Gedankenspiele-Lesetipps vom 26. Juni 2015

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9 Features, die eine mobile Website enthalten sollte

9 Features, die eine mobile Website enthalten sollte

Auf ActiveMobi habe ich diese interessante Infografik entdeckt. Sie beschreibt 9 Features, die eine Website enthalten sollte, um Nutzer mobiler Endgeräte zu erreichen. Auch wenn die Infografik schon ein Jahr alt ist, so beschreibt sie doch ganz gut die wichtigsten Aspekte – gerade in Zeiten, in denen nicht nur für Google & Co. die mobile Nutzbarkeit zu einem zentralen Rankingkriterium geworden ist.

Top 9 Features Mobile Consumers Want On Your Mobile Website-Infographic

9 Features, die eine mobile Website enthalten sollte

Courtesy of: ActiveMobi
Warum Deutschland im Social Web kein Weltmeister ist.

Warum Deutschland im Social Web kein Weltmeister ist.

Ende Juni 2014 erschien im Wallstreet Journal ein kurzer, kompakter Beitrag, der auf größere Aufmerksamkeit im Social Web stieß: „5 Gründe, warum Deutschland nicht twittert„, titelte Autor Stephan Dörner seinen Meinungsartikel. Auch wenn die von ihm erwähnten Gründe durchaus in die richtige Richtung reichen, sprechen sie nur einen kleinen Teil der Ursachen an, mit der sich die deutsche Zurückhaltung erklären lässt.

Kommunikationsmanagement Loseblattsammlung

Kommunikationsmanagement Loseblattsammlung

Hinweis: Dieser lange Beitrag erschien bereits im April 2015 in: Kommunikationsmanagement (Loseblatt), herausg. von Bentele/Piwinger/Schönborn, Beitrag Nr. 5.82, Köln 2015. Seitdem haben sich einige der erwähnten (Nutzer-)Zahlen natürlich verändert. An den grundlegenden Aussagen dieses Beitrages ändert dies jedoch nichts.


1. Einleitung

„Fast die Hälfte der Internetnutzer ist inzwischen Mitglied in einem sozialen Netzwerk“, lautete eine der Überschriften aus dem Bericht zur AWA 2014, der renommierten Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse. Damit ist der Anteil der Netzwerk-Mitglieder innerhalb eines Jahres von 40 auf 44 Prozent gestiegen. Eigentlich eine grundsätzlich positive Entwicklung.

Wer aber einen etwas differenzierteren Blick auf die Social Media Nutzung hierzulande wirft, dem fällt eines auf: Deutschland lässt sich im internationalen Vergleich durchaus als Facebook-Land bezeichnen – und mit Einschränkungen auch als YouTube- und Instagram-Fan; in allen anderen Plattformen des Social Web – wie Twitter, Google+, Pinterest, Blogs oder den Location Based Services wie Foursquare – befindet sich Deutschland dagegen auf den hinteren Rängen. Doch woran liegt diese unterschiedliche Nutzung? Welche Gründe lassen sich aufführen, die diese Zurückhaltung erklären könnten?


2. Bestandsaufnahme: Social Media Nutzung in Deutschland

Wie stark unterschiedlich die deutschen User die bekannten Social Media Plattformen nutzen – gerade im internationalen Vergleich –, dies verdeutlichen einige Zahlen, die im folgenden kurz erwähnt und analysiert werden.

2.1 Facebook

Weltweit gab es 01/2015 gut 1,35 Milliarden monatlich aktive Facebook-User. Von diesen besuchen 864 Millionen und damit knapp zwei Drittel das Netzwerk täglich; in Deutschland waren Ende 2013 25 Millionen auf Facebook aktiv, davon 19 Millionen täglich. Seitdem hat Facebook selbst keine exakten Zahlen mehr publiziert. Wer das Facebook Advertising-Tool jedoch zu Hilfe nimmt, stößt auf eine Zahl von 28 Millionen deutschen Nutzern. Bei rund 81,8 Millionen Einwohnern nutzen ca. 35 Prozent Facebook. Damit gehört Deutschland zu den zehn weltweit führenden Facebook-Nationen bezogen auf die Nutzerzahlen und vor allem die Bevölkerungspenetration.

2.2 Twitter

Twitter zählte Ende 2014 weltweit 284 Millionen monatlich aktive Nutzer – und damit 13 Millionen mehr als im Vorjahr. Selbst wenn sich die Nutzerzahl seit 2011 verdreifacht hat, bleibt die Wachstumsrate für Unternehmen und Investoren enttäuschend. Dies bezieht sich vor allem auf die weiterhin geringe Aktivität der Nutzer. So hat sich die Zahl der täglich versendeten Tweets (500 Millionen) seit dem vergangenen Jahr nicht verändert. Das Problem: Offenbar melden sich viele Menschen an, die den Dienst nach einer ersten Testphase nicht kontinuierlich weiter nutzen.

Blicken wir auf Deutschland, so zählte die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 5 Prozent Deutsche , die zumindest einmal wöchentlich den Microblogging-Dienst nutzen. Damit stieg die Nutzung zwar von zwei auf fünf Prozent innerhalb eines Jahres. Zahlen zur täglichen Nutzung sind nicht bekannt, obwohl gerade diese bei solch einem Nachrichtenservice deutlich relevanter wären. Auch wenn die Zahl der deutschen Twitter-Nutzer gerade im Rahmen der vergangenen Fußball-WM deutlich gestiegen ist, so ist davon auszugehen, dass diese Zahl noch weit unter einer Million liegt. Auch beim Anteil am weltweiten Tweet-Aufkommen belegt Deutschland mit 0,72 Prozent nur den 18. Platz.

2.3 Google+

1,15 Milliarden Nutzer hatten sich Ende 2013 bei Google+, dem Netzwerk aus dem Hause Google, registriert – ob direkt oder über eine Verbindung via Gmail oder YouTube. Von diesen nutzen 359 Millionen Google zumindest einmal im Monat, davon 56,2 Prozent auch mobil. Für Deutschland zählte der Google+ Statistik-Dienst CircleCount Ende Dezember 2014 7,3 Millionen monatlich aktive Google+-Profile. Bezogen auf die Bevölkerungszahl von 81,8 Millionen bedeutet dies, dass 8,9 Prozent Deutsche ein Google+-Profil haben. Dadurch belegt Deutschland in der CircleCount-Rangliste innerhalb von Europa nur Platz 25.

Ein ähnliches Ergebnis ergab eine Untersuchung von GlobalWebIndex zum Abschluss des 1. Quartals 2014. Bei der Befragung von über 42.000 Internetnutzern in 32 Ländern gaben 54 Prozent an, einen Account bei Google+ zu besitzen, 20 Prozent ihn monatlich zu nutzen. Besonders aktiv sind Länder wie Indonesien 36 Prozent, Indien 35 Prozent, Südafrika 33 Prozent, Türkei 29 Prozent, Spanien 17 Prozent und die USA 15 Prozent. Deutschland taucht in dieser Aufzählung gar nicht erst auf.

2.4 Blogs

Seit Jahren wird immer wieder die Reminiszenz der Corporate Blogs prognostiziert. Auf Deutschland bezogen ist diese zumindest noch nicht sichtbar. Wirft man einen Blick auf die erwähnte ARD/ZDF-Onlinestudie 2014, so nutzen fünf Prozent der Deutschen zumindest einmal pro Woche Blogs, 17 Prozent zumindest gelegentlich. Die Hauptnutzer sind die 14- bis 29-Jährigen. Diese Zahlen haben sich jedoch im Vergleich zum Vorjahr nur leicht nach oben bewegt, was die Zurückhaltung der Deutschen bei Blogs belegt.

2.5 Instagram

Die Nutzerzahlen der recht jungen Facebook-Tochter Instagram steigen kontinuierlich an. Erst im vergangenen Herbst verkündigte Instagram die Zahl von 300 Millionen weltweit existierenden Accounts. Die Marktforschungsstudie GlobalWebIndex kam Mitte 2014 zum Ergebnis, dass weltweit rund 20 Prozent aller Internetnutzer zwischen 16 und 64 Jahren einen Instagram-Account hätten. Von diesen seien 76 Prozent zwischen 16 und 34 Jahren alt. Auch wenn keine detaillierten Zahlen zu hiesigen Nutzern vorliegen, dürfte Deutschland trotz kontinuierlichem Wachstum noch etwas hinterher hängen, auch wenn Instagram mit Sicherheit zu den Social Media Favoriten der deutschen User zählt.

2.6 Pinterest

Die Zurückhaltung gegenüber dem Sozialen Bildernetzwerk Pinterest ist deutlich höher. Während in den USA jeder fünfte Amerikaner Pinterest nutzt, gibt es hierzulande erst seit vergangenem Jahr einen Hoffnungsschimmer: Laut des Marktforschungsunternehmens Comscore hat sich die Zahl der Pinterest-Website-Besucher von 600.000 auf 2,1 Millionen erhöht. Noch dominieren klar die Nutzer aus den USA und aus Kanada, den englisch-sprachigen Ländern Großbritannien und Australien, sowie aus portugiesisch-spanisch-sprachigen Ländern wie Brasilien, Mexiko und Spanien.

Zudem wagen sich erst wenige hiesige Marken und Unternehmen an den Foto-Dienst. Dies hat zur Folge, dass selbst nationale Kaffee- und Teemarken einen internationalen, englisch- oder spanisch-sprachigen Account bei Social Media Plattformen wie Pinterest, Instagram, Twitter, YouTube etc. bevorzugen, als dass sie einen deutschsprachigen Account installieren würden.

2.7 Zwischenfazit

Diese Zahlen spiegeln die oben erwähnte gespaltene hiesige Social Media Nutzung deutlich wider: Während Deutschland zu den Haupt-Facebook-Nationen zählt, spielen gerade Twitter, Blogs, Google+ und Pinterest für deutsche User nur eine geringe Rolle. Ähnliche Ergebnisse hatte die Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung Ende des Jahres 2013 erhoben. Danach griff 22 Prozent der deutschen Bevölkerung täglich auf ihr Facebook-Profil zu, während dies bei Twitter nur rund 2,4 Prozent der Befragten waren.

Diese Zurückhaltung gilt ebenfalls für neu aufkommende Social Media Plattformen. Die Instant Messaging Anwendung Snapchat zählt beispielsweise international bereits 100 Millionen regelmäßige Nutzer und ist in den USA zur drittwichtigsten App – nach Facebook und Instagram – unter den 14- bis 34-Jährigen aufgestiegen. Dort hat sich Snapchat fest im Alltag junger User etabliert, während sich der Fotodienst in Deutschland erst langsam gerade unter Jugendlichen verbreitet.


3. Die Gründe für die Zurückhaltung im Social Web

Wo liegen die Gründe für diese Skepsis? Für diese Facebook-Lust und die sonstige Social Media „Unlust“? In seinem Beitrag für das Wallstreet Journal nannte Redakteur Stephan Dörner fünf Gründe, warum Deutschland nicht twittert bzw. warum Twitter hierzulande „einfach nicht abheben will“. Seiner persönlichen Meinung nach tragen dazu die deutsche Zurückhaltung bei der öffentlichen Meinungsäußerung, die fehlende Eignung der deutschen Sprache für Twitter, die deutsche Technikskepsis, das Fehlen zugkräftiger Promis und die institutionelle Schwäche von Twitter in Deutschland bei.

Doch reichen diese Gründe aus, um daran die deutsche Social Media Zurückhaltung zu erklären bzw. sie zu verstehen? Blicken wir auf einige Gründe, die sich nicht nur auf Twitter, sondern auch auf die anderen Social Media Plattformen beziehen lassen.

3.1 Zurückhaltung in der Online-Nutzung

Wer die Social Media Nutzung in Deutschland intensiver analysiert, kommt einem Grund schrittweise näher. Denn wie sieht die hiesige Social Media Nutzung wirklich aus? Jedes Jahr gibt die Initiative D21 den D21-Digital-Index heraus, der sehr genau die Entwicklung der digitalen Gesellschaft in Deutschland beschreibt. Unter anderen wird die deutsche Bevölkerung nach sechs unterschiedliche Nutzertypen charakterisiert, die aufzeigen, wie stark das Internet und die Sozialen Medien von welcher Bevölkerungsgruppe genutzt wird.

Die 2014er-Ausgabe machte deutlich, dass 26 Prozent (bezeichnet als „Außenstehende Skeptiker“) kaum online sind, 30 Prozent („Häusliche Gelegenheitsnutzer“) sich vor allem auf die Internet-Recherche beschränken, 7 Prozent („Vorsichtige Pragmatiker“) wegen hoher Sicherheitsbedenken sehr bedacht im Internet agieren, 18 Prozent („Reflektierter Profi“) Social Media stark nutzt, 13 Prozent („Passionierter Onliner“) sich ein Leben ohne Internet nicht vorstellen können und 6 Prozent („Smarter Mobilist“) zu den Internet-Intensivnutzern – und dies vor allem mobil – zählen. Die Prozentzahlen addiert, bedeutet dies, dass gerade einmal 37 Prozent, also ein gutes Drittel, derzeit Soziale Medien aktiv nutzt bzw. über diese erreichbar sind.

Dieser Prozentsatz deckt sich perfekt mit der oben erwähnten Facebook-Penetration in Deutschland und verwandelt die bisherige Annahme in eine einfache Gleichung: „Wenn Social Media in Deutschland, dann Facebook.“ Für alles weitere ist in der Mehrzahl der Menschen keine Zeit oder kein Interesse. Hierzu muss hinzugefügt werden, dass sich diese Zahlen innerhalb der vergangenen zwei bis drei Jahren kaum verändert haben. Es lässt sich also schon fast von einem Stillstand bei der Internet- und Social Media Nutzung sprechen.

3.2 Ausgeprägter digitaler Gap

Einen ausgewiesenen starken digitalen Gap in Deutschland bezeugt ebenfalls die Markt-Media-Studie best for planning (b4p), welche die Gesellschaft für integrierte Kommunikation im September 2014 zum zweiten Mal durchführte. Laut b4p sind 51 Prozent der Deutschen über 14 Jahren völlig Social Media abstinent, privat wie beruflich. An dieser Zahl hat sich innerhalb der letzten 12 Monate fast nichts geändert.

Vor allem sind die Unterschiede unter den Altersstufen hoch – so der oben erwähnte D21-Digital-Index. Auch laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 sind in Deutschland zwar 45,4 Prozent der über 60-Jährigen zumindest gelegentlich online. Mit dieser Zahl ist die hiesige Internetpenetration in dieser Altersstufe jedoch deutlich geringer als in anderen europäischen Ländern. Dieser ausgeprägte digitale Gap wird den Studien nach vor allem durch die älteren Frauen „verursacht„.

Vor diesem Hintergrund drückte Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück anlässlich der CeBIT 2013 bereits seine Befürchtung aus, dass sich die Gesellschaft spaltet: „In digitale Oberklasse und Analphabeten“. Ein Aspekt, der angesichts der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft auf jeden Fall zum Nachdenken anregen sollte. Nur woher stammt dieser deutsche digitale Gap? Ist es eine Technik-Skepsis? Die Angst vor dem Verlust der eigenen Privatsphäre?

3.3 Die Frage nach der Privatsphäre

Die Deutschen würden sich mit öffentlichen Meinungsbekundungen online zurückhalten, weil sie im internationalen Vergleich besonders auf ihre Privatsphäre achten würden, argumentiert Dörner in seinem Wallstreet Journal Beitrag. Dazu verweist er auf Twitter, das als öffentliches Medium und über Google stets auffindbar sei, während Facebook ein Medium ausschließlich für den eigenen Freundes- bzw. Fankreis sei. Dass das deutsche Sicherheitsbewusstsein zu einer bewussten Nutzung der Sozialen Medien führt, erkannte die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 bei Nutzern: „Vielmehr scheinen sie in einem Zwiespalt zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit einerseits und persönlichem Nutzen andererseits zu sein. Datenschutz wird gegen Convenience und Partizipation abgewogen.“

Blicken wir ein paar Jahre zurück: Seit den Anfängen ist Facebook häufig in der Kritik, was den Umgang mit dem Datenschutz und dem Gebrauch freiwillig gegebener Daten zu Werbezwecken betrifft. An dieser kritischen Einstellung hat sich bis heute nichts geändert. Keine der vielen Datenskandale konnte aber etwas an der deutschen Faszination für das blaue Netzwerk ändern, was sich in der bis heute kontinuierlich hohen Nutzung niederschlägt. Wenn das Thema Privatsphäre so wichtig ist, warum ist die hiesige Facebook-Nutzung in Deutschland weiterhin so intensiv? Und warum wird auch die Videoplattform YouTube als Google-Produkt und als eines der stärksten Meinungsmedien samt Kommentarfunktion so intensiv genutzt? Zumindest scheint die Frage nach der Privatsphäre als einziges Argument nicht auszureichen.

3.4 Deutsche rechtliche Bedenken

Die Frage nach der Privatsphäre berührt ein weiteres Hindernis, das die Nutzung gerade der im Internet boomenden Bilder- und Video-Plattformen behindert: Die deutschen Rechtsvorschriften bzw. die vorgebrachten rechtlichen Bedenken. Beispiel YouTube: Seit April 2009 streiten sich Google als YouTube-Inhaber und die deutsche GEMA über die Verbreitung von Videos auf der zweitgrößten Suchmaschine der Welt. Bis heute konnte keine Einigung über den damals auslaufenden Vertrag erzielt werden. Die Folge: Kaum werden nach GEMA-Einschätzung musikalische Rechte bei publizierten Videos verletzt, erscheint beim suchenden Youtube-User die Nachricht: „Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar, da es Musik enthalten könnte, für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat.“ Ein Ärgernis, das beispielsweise unsere Nachbarländer nicht kennen.

Beispiel Pinterest: Das US-Foto-Netzwerk hat sich zu einem der wichtigsten Traffic-Lieferanten gerade in den USA entwickelt. Kaum ein Portal, kaum ein Shop, kaum ein Produktanbieter kann auf die Links aus Pinterest verzichten. Weit über 70 Millionen Nutzer pinnen regelmäßig Bilder und Videos direkt von anderen Pinterest-Usern oder direkt von Webseiten in ihre eigenen Boards. Bilder von Webseiten pinnen? Genau an dieser Stelle tauchen die rechtlichen Bedenken auf. Schließlich werden ebenfalls Bilder gepinnt bzw. weiter gepinnt, für die der jeweilige Pinterest-User – unabhängig ob Privatperson oder Unternehmen – keinerlei Rechte hat. Während sich auf internationaler Ebene die sogenannte „Fair Use Regel“ etabliert hat, die eine Nutzung ohne Erlaubnis des Rechteinhabers unter bestimmten Rahmenbedingungen legitimiert, dominiert gerade bei deutschen Unternehmen die Angst vor möglichen Abmahnungen von den Inhabern gepinnter Bilder.

Auch wenn die Zahl der Pinterest-User sich in den letzten Monaten erhöht hat, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, so bleibt die international boomende Plattform für visuelles Networking noch ein Randinstrument in Deutschland. Solange aber nicht starke Unternehmen, Prominente und Multiplikatoren Pinterest in Deutschland für ihre visuelle Kommunikation aktiv nutzen – unter Berücksichtigung der herrschenden rechtlichen Bedingungen –, wird sich wiederum die Masse der Nutzer für Pinterest kaum begeistern können und es damit zum wirkungsvollen Marketinginstrument machen.

3.5 Hiesige technologische Skepsis

Wenn auch überall von der digitalen Transformation gesprochen wird und sie als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit definiert wird, ist das Technologieland Deutschland vom hoch digitalisierten Wirtschaftsstandort noch weit entfernt. Gerade bei mittelständischen Unternehmen ist die Digitalisierung bisher so gut wie nicht angekommen, so das Ergebnis einer Studie, die das Marktforschungsinstitut GfK Enigma im Juli 2014 im Auftrag der DZ Bank bei 1.000 Unternehmen durchgeführt hatte. Danach sprechen 70 Prozent der mittelständischen Unternehmen der Digitalisierung im Herstellungs- und Wertschöpfungsprozess kaum oder gar keine Bedeutung zu. Nur bei der Hälfte aller mittelständischen Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 125 Millionen Euro ist die Digitalisierung Teil der Geschäftsstrategie.

statista: „Internet für Deutsche tatsächlich Neuland

statista: „Internet für Deutsche tatsächlich Neuland

Fazit des DZ-Bank-Vorstandsmitglieds Stefan Zeidler: „Ganz eindeutig werden die Chancen, welche die Digitalisierung bietet, in einem großen Teil des Mittelstandes nicht erkannt. Es überwiegen die Ängste.“ Begründet wird diese Zurückhaltung mit Sorgen um die Sicherheit ihrer Daten und um die größere Abhängigkeit von der technischen Infrastruktur. Die Chance, auf diesem Wege neue Märkte zu erschließen, wird dagegen nur von 44 Prozent der Befragten erkannt.

In diesen Ergebnissen spiegelt sich die kritische Einstellung in Deutschland gegenüber Informationstechnologien wider, die sich wiederum erschwerend auf die stärker verbreitete Nutzung und die wirtschaftliche Weiterentwicklung niederschlägt. Diese technologische Zurückhaltung lässt sich auch aus einem weiteren Vergleich herauslesen: Lediglich fünf Prozent der Bundesbürger schätzen ihre eigenen Internet-Kenntnisse als „gut“, 33 Prozent der Bevölkerung als „mittelmäßig“ ein. Dies ist den Umfragedaten der EU-Statistikbehörde Eurostat zu entnehmen. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich nur im hinteren Bereich, wie die folgende Abbildung deutlich macht.

3.6 Schwache technologische Infrastruktur

Ein Blick auf die hiesige Infrastruktur führt zu einem damit verbundenen und ebenso wesentlichen Problem: Deutschland hängt im internationalen Vergleich deutlich hinterher, wenn es um die technischen Voraussetzungen für eine intensive Internet- und damit Social Media Nutzung geht.

statista: Deutsches Web: Zu langsam für die Webspitze

statista: Deutsches Web: Zu langsam für die Webspitze

Wie die folgende Grafik aufzeigt, belegt Deutschland unter den Ländern mit schneller Internet-Verbindung gerade einmal Platz 28. Dies bedeutet: Für viele Menschen existiert nicht die technische Infrastruktur, um ständig auf ihre eigenen Sozialen Medien zugreifen zu können. Dass dies einer intensiverem Internet- und Social Media-Nutzung hinderlich ist, ist nachvollziehbar: Je einfacher jemand auf seine Medien zugreifen kann, desto eher wird er sie – regelmäßig – nutzen.

Ebenfalls dazu zählt die erst allmählichere WLAN-Abdeckung – und dies beschränkt auf die deutschen Großstädte und damit Technologie-Metropolen. Während beispielsweise in Europa in den nordischen Ländern oder in den baltischen Staaten fast jeder moderne Coffee Shop, jede traditionelle Backstube, jedes Straßencafé, jeder Überlandbus wie selbstverständlich kostenloses WLAN anbietet, so ist dies bei uns erst im Kommen oder – wie in vielen Hotels – nur kostenpflichtig zu erhalten. Oder es ziehen sich Diskussionen über städtische WLAN-Angebote ewig in die Länge. Neben der skeptischen Grundeinstellung der Bevölkerung gegenüber den neuen Medien liefert damit auch die Infrastruktur derzeit keinen fruchtbaren Nährboden für eine Digitalisierung in Deutschland.

Positiv ist anzumerken, dass die Bundesregierung das Problem und den dringenden Nachholbedarf erkannt zu haben scheint, die infrastrukturellen Grundlagen in Deutschland für eine verstärkte Nutzung der Informationstechnologien zu stärken. Anfang des Jahres 2014 sprach der damals neue Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt davon, Deutschland mit einem „digitalen Hochgeschwindigkeitsnetz bis 2018“ in die digitale Champions League zu hieven und dazu den Zugang zum schnellen Internet von mindestens 50 Mbit/s bis zum Jahre 2018 flächendeckend auszubauen. Ob Champions League oder Europa League, ob realistisch oder nicht: Erst wenn diese Netzinfrastruktur deutlich verbessert ist, werden die Menschen die Sozialen Medien deutlich intensiver nutzen können – und dies unabhängig von Zeit und Ort, von privatem oder beruflichem Einsatz.

3.7 Geringer medialer Rückenwind

Die Social Media Affinität der deutschen Medien bleibt weiterhin im internationalen Vergleich begrenzt. Während insbesondere im skandinavischen, asiatischen und amerikanischen Raum Journalisten intensiv mit Twitter, Google+ und Co. umgehen, hält sich eine Vielzahl deutscher Medienvertreter zurück. Selbst wenn ihr Anteil in den letzten zwei Jahren leicht gewachsen ist, belegen sie in internationalen Rankings bzgl. Social Media Affinität hintere Plätze, dominiert die Zurückhaltung und Skepsis gegenüber Entdeckungslust und Kommunikationsfreude.

Der deutschen Bevölkerung fehlen damit die Medien als Multiplikatoren, welche den sinnvollen Einsatz der Sozialen Medien aktiv vorleben. Würden sie diese massiv nutzen, könnten Leser und Zuschauer das Social Web noch stärker als ein Instrument der Informationsbeschaffung, der Beobachtung und des Austausches begreifen, also als ein durchaus sinnvolles und für viele hilfreiches Instrument.

Diese derzeitige Zurückhaltung fällt – im internationalen Vergleich – zum Beispiel bei der Integration von Hashtags auf. Während es in den USA, in Großbritannien, in den skandinavischen und asiatischen Ländern kaum eine TV-Sendung ohne eigenen Hashtag gibt, beschränkt sich dies bei uns noch auf ausgewählte Spots wie #tatort #TVOG #GNTM oder spezielle Sportsendungen. Das heißt, während die Integration eines Hashtags in deutschen Medien noch etwas Besonderes ist, gelten Hashtags bei unseren Nachbarn als Normalität – wie im übrigen auch die Erwähnung des persönlichen Redakteurs-Twitter-Accounts als Kommunikationsangebot während der Sendungen.

3.8 Die Macht der englischen Sprache

Wer die Länder mit der stärksten Online-Nutzung sucht, wird innerhalb von Europa vor allem auf Länder treffen, in denen die Bewohner mit Englisch als Muttersprache oder Englisch als Mediensprache aufwachsen, wie in den nordischen Ländern, aber auch beispielsweise in den Niederlanden. Für deren Bewohner ist ein Austausch in englischer Sprache etwas Alltägliches.

Dies galt auch für die Social Media Plattformen, wie ein kurzer Blick zurück verdeutlicht: Facebook begann beispielsweise in Deutschland erst dann seine Erfolgsgeschichte zu schreiben, als eine deutsche Version Ende Februar 2008 online ging. In die vormalige englische Version wollten sich nur wenige Nutzer einarbeiten, was zu einer Hochzeit der nationalen Netzwerke wie StudiVZ, Wer-Kennt-Wen oder Lokalisten geführt hatte, von denen heute niemand mehr spricht bzw. die heute schlicht nicht mehr existieren.

Gleichzeitig zeigt ein Blick auf Länder wie Brasilien, Indonesien, Spanien, Mexiko, Türkei, dass ebenfalls nicht englisch-sprachige Länder Twitter intensiv nutzen. Warum dort? In Länder, die in den letzten Jahren unter einer Krise litten oder politische Umwälzungen erleben durften – arabische Revolution, Kritik an Erdogan in der Türkei, Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen in Spanien etc. –, scheint Twitter einen deutlich stärkeren Eingang gefunden zu haben. Insbesondere junge Menschen sahen in diesem Nachrichtendienst eine Chance, sich zu Demonstrationen oder andere Veranstaltungen zu vernetzen oder ihrem Widerstand gegen die herrschenden Systeme Ausdruck zu verleihen – und dies in Echtzeit. Übersetzt heißt dies: Diese Menschen wussten, für was sie Twitter nutzen könnten; sie hatten einen Sinn entdeckt. Und genau dies führt zu einem der wesentlichen Gründe für die Zurückhaltung bei Twitter und Co.: Die Frage nach der Sinnhaltigkeit.

3.9 Die Suche nach dem Sinn

Twitter wie auch Google+ schaffen es offenbar bisher nicht ausreichend, neue, weniger netz- und technikaffine Internetnutzer anzuziehen und zu binden. Somit bewegen sich vor allem Kommunikations- und Marketingfachleute, Journalisten und Blogger, Technologie-User, Politiker gerade zu Wahlzeiten sowie – auf Twitter – Prominente aus dem Show-, TV- und Sport-Business. Diese erkennen für sich den Sinn, ihre eigenen Themen zu lancieren, die neuesten Entwicklungen zu beobachten, sich mit ihren Kollegen und Fans auszutauschen. Und die anderen „normalen“ Menschen: Viele zweifeln an der Relevanz von Twitter, Google+ und Blogs. Was soll ich mit Twitter genau anfangen, ist eine der häufigsten Fragen, die auch der Autor dieses Beitrages von Seminarteilnehmern regelmäßig erhält. Bei Facebook unterhält man sich mit seinen Freunden. Bei Google+ soll es Effekte auf die Suchmaschinenpräsenz bringen. Aber warum Twitter?

statista: Twitters Problem mit der Nutzer-Bindung

statista: Twitters Problem mit der Nutzer-Bindung

Diese Frage nach dem Sinn gerade von Twitter spiegelt die hohe Anzahl an Menschen wider, die Twitter begonnen haben zu nutzen und es nach kurzer Zeit wieder gelassen haben. Focus-Experte Holger Schmidt spricht von 70 bis 80 Prozent. Daten der Twitter-Analyse-Firma Twopcharts verdeutlichen dies: Von den 900 Millionen Accounts, die seit 2008 eröffnet wurden, waren Ende Februar 2014 nur noch gut 10 Prozent aktiv, das heißt, es wurden Tweets von dem Account abgesetzt. Viele User hatten also Twitter ausprobiert, jedoch keinen erkennbaren Mehrwert für sich selbst erkannt. Oder sie nutzen Twitter rein passiv zum Lesen.

Dieses Problem zeigt einen extremen Nachholbedarf bei Twitter, den Sinn des eigenen Services zu verdeutlichen. In einem Interview mit der FAZ am 30. Juli 2014 gab Dick Costolo, Vorstandsvorsitzender von Twitter, zu: „Twitter muss einfacher für Neueinsteiger werden“. Auf die Frage, warum sich viele Menschen bei Twitter anmelden, aber nach kurzer Zeit den Dienst nicht mehr nutzen, antwortete er: „Weil wir es oft nicht schaffen, ihnen den unmittelbaren Wert von Twitter zu zeigen. Es muss leichter werden, bei Twitter einzusteigen. Zu viele Nutzer finden es zu schwierig, selbst manuell zusammenzustellen, welche Inhalte sie in der Nachrichtenleiste zu sehen bekommen. Wir haben hier viel Arbeit vor uns.

Kein Wunder also, dass Twitter derzeit massiv an Veränderungen arbeitet, um die Nutzer-Bindung zu erhöhen und gerade den Einstieg für Neulinge zu erleichtern. So soll es (Stand Januar 2015) für Neu-Nutzer künftig möglich sein, sich von Twitter passende Nutzer-Accounts zu den eigenen Interessanten anbieten zu lassen, um auf diese Weise die Suche nach relevanten Themen und Personen zu erleichtern („Instant Timeline“). Die Funktion „Timeline Highlights“ soll künftig Posts nicht mehr nur chronologisch sondern nach Höhepunkten sortiert anzeigen, um auf diese Weise das Geschehen besser im Auge zu behalten. Neben dem Ausbau der Direct Massaging Möglichkeiten soll zudem die beliebte Video-Nutzung angekurbelt werden. Nutzer sollen Videos direkt aus ihrem Twitter-Account aufnehmen, bearbeiten und versenden können.

Dies zeigt: Twitter ist sich seiner bisherigen Schwächen durchaus bewusst. Ob der neue Ansatz die Lösung sein wird, muss abgewartet werden. In der ersten Reaktion hat diese Entscheidung eher dazu geführt, bestehende aktive Twitterer zu verunsichern, denn neue User für Twitter zu gewinnen.


4. Fazit: Von Holschulden und Bringschulden

Deutsche Nutzer wollen sehr genau wissen, für was sie ein Netzwerk benutzen können und was sie davon haben, bevor sie sich damit intensiv beschäftigen. Auf Facebook unterhalten sie sich mit ihren Freunden, bei YouTube sehen sie sich Filme und Videos an. Dagegen muss ihnen bei Angeboten wie Twitter, Pinterest oder Blogs noch deutlicher gemacht werden, welchen Mehrwert sie davon konkret haben. Hier sind die Netzwerke verstärkt gefragt, diese Wissenslücken aufzufangen, wollen sie die deutsche Bevölkerung in ihrer Breite noch stärker an die Services heranführen und sie auch als Nutzer ihrer Werbeangebote künftig gewinnen. Ansonsten werden Twitter, Google+ & Co. die deutschen Nutzer Facebook ganz alleine überlassen – so wie bisher.

Dies ist jedoch nur eine der Ursachen, welche in Deutschland die bisherige Zurückhaltung im Umgang mit den Sozialen Medien – abgesehen von Facebook – mit erklärt. Auf der anderen Seite muss dringend daran gearbeitet werden, die bisherigen Schwächen auszumerzen: Und diese heißen Bewusstmachung der Chancen des Social Web unabhängig vom Alter, Aufklärung über die wachsende Bedeutung der Digitalisierung sowie Verbesserung der technologischen Infrastruktur als Grundvoraussetzung. Ansonsten wird die weitere digitale Transformation ohne die Deutschen ablaufen. Und das kann sich das Land definitiv nicht leisten.