­pert die Lese­rin über die Dopp­lung »Online-Tex­­­te« + »Online-Prä­­senz«. Die­se ist nicht not­wen­dig und führt mit dem Begriff »Online-Prä­­senz« sogar etwas in die Irre.

SEO: ChatGPT hat die Key­words »Online-Tex­­­te« und »Tipps« inte­griert. Die­se Begrif­fe sind okay, aber nicht uni­que. Schließ­lich gibt es zahl­rei­che wei­te­re Tex­te mit die­sen Key­words, mit denen der Text kon­kur­rie­ren wird. Zudem ist der Titel – durch die Dopp­lung – mit 71 Zei­chen und 638 Pixel zu lang – und wird damit von den meis­ten Sys­te­men abgeschnitten.

Fazit: Zusam­men­ge­fasst hät­te ein Online-Tex­­­ter zwar nicht uni­que, aber dafür ein­fa­cher getitelt:

»Die 7 wich­tigs­ten Tipps für bes­se­re Online-Texte«.

2) Der Teaser: Schul­no­te ausreichend

Teaser erstellt von ChatGPT zum Thema Erstellung von Online-Texten
Teaser geschrie­ben von ChatGPT zur Fra­ge zum Online-Texten

For­mel­les: Wir leben in einer Zeit der kur­zen Zeit­fens­ter. Die meis­ten von uns sind Skim­mer oder Scan­ner, die Bei­trä­ge quer­le­sen oder über­flie­gen. Jeder über­flüs­si­ge Satz und jede offen­sicht­li­che Wie­der­ho­lung ist erschwe­rend. Teaser müs­sen daher Titel ergän­zen und nicht wie­der­ho­len. Vor allem müs­sen sie Lese­rin­nen und Leser direkt in den Text hin­ein­zie­hen. Die Wie­der­ho­lung des Titels im Teaser in unse­rem Bei­spiel ist dage­gen ermüdend. 

Statt­des­sen soll­ten wir bei Teasern nach dem Reiz-Kern­­the­­se-Ram­­pe-Sche­­ma­­ta vor­ge­hen, wie die Vor­ge­hens­wei­se beim Spie­gel heißt. Ein­fach gesagt: 

  • Der 1. Satz muss rei­zen und hineinziehen,
  • der 2. kann erklä­ren und News aufzeigen, 
  • der 3. soll Neu­gier­de und Lust erzeu­gen, um den Klick (CTA) zu provozieren. 

Zumin­dest der letz­te Satz kün­digt ganz gut an, was die Lese­rin wei­ter erwar­ten kann, auch wenn der Satz mit »hier erfah­ren Sie« sehr pas­siv und mit einem schwa­chen Verb for­mu­liert wurde.

SEO: ChatGPT wie­der­holt im 1. Satz sofort die Begrif­fe aus dem Titel, um die­sen – auch gegen­über Such­ma­schi­nen – eine beson­de­re Bedeu­tung zu geben. Die­se Vor­ge­hens­wei­se hat vie­les von ihrer frü­he­ren Rele­vanz ver­lo­ren, ins­be­son­de­re dann, wenn der Teaser nur den Titel in den­sel­ben Begrif­fen wie­der­holt. Zudem ist der Teaser mit 375 Zei­chen und 946 Pixel von der Län­ge gera­de noch pas­send, auch wenn er von Sys­te­men abge­schnit­ten wer­den könnte.

Fazit: Prä­gnan­ter for­mu­liert hät­te der­sel­be Teaser lau­ten können: 

“Ob Web­sei­te, Blog, Maga­zin oder Social-Media-Kanal: Online-Tex­­­te sind ent­schei­dend für den Erfolg im Netz. In die­sem Bei­trag lie­fern wir Ihnen 7 Schreib­tipps, damit Ihre Text­bei­trä­ge bes­ser ankom­men: zu Ziel­grup­pen, Struk­tu­ren, Spra­che, Visua­li­sie­rung und Sichtbarkeit.”

3) Der Fließ­text: Schul­no­te befriedigend

Fließtext von ChatGPT zum Thema Erstellung von Online-Texten
Fließ­text von ChatGPT zum The­ma Onllne-Texten

For­mel­les: Wer Lese­rin­nen dazu gebracht hat, sich nach dem Titel und dem Teaser mit dem Fließ­text zu beschäf­ti­gen, hat schon eini­ges erreicht. Jetzt kommt es dar­auf an, ihre Neu­gier­de sofort mit wei­te­ren Mehr­wer­ten zu binden. 

Ein­stieg: ChatGPT steigt jedoch mit einem Aller­welts­satz ein »Ein guter Online-Text ist für das World Wide Web uner­läss­lich.« Spä­tes­tens jetzt ist die Lese­rin ein­ge­schla­fen und auf jeden Fall weg. Auch der wei­te­re Inhalt des ers­ten Absat­zes bringt immer noch kei­nen Mehr­wert, auf den die Lese­rin aber sehn­süch­tig lau­ert. Ver­schenk­te Lebens­zeit, wird sie sich denken. 

For­mat: Ab dem 2. Absatz kom­men wir zu den Inhal­ten. Ab hier hapert es am For­mat. Im Titel war von Tipps gespro­chen wor­den – dies ver­bin­den die meis­ten Men­schen mit einer Auf­zäh­lung. ChatGPT schreibt aber einen nur leicht geglie­der­ten Fließ­text. Im Ver­gleich zu einem Listic­le lässt sich die­ser Text nur schwer quer­le­sen. Dies wird dadurch ver­stärkt, dass der Tex­te weder Zwi­schen­ti­tel beinhal­tet, noch nach dem Prin­zip der umge­kehr­ten Pyra­mi­de auf­ge­baut ist. Die­ses besagt, dass die wich­tigs­ten Argu­men­te mög­lichst weit oben ste­hen sollten. 

Inhalt (ver­al­tet): Inhalt­lich ist der Text in Ord­nung. So wer­den hilf­rei­che Tipps bei der Redak­ti­on eines Online-Tex­­­tes auf­ge­zählt – zumin­dest bis zu der Stel­le, in der der Text abge­bro­chen wird. Jedoch scheint der etwas bra­ve Text aus einer ver­gan­ge­nen Zeit zu stam­men. So fehlt doch eini­ges, was heut­zu­ta­ge moder­nes Online-Tex­­­ten ausmacht:

  • Was ist mit der Fet­tung der zen­tra­len Begrif­fe, um das Lese­rin­­nen-Auge bes­ser zu leiten?
  • Was ist mit dem Ver­lin­ken ver­wand­ter inter­ner wie exter­ner Tex­te und Doku­men­te, wenn sie einen wirk­li­chen Mehr­wert zum Text beisteuern?
  • Was ist mit dem Set­zen von Hash­tags, um bei­spiels­wei­se die inter­ne Navi­ga­ti­on zu erleichtern?
  • Was ist mit der Inte­gra­ti­on nicht nur von Bil­dern, Gra­fi­ken oder Tabel­len, son­dern auch von Vide­os und Social-Media-Pos­­tings wie Tweets etc.?
  • Was ist mit den Sha­ring-Optio­­nen, um den Bei­trag in die Social-Media-Welt zu tei­len? Ganz nach dem KISS-Prin­­zip: “Keep it signi­fi­cant and shareable”?

Dies sind sicher­lich nur eini­ge Aspek­te. Ande­re Kri­te­ri­en wie das F‑Pattern kön­nen hier nicht ange­wandt wer­den, da ChatGPT bei der Text­aus­ga­be natür­lich auf Gestal­tungs­ele­men­te verzichtet.

Fazit: Chat­bots lie­fern die Pflicht, Men­schen die Kür

Bin ich als Tex­ter oder Tex­te­rin heu­te über­flüs­sig? Stand heu­te kei­nes­wegs. Benö­ti­ge ich mein Wis­sen heu­te noch, was ich im Rah­men mei­ner jour­na­lis­ti­schen und PR-Wege errun­gen habe? Auf jeden Fall. 

Arti­fi­ci­al Intel­li­gence Tools jeg­li­cher Art sind wirk­li­che fan­tas­ti­sche Hilfs­in­stru­men­te – mit Beto­nung auf Hil­fe. Sie hel­fen mir nicht nur, Bil­der (wie das Titel­bild via DALL‑E) oder Vide­os (z.B. mein Par­­füm-Video via Quick​Vid​.ai) über die Platt­form Ope­nAi oder ande­re zu erstel­len. Als Tex­ter hel­fen sie mir gera­de auch dann, wenn ich mal wie­der vor einem lee­ren Blatt Papier ver­har­re und den ers­ten Kre­a­­tiv-Tritt in den Aller­wer­tes­ten benötige. 

Video über Par­füms von Domi­nik Rui­sin­ger via QuickVid

Final gesagt: Sol­che Hilfs­in­stru­men­te lie­fern einen Rah­men, der sich dann opti­mie­ren lässt. Dies habe ich an mei­nem Bei­spiel mit den Regeln des moder­nen Online-Tex­­­tens geschil­dert, die ich in mei­nem aktu­el­len Buch »Pra­xis Online-Tex­­­ten« aus­führ­lich beschrei­be. Also: Chat­bots lie­fern die Pflicht, Men­schen die Kür. Und das wird sicher­lich noch eine Wei­le so bleiben.